65-Prozent-Grünstrom-Ziel in Gefahr „Ausbau erneuerbarer Energien abseits des EEG“

Michael Class hat am 1. Juli 2016 den Vorstandsvorsitz von Fred Jung übernommen, der in den Aufsichtsrat gewechselt ist. Der im südbadischen Wehr geborene Class war von 2008 bis zu seinem Wechsel zu Juwi Geschäftsführer der MVV Umwelt in Mannheim und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Energie- und Umweltbereich. Class besitzt eine Ausbildung zum Landwirt und hat an der Universität Hohenheim Allgemeine Agrarwissenschaften studiert.

Bild: Stephan F. F. Dinges
17.09.2020

Das für 2030 angepeilte 65-Prozent-Grünstrom-Ziel ist in Gefahr. Mit der Aufhebung 52-GW-PV-Deckels ist ein wichtiger Schritt für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren gelungen, so der Juwi-Chef. Dennoch beschäftigt sich das Unternehmen verstärkt mit Alternativen wie PPA.

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Mittlerweile ist es 24 Jahre her, dass die beiden Firmengründer, Fred Jung und Matthias Willenbacher – aus deren Nachnamen sich auch der Unternehmensname ableitet – ihre erste Windenergieanlage im Donnersbergkreis aufgestellt haben. Im vergangenen Jahr erreichte Juwi mit dem 1000sten Windrad einen besonderen Meilenstein. Das Unternehmen betreut heute einen Anlagenpark mit rund 3000 MW an Wind- und Solarenergieleistung. Michael Class sieht im Windenergiebereich insbesondere das „durchdachte Ausschreibungsmanagement“, das auch unter den erschwerten Bedingungen wirtschaftlich werthaltige Projekte ermögliche, als einen der Erfolgsgaranten. Doch von der Anfangseuphorie in der Windbranche ist derzeit wenig zu spüren. Viele Projekte stecken im Genehmigungsstau. Der Juwi-Geschäftsführer beschreibt die Situation so: „Die Notwendigkeit, die Nachfrage und der Wille zu investieren sind da, aber es gibt derzeit schlicht zu wenig Projekte, die am Markt angeboten werden.“

In der Politik werden seit Monaten Maßnahmen gegen die Misere diskutiert. Bislang mit wenig Erfolg. Class sieht hier die Länder in der Pflicht und fordert, deren Ausbauziele konsequent an die übergeordnete Erfüllung von Bundeszielen zu knüpfen. Sein Vorschlag lautet vereinfacht: Erfüllt ein Bundesland seine Ziele über ein Jahr hinaus nicht, so kann dieses die Länderöffnungsklausel nicht mehr anwenden. Somit würden etwa bestehende Abstandsregelungen ihre Gültigkeit verlieren. Mit Blick auf die Akzeptanz begrüßt Class zudem die nun bundesweit einheitliche, substantielle kommunale Beteiligung. „Regionen, die zum Ausbau der erneuerbaren Energien viel beitragen, müssen auch entsprechend mehr davon profitieren“, sagt der Agraringenieur.

Veränderungen die auf die Branche zukommen

Mit dem EEG zusammen hängen auch die beiden größeren Veränderungen, die auf die Branche zukommen. Die erste beginnt am 1. Januar 2021. Dann fallen bundesweit erstmals knapp 6.000 Windräder mit einer installierten Leistung von gut 4.000 MW aus der EEG-Vergütung. Für die Betreiber dieser Windenergieanlagen stellt sich damit die Frage, wie es nach Ende der Garantievergütung weitergeht: Repowering, Weiterbetrieb oder direkt Rückbau und Verkauf? Class sieht hier eine interessante Geschäftsoption für sein Unternehmen: „Bei der richtigen Entscheidungsfindung für ihre Standort unterstützen wir die Anlagenbetreiber mit dem gebündelten Know-how der MVV-Gruppe über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.“

Die zweite Veränderung wird die Vermarktung von Wind- und Solarparks außerhalb des EEG über Stromabnahmeverträge (PPA) sein. Für Projektentwickler wie Juwi bedeuten PPA einen weiteren Vermarktungskanal, der die Marktentwicklung weniger abhängig von Ausschreibungen und deren Anforderungen für Genehmigungen oder Flächen macht. Gleichzeitig steigt aber die Komplexität der Projekte. Class beschreibt die Situation so: „Sie müssen in der gesamten Kette vom Projektentwickler über den Stromabnehmer, die finanzierenden Banken und den finalen Anlagenbesitzern die Risiken eines Projekts neu aushandeln und absichern.“

Doch das seit 2015 zum MVV-Konzern gehörende Unternehmen setzt nicht nur auf PPA, sondern ist zunehmend international unterwegs. Im Solarbereich ist man international laut Class ein gefragter Partner. Um Fokus stehen hier vor allem Großprojekte. So hat man in Südafrika ein Solarportfolio von 250 MW umgesetzt, in den USA bauen die Wörrstädter in den kommenden Jahren 500 MW und übernehmen auch die Betriebsführung. Zudem steht in Griechenland mit 204 MW das größte Erneuerbare-Energien-Projekt Südosteuropas im Plan.

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