Weniger CO2 zu produzieren, reicht nicht aus, um bis 2050 klimaneutral zu sein. Dafür muss es zusätzlich gelingen, Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Weltweit am wirksamsten ist zu diesem Zweck bis dato: Bäume pflanzen. Effizienter jedoch sind Mikroalgen.
„Bäume zu pflanzen, ist auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil einer klimaneutralen Zukunft“, sagt Prof. Dr. Mirko Kleingries, Leiter des Kompetenzzentrums Thermische Energiesysteme und Verfahrenstechnik der Hochschule Luzern. „Doch sie wachsen langsam und benötigen viel Land. Wir brauchen deshalb weitere Methoden, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen.“ So haben er und sein Team sich intensiv mit Algen beschäftigt – genauer genommen mit Mikroalgen.
Reaktoren für schnelles Wachstum
Mikroalgen können pro Gramm bis zu zwei Milliarden Algen enthalten. Die Kleinstlebewesen haben mehrere Vorteile: Dadurch, dass sie nicht wachsen, sondern sich teilen, vermehren sie sich in kurzer Zeit. Und weil sie so klein sind, nehmen sie Nährstoffe schnell auf. Sie binden viel CO2, bis zu 70 Prozent ihrer Masse kann aus Kohlenstoff bestehen. Dabei hat jedes dieser Kohlenstoffatome vorher einem Kohlendioxidmolekül in der Atmosphäre angehört.
Darüber hinaus kommen Mikroalgen in unseren Ökosystemen natürlich vor und sind anspruchslos. „Sie brauchen nur Wasser, Licht, CO2 und Nährstoffe, insbesondere gebundenen Stickstoff“, erklärt Kleingries. Er und sein Team, in dem sich auch Master-Studierende befinden, entwickelten deshalb in den vergangenen zwei Jahren auf dem Campus Horw Bioreaktoren, die bestmögliche Bedingungen für ein schnelles Wachstum der Mikroalgen bieten. Wichtig ist dabei, dass die Züchtung der Algen möglichst wenig Energie verbraucht, um den Effekt nicht zunichtezumachen. „Wir züchten die Algen mit natürlichem Tageslicht“, sagt Kleingries.
Die Bioreaktoren haben einen weiteren Vorteil gegenüber anderen Methoden, die zum Beispiel an der Küste mit Meerwasser arbeiten: Es dringen kaum Bakterien in die Algenzucht ein, die das Wachstum zum Erliegen bringen könnten. Bei den Bioreaktoren am Campus Horw handelt es sich um geschlossene Systeme.
Vom Forschungsprojekt zum Start-up
Die Gebert-Rüf-Stiftung hat dem Projekt Anfang Mai die „First Ventures“-Unterstützung zugesagt. Damit sollen nun hocheffiziente Bioreaktoren entwickelt werden, die fast ausschließlich mit natürlichem Sonnenlicht arbeiten. Sind die Projektergebnisse vielversprechend, soll das Start-up Arrhenius gegründet werden. Zu den Gründungsmitgliedern werden auch Masterabsolventen und -absolventinnen gehören. Ihr Ziel: die Technologie weiterentwickeln und auf den Markt bringen.
Im Moment hat ein Reaktor einen Flächenbedarf von etwa 20 m2 und kann jährlich über 1 t CO2 binden. Allerdings beträgt der jährliche CO2-Ausstoß pro Person in der Schweiz aktuell rund 5 t. Ziel ist es deshalb, größere und leistungsfähigere Reaktoren zu bauen. Finanzieren will das Start-up dies über Klimazertifikate.
Haben die Mikroalgen ihren Dienst getan, können sie getrocknet und anschließend vergraben werden. Wichtig ist, dass sie nicht in Kontakt mit Sauerstoff kommen. Dafür müssen sie etwa 1 m unter der Erde liegen. „Negative Emissionen allein können unsere Probleme nicht lösen – in erster Linie müssen wir immer noch weniger Energie verbrauchen und den CO2-Ausstoß dramatisch reduzieren“, sagt Kleingries. „Aber Mikroalgen können zusätzlich einen wichtigen Beitrag leisten, um unsere Klimaziele zu erreichen.“