Dr. Michał Sobótka ist mit diesem Beitrag im als einer von 50 Machern der Energiebranche vertreten. Alle Beiträge des Energy 4.0-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik
Es gibt viele Stellschrauben, an denen bei der Energiewende gedreht werden müsste. Darin sind sich die Experten einig. Für Dr. Michał Sobótka ist eine davon die Kundenzentrierung: „Die Energiewende wird nicht ohne aktive Beteiligung der Endkunden gelingen. Dazu gehört nicht nur eine verstärkte Aufklärung, sondern auch die Beteiligung in der Rolle als Prosumer“, sagt er. Auch er geht davon aus, dass sich durch die Corona-Krise die Digitalisierung der Kundenkommunikation beschleunigt. Dabei waren die Energiekunden schon vorher zunehmend digital unterwegs: Die meisten Strom- und Gasverträge werden heute übers Internet abgeschlossen. Die Versorger nutzen die Kundendaten für ihre Geschäftsentwicklung noch recht selten: Es existieren allenfalls lokale Datensilos im Marketing, im Vertrieb oder im Kundenservice, aber selten die Fähigkeit, dieses Wissen zu verbinden. „Größere Versorger investierten daher aktuell kräftig in neue IT-Plattformen und ihre digitalen Kompetenzen“, sagt der Branchenexperte.
Digitale Produkte fehlen
Doch die meisten Kunden sähen ihre Energieversorgung immer noch als Commodity. Für ein stärkeres Interesse von Eigenheimbesitzer, Gewerbekunden oder Wohnungswirtschaft an intelligenten, passgenauen Energielösungen fehlen aus der Sicht Sobótkas aktuell die entsprechenden digitalen Produkte. „Das heutige intelligente Messsystem mit den wenigen zugelassenen Anwendungsfällen ist wie ein Smartphone ohne Appstore“, sagt er. Ideen für Energielösungen für auf Basis der Gateway-Technologie gäbe es in der Branche genug. Es fehlten aber die technischen Standards für eine interoperable Umsetzung. Für Sobótka sind die Gateway-Administration und das Messdatenmanagement künftig die Voraussetzung für verlässliche, automatisierte und vollintegrierte End-to-End-Massenprozesse. Der Chef des von EWE, Rheinenergie und Westfalen Weser Netz gegründeten Messdienstleisters, freut sich, dass in diesem Jahr der Rollout der intelligenten Messsysteme tatsächlich gestartet ist. Nun zeige sich, wer die entsprechend leistungsfähigen Prozesse bietet und auch den wirtschaftlichen Anforderungen genügt. Schon allein deshalb stelle der verlässliche und kosteneffiziente Betrieb der Prozesse für die Messstellenbetreiber die Kernkompetenz von GWAdriga dar. Zudem geht er davon aus, dass viele Energieversorger, die diese Dienstleistungen aktuell noch selbst erbringen, bei steigenden Mengen und Fixkosten für diese klar umrissene Basisleistungen einen Partner suchen werden. „Für sie möchten wir auch in Zukunft immer die attraktivste Lösung bieten können“, sagt Sobótka.
Der gebürtige Pole nennt auf die Frage nach seinem wichtigsten Karriereschritt gleich zwei Punkte: „Mit 20 habe ich mich gegen die Karriere als Rallye-Fahrer und für ein Auslandsstudium in Deutschland entschieden. Und dann bin ich quasi vom ersten Offizier auf einer Fregatte, der EWE Netz, zum Kapitän des kleinen Schnellbootes GWAdriga geworden. Das passt sehr gut, zumal ich als passionierter Segler auch privat gern hart am Wind segle.“ Als Führungskraft hält er einen offenen und ehrlichen Umgang für unverzichtbar: „Ich lasse nicht zu, dass Konflikte unter den Teppich gekehrt werden.“ Auch bei Verhandlungen steht er für Klarheit ein. So sei er zwei Mal aus Verhandlungen ausgestiegen, bei denen die geforderten Preise und Leistungen auf lange Sicht nicht zu halten waren.
Genauso offen geht er mit Fehlentscheidungen um, etwa seine frühere Einschätzung, dass der wettbewerbliche Messstellenbetrieb schneller und unabhängig vom grundzuständigen kommen wird. Seine Lektion daraus lautet: „Man kann durchaus aktiv neue Ideen entwickeln. Aber man sollte nicht zu früh diversifizieren, bevor das Kerngeschäft wirklich läuft“, sagt Sobótka.