„Was ExxonMobil erstaunlich genau wusste, und was ExxonMobil dann bekanntlich leider tat, steht in scharfem Kontrast“, erklärt Stefan Rahmstorf vom PIK, Ko-Autor der Studie.
„Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein ,kohlendioxidinduziertes Superinterglazial' verursachen würde. Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren. Durch den unaufhörlichen Ausstoß von Treibhausgasen sind wir heute schon weit auf dem Weg dorthin“, konkretisiert Rahmsdorf.
Mit Zahlen belegt
In der ersten systematischen Bewertung der Klimaprognosen der fossilen Brennstoffindustrie überhaupt haben die Forschenden die Erkenntnisse der Klimawissenschaft, die Exxon schon vor Jahrzehnten hatte, mit Zahlen belegt: dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu einer globalen Erwärmung von 0,20 ± 0,04 °C pro Jahrzehnt führen würde. Die Ergebnisse haben sie in einem Diagramm zusammengefasst, das alle von Wissenschaftlern von Exxon und der ExxonMobil zwischen 1977 und 2003 erstellten Prognosen zur globalen Erwärmung zeigt, beruhend auf statistischen Analysen von bislang unveröffentlichten Daten aus den unternehmenseigenen Dokumenten.
Bekannt war bereits, dass Exxon seit den 1970er Jahren von der Bedrohung durch die globale Erwärmung wusste. Die jetzt veröffentlichte Studie ist nun die erste quantitative Überprüfung der frühen Klimawissenschaft des Unternehmens. Vorherige Untersuchungen konzentrierten sich auf die widersprüchliche interne und externe Rhetorik von Exxon zum Klimawandel. Die neue Analyse untersucht die im Unternehmen vorliegenden Daten.
„Wir stellen fest, dass die meisten ihrer Projektionen eine Erwärmung vorhersagen, die mit späteren Beobachtungen übereinstimmt“, heißt es in dem Bericht. „Ihre Vorhersagen stimmten auch mit denen unabhängiger akademischer und staatlicher Modelle überein und waren mindestens so gut wie diese.“
Unter Verwendung etablierter statistischer Verfahren kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass 63-83 Prozent der von den ExxonMobil-Wissenschaftlern gemeldeten globalen Erwärmungsprognosen mit den später beobachteten Temperaturen übereinstimmten. Darüber hinaus wiesen die von den ExxonMobil-Wissenschaftlern modellierten Projektionen einen durchschnittlichen „Skill Score“ (Maß der Vorhersagegüte) von 72 ± 6 Prozent auf, wobei der höchste Wert bei 99 Prozent lag. Das ist sogar deutlich besser als die Vorhersagen des bekannten NASA-Wissenschaftlers James Hansen zur globalen Erwärmung, die 1988 dem US-Kongress vorgelegt wurden.
Widerspruch zwischen wissenschaftlichen Daten und öffentlichen Erklärungen
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die internen Analysen von „Exxon und ExxonMobil Corp. […] genau vorausgesagt haben, wann die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zum ersten Mal in den Messdaten festgestellt werden würde, und sogar das ,Kohlenstoffbudget' für eine Begrenzung der Erwärmung auf unter 2 °C realistisch abgeschätzt haben. In jedem dieser Punkte widersprachen die öffentlichen Erklärungen des Unternehmens zur Klimawissenschaft jedoch seinen eigenen wissenschaftlichen Daten.“
Die Studie verleiht den laufenden juristischen und politischen Ermittlungen gegen ExxonMobil zusätzliches Gewicht.
„Diese Ergebnisse bestätigen und präzisieren die Aussagen von Wissenschaftlern, Journalistinnen, Anwälten, Politikerinnen und anderen, dass ExxonMobil die Bedrohung durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung sowohl vor als auch parallel zur Orchestrierung von Lobby- und Propagandakampagnen zur Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen genau vorhergesehen hat, und widerlegen die Behauptungen der ExxonMobil Corp. und ihrer Verteidiger, dass diese Aussagen falsch seien“, schreiben die Autoren in der Studie.
„Dies ist der Sargnagel für die Behauptungen von ExxonMobil, dass das Unternehmen zu Unrecht der bewussten Klimavergehen beschuldigt wurde“, kommentiert der Hauptautor von der Harvard University, Geoffrey Supran (seit Anfang 2023 ist er an Professor an der Rosenstiel School of Marine, Atmospheric and Earth Science der University of Miami).
Supran fährt fort: „Unsere Analyse zeigt, dass ExxonMobils eigene Daten im Widerspruch zu ihren öffentlichen Erklärungen stehen, in denen Unsicherheiten übertrieben, Klimamodelle kritisiert, der Mythos globaler Abkühlung verbreitet und Unwissenheit darüber vorgetäuscht wurde, wann – oder ob – die vom Menschen verursachte globale Erwärmung messbar sein würde, während man zum Risiko gestrandeter fossiler Investitionen schwieg.“