Chancen und Risiken des 3D-Drucks Der technologische Wandel der additiven Fertigung

Dr. Tim Lantzsch und Dr. Stefan Leuders erläutern die technologischen Hürden der Additiven Fertigung, insbesondere die Herausforderung, neue Materialien zu entwickeln und die Prozesssicherheit in der Massenproduktion zu gewährleisten.

Bild: iStock, guteksk7
14.10.2024

Die additive Fertigung, insbesondere der metallische 3D-Druck, hat sich in den letzten Jahren von einer vielversprechenden Technologie zu einem wichtigen Bestandteil der industriellen Produktion entwickelt. Dr. Stefan Leuders, Leiter Technologie & Innovation bei voestalpine Additive Manufacturing Center in Düsseldorf, und Dr. Tim Lantzsch, Abteilungsleiter Laser Powder Bed Fusion am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen, diskutieren die aktuellen Trends in der additiven Fertigung. Sie analysieren Chancen und Risiken und beleuchten, welche Branchen besonders von der Technologie profitieren können.

Was sind die aktuellen Trends in der Additiven Fertigung? Welche Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht vielversprechend?

Dr. Tim Lantzsch

Ein wichtiger Trend, den ich sehe, ist die zunehmende Anpassung von Werkstoffen und Applikationen an die spezifischen Anforderungen der Additiven Fertigung. Viele der bisherigen Materialien waren ursprünglich nicht für additive Verfahren entwickelt. Außerdem sehen wir, dass die Technologie zwar teuer ist, aber durch gezielte Kostensenkungen und die Fokussierung auf Nischenanwendungen ihr Mehrwert klarer herausgestellt werden kann.

Dr. Stefan Leuders

Die aktuellen Trends in der Additiven Fertigung konzentrieren sich stark darauf, die spezifischen Vorteile der Technologie für unterschiedliche Anwendungsfelder umfassender herauszuarbeiten und natürlich auch zu nutzen. Besonders vielversprechend ist für mich dabei die zunehmende Bereitschaft, auch seit langem bestehende Entwicklungsansätze zu überdenken und diese nicht eins zu eins auf Neuprodukte anzuwenden, die später gegebenenfalls über eine additive Prozessroute gefertigt werden sollen. So geht es für mich in erster Linie nicht darum, bestehende Verfahren zu ersetzen, sondern vielmehr um eine Erhöhung des Produktnutzens durch AM.

„Zu teuer“ hört man im Zusammenhang mit AM immer wieder. Mit welchen wirtschaftlichen Herausforderungen der Additiven Fertigung beschäftigen Sie sich?

Dr. Tim Lantzsch

Die wirtschaftlichen Herausforderungen liegen vor allem in den hohen Kosten für Anlagen und Materialien. Diese Kosten bestimmen maßgeblich die Bauteilpreise, und hier gibt es noch erheblichen Spielraum für Optimierungen. Besonders kritisch ist die Prozesssicherheit, die noch nicht in der Breite gegeben ist. Wir arbeiten daran, die Additive Fertigung von einer Spezialisten-Nische zu einer robusten, breit anwendbaren Technologie zu entwickeln, die auch in der Massenproduktion wettbewerbsfähig ist.

Dr. Stefan Leuders

Ein zentraler wirtschaftlicher Faktor ist nach wie vor der Anlagenstundensatz, das sehe ich genauso. Hinsichtlich der Anlagenkosten sehen wir allerdings zunehmend Bewegung, insbesondere getrieben durch den außereuropäischen Wettbewerb, wodurch gleichzeitig natürlich der Kostenanteil des eingesetzten Materials steigt und somit auch hier ein zunehmender Druck bezüglich Kostenreduktion zu verzeichnen ist. Trotzdem bleibt das Thema Kostenreduktion hinsichtlich der industriellen Nutzung von AM ein wesentlicher Schlüssel, um zukünftig weitere Anwendungsfelder erschließen zu können.

Was sind Ihrer Meinung nach die Potenziale und Grenzen der Additiven Fertigung? Was kann uns AM insbesondere bezüglich Nachhaltigkeit bieten?

Dr. Stefan Leuders

Die Additive Fertigung bietet erhebliche Nachhaltigkeitspotenziale, insbesondere durch die Möglichkeit, den Materialeinsatz drastisch zu reduzieren. So wird im Gegensatz zu subtraktiven Fertigungsverfahren nur das Material aufgeschmolzen, das tatsächlich für das Bauteil benötigt wird. Auch in der späteren Nutzungsphase zeigen sich oftmals Vorteile, so zum Beispiel durch reduzierte Ausschussraten oder geringere Taktzeiten im Al-Druckguss beziehungsweise Kunststoffspritzguss, die durch additiv gefertigte Werkzeuge mit konturnaher Kühlung ermöglicht werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Reparatur und Wiederaufbereitung von Werkzeugen und Bauteilen, die durch AM wesentlich erleichtert werden. Dies kann die Lebensdauer von Produkten erheblich verlängern und somit ebenfalls den Ressourcenverbrauch reduzieren. Allerdings gibt es auch Herausforderungen: Die Technologie ist für eine industrielle Nutzung weiterhin als relativ jung einzustufen, sodass es unter anderem hinsichtlich Automatisierung und Prozesssicherheit noch Optimierungsbedarf gibt.

Dr. Tim Lantzsch

Die Potenziale der Additiven Fertigung liegen vor allem in ihrer Fähigkeit, komplexe Geometrien und maßgeschneiderte Lösungen zu realisieren, die mit traditionellen Verfahren kaum oder gar nicht möglich wären. Und klar: Durch die gezielte Materialnutzung, bei der nur das tatsächlich benötigte Material verarbeitet wird, kann der Ressourcenverbrauch erheblich reduziert werden. Dies ist besonders relevant, wenn man den gesamten Lebenszyklus eines Produkts betrachtet. Wir müssen aber auch sehen, dass die Herstellung und Aufbereitung des Materials energieintensiv ist. Zudem ist die Integration in bestehende Produktionsprozesse oft schwierig, da AM noch häufig als Inseltechnologie betrachtet wird.

Vor welchen technologischen Hürden steht die Additive Fertigung derzeit, woran forschen Sie?

Dr. Stefan Leuders

Ein entscheidender Punkt ist für uns die Entwicklung von neuen Prozessrouten, um den technischen und wirtschaftlichen Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden. Auch die Auslegung und Gestaltung der so gefertigten Bauteile und Werkzeuge spielt dabei eine erhebliche Rolle. Zudem ist AM in der voestalpine natürlich eng mit dem Thema „Werkstoffe“ verknüpft. So arbeiten wir im Konzern intensiv an der Entwicklung neuer Materialien und deren Nachbehandlungen, um die technologischen Potenziale von AM voll ausschöpfen zu können.

Dr. Tim Lantzsch

Genau, eine der größten technologischen Hürden, vor der die Additive Fertigung derzeit steht, ist die Materialvielfalt. Viele der aktuell verwendeten Materialien sind ursprünglich nicht für die Additive Fertigung entwickelt worden, was oft zu Kompromissen in der Qualität und Performance führt. Aus diesem Grund kooperieren wir mit Materialherstellern, um die Qualifizierung neuer Materialien für die Additive Fertigung zu beschleunigen. Zudem arbeiten wir am Fraunhofer ILT intensiv daran, die Prozesssicherheit zu verbessern und die bestehenden Anlagen weiterzuentwickeln, damit additive Verfahren stabiler und effizienter eingesetzt werden können. Ein weiteres großes Thema ist die Standardisierung von Prozessen, um eine gleichbleibende Qualität in der Massenproduktion garantieren zu können.

Die Branche ändert sich also langsam aber sicher. Wer sind die Gewinner dieser Entwicklung in der Additiven Fertigung?

Dr. Stefan Leuders

Die langfristigen Gewinner sind die Unternehmen, die bereit sind, strategisch in neue Technologien zu investieren und gleichzeitig mit den damit verbundenen Unsicherheiten umgehen können. Prominente Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit finden sich in der Luft- und Raumfahrt oder auch in der Medizintechnik. Dabei ist es für mich allerdings nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Ressourcen, sondern mitunter auch eine Frage der Unternehmenskultur. Dementgegen werden sich Branchen und Unternehmen tendenziell schwerer tun, die stark von einer kostengetriebenen Massenproduktion abhängig sind. Wobei auch hier gibt es genügend Anwendungsfelder, nur halt viel mehr im Werkzeugbau und weniger im Endprodukt.

Dr. Tim Lantzsch

Das sehe ich auch so. Klare Gewinner der Entwicklung sind Branchen, die auf maßgeschneiderte, hochkomplexe Bauteile angewiesen sind und die Vorteile der Flexibilität und Designfreiheit der Additiven Fertigung voll ausschöpfen können. In der Luft- und Raumfahrt sowie die Medizintechnik bietet AM enorme Möglichkeiten, Bauteile zu optimieren und gleichzeitig Gewicht und Materialeinsatz zu reduzieren. Auch der High-End-Automobilbau und der Motorsport werden von den Möglichkeiten der Additiven Fertigung profitieren, insbesondere durch die Produktion leichterer und leistungsfähigerer Komponenten.

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  • Dr. Tim Lantzsch (links) vom Fraunhofer ILT und Dr. Stefan Leuders (rechts) von voestalpine diskutieren über die aktuellen Trends im metallischen 3D-Druck, die das Potenzial haben, die industrielle Produktion nachhaltig zu verändern.

    Dr. Tim Lantzsch (links) vom Fraunhofer ILT und Dr. Stefan Leuders (rechts) von voestalpine diskutieren über die aktuellen Trends im metallischen 3D-Druck, die das Potenzial haben, die industrielle Produktion nachhaltig zu verändern.

    Bild: Fraunhofer ILT, Aachen

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