Bei der Bewältigung des Alltags können Assistenzroboter bereits heute behilflich sein und die Lebensqualität für alle Generationen fördern. Besonders im Pflegebereich kann mit ihrer Hilfe dem steigenden Bedarf und drohenden Mangel an Pflegekräften entgegengewirkt werden.
Damit derartige Roboter auch in der Praxis einfache Tätigkeiten ausführen können, müssen sie zukünftig „intelligent“ genug sein, um menschliche Kommunikation und Verhalten in einer größtmöglichen Bandbreite alltäglicher Situationen korrekt interpretieren sowie darauf angemessen reagieren zu können. Das beinhaltet auch, dass Roboter nicht nur passiv auf Befehle des Menschen warten, sondern im Sinne eines vollwertigen Dialogpartners auch den aktiven Part übernehmen können.
Insbesondere dann, wenn motorische oder kognitive Fähigkeiten der Menschen eingeschränkt sind, ist ein sicherer Umgang von besonderer Bedeutung. Sonst kann beispielsweise die Übergabe einer heißen Tasse Tee durch den Roboter schnell zur Gefahr für den Menschen werden. Doch hier besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, insbesondere bei der Entwicklung von Interaktionsstrategien und -systemen, die Roboter dazu befähigen, als umsichtige und dialogfähige Interaktionspartner fungieren zu können.
Zusammen zur sicheren Handreichung
Und genau diese Lücke möchte ein Forschungsverbund, der von der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement der Technischen Universität Chemnitz geleitet wird, in den kommenden drei Jahren schließen. Neben der TU Chemnitz, an der auch die Professur Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums am Projekt beteiligt ist, wirken das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU Chemnitz, FusionSystems sowie Sikom Software mit. Gemeinsames Ziel ist die Gestaltung von Interaktionsstrategien und die Entwicklung entsprechender Systeme zur selbstständigen Handreichung von Gegenständen durch den Roboter an den Menschen.
„Besonderer Bedeutung hat dabei die sichere Übergabe von Objekten, die sichtbar oder unsichtbar gefährlich sind“, sagt Dr. Frank Dittrich, Clusterleiter an der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement. Das Übergeben von Gegenständen sei eingebettet in eine Interaktionsbeziehung zwischen mehreren Akteuren und werde bestimmt durch Gestik, Mimik und Bewegung.
„Wir verfolgen deshalb einen Lösungsansatz, der Intensionserkennung aus Bewegungen des Menschen erkennbar macht und eine multimodale, also über mehrere Kommunikationskanäle gesteuerte, Interaktion zwischen Mensch und Roboter ermöglicht“, fügt Dittrich hinzu. So sollen Sensorsysteme zur Bewegungs- und Gestenerkennung der Robotik-Abteilung des Fraunhofer IWU und FusionSystems zum Einsatz kommen und eine situative Sprachesteuerung durch Sikom Software entwickelt werden.
Gegenstände auf ihre Gefährlichkeit prüfen
Die Technologieentwicklung findet dabei anhand des von der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement verantworteten User-Centered-Design-Prozesses unter Einbezug der späteren Nutzergruppen statt. Unter anderem sollen Personen mit Seheinschränkungen im Mittelpunkt der Interaktionsentwicklung stehen. „Dies stellt einen der schwierigsten der denkbaren Fälle einer Interaktion zwischen Mensch und Roboter dar“, erklärt Dittrich.
Denn was bei uneingeschränkter Sehfähigkeit unproblematisch erscheine, könne bei eingeschränkter Sehfähigkeit sogar gefährlich werden, wie die Übergabe von spitzen und scharfkantigen Gegenständen sowie unsichtbar gefährlichen Gegenständen, wie einer heißen Teetasse. Hier muss der Roboter aktiv die Rolle des Sehenden übernehmen, die zu übergebenden Gegenstände auf ihr Gefahrenpotenzial bewerten und diese dann in aktiver Interaktion und in geeigneter Art und Weise an den Menschen übergeben.
Damit verfolgen die Chemnitzer Forscher einen sogenannten „Design for all“-Ansatz, der eine bestimmte Nutzergruppe mit besonderen Einschränkungen in den Mittelpunkt der Entwicklung stellt. „Bietet die daraus resultierende Technikgestaltung ausreichend Unterstützung zur sicheren und praxistauglichen Nutzung durch diese Zielgruppe, so können auch alle anderen Nutzergruppen die Technik einfach und komfortabel nutzen. Anders herum wäre dies nicht der Fall“, erläutert Dittrich weiter.
Das Projekt soll die situative Intelligenz von Robotersystemen erhöhen und neue Erkenntnisse zur multimodalen Interaktion mit autonomen Systemen liefern. Im Spannungsfeld zwischen menschengerechter Technikgestaltung und technologischer Umsetzbarkeit angesiedelt, stärkt das Vorhaben die Kernkompetenz „Mensch und Technik“ an der TU Chemnitz. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt mit 1,82 Millionen Euro innerhalb des Forschungsprogramms „Technik zum Menschen bringen“.