Sensorbasiertes Gesundheits-Monitoring Die eigene Wohnung als Frühwarnsystem vor Krankheiten

Exemplarisches Apartment mit den verschiedenen Sensoren: Einzelne Räume sind mit Bewegungsmeldern ausgestattet, während die Eingangs- und Kühlschranktüren über Türsensoren verfügen.

Bild: NeuroTec/Nature Scientific Reports, Creative Commons Licence
01.09.2022

Forschende der Universität Bern und des Inselspitals konnten zeigen, wie Sensoren, die Bewegungsmuster aufzeichnen, dabei helfen können, gesundheitliche Probleme bei älteren Menschen wie Altersdepression, Sturzgefahr oder kognitive Einschränkungen frühzeitig zu erkennen. Dies könnte in Zukunft dazu beitragen, Seniorinnen und Senioren länger ein selbstbestimmtes Leben zuhause zu ermöglichen und das Gesundheitswesen zu entlasten.

Wenn in unserem Bewegungsmuster spezifische Veränderungen auftreten, kann dies auf diverse gesundheitliche Probleme hinweisen: Abnahme der Kraft mit Sturzgefährdung, leichte kognitive Störungen, Depression, Schlafprobleme, Atemprobleme, Herzrhythmusstörungen und zunehmende Herzmuskelschwäche sowie etwa Verschlechterung einer COVID-19-Infektion. Bei älteren Personen könnte das systematische Erfassen solcher Veränderungen dazu beitragen, chronische Krankheiten wie Demenz, Parkinson oder Herzerkrankungen frühzeitig festzustellen. Diese altersbedingten Gesundheitsprobleme werden häufig erst spät entdeckt und in ihrem Verlauf nur schlecht erfasst.

Dies könnte sich künftig mittels eines großflächigen, sensorbasierten Gesundheits-Monitorings ändern lassen, wie ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung von Tobias Nef vom Artorg Center for Biomedical Engineering Research, und dem emeritierten Professor für Kardiologie Hugo Saner der Universität Bern und Inselspital, Universitätsspital Bern zeigt. Die Forschenden kombinierten eine Vielzahl alltäglicher Bewegungs-und Verhaltensmuster, die mittels Sensoren bei älteren Menschen zuhause gemessen wurden, zu einem Gesamtbild.

„Wir haben mit kontaktlosen Sensoren zu Hause eine umfassende Sammlung an digitalen Messwerten erstellt, welche weite Teile des täglichen Lebens, Verhaltens und der Physiologie erfassen, um gesundheitliche Risiken älterer Menschen frühzeitig zu identifizieren“, erklärt Studienerstautor und Postdoktorand Dr. Narayan Schütz. Dies kommt sowohl der Früherkennung als auch der personalisierten Behandlung und der Erforschung neuer Therapieansätze und Medikamente zugute.

Von Senioren akzeptiertes System

Die Forschenden erhoben zunächst 1.268 Gesundheitsmesswerte mit auf ältere Menschen besonders zugeschnittenen, interaktionslosen Sensoren. Das eingesetzte System besteht aus simplen, kontaktlosen Bewegungsmeldern in jedem Raum, einem Bettsensor unter der Matratze und Türsensoren an der Haustüre sowie am Kühlschrank. Verbunden mit einer Basisstation analysiert es die erfassten Bewegungssignale und kann bei Problemen auch Angehörige oder eine Alarmzentrale informieren. Die so erhobenen Daten werteten die Forschenden anschließend mittels maschinellen Lernens aus.

„Wir konnten zeigen, dass ein solcher systemischer Ansatz – im Gegensatz zum gängigen Einsatz von einigen wenigen Gesundheitsmesswerten – ermöglicht, altersrelevante Gesundheitsprobleme wie kognitive Beeinträchtigung, Sturzrisiko oder Gebrechlichkeit erstaunlich gut zu erfassen“, sagt Nef, Professor für Gerontechnologie und Rehabilitation am Artorg Center und Studien-Co-Letztautor.

Im Vergleich zu tragbaren Geräten stößt dieses sensorbasierte Home-Monitoring bei Seniorinnen und Senioren auf Akzeptanz: Wie die interdisziplinäre Forschungsgruppe um Nef und Hugo Saner in einer über zehnjährigen wissenschaftlichen Zusammenarbeit von Computerwissenschaften, Verhaltensforschung und Medizin nachweisen konnte, fanden ältere Testpersonen in der Schweiz das tägliche Bedienen von mobilen Geräten oft mühsam, und einige konnten diese aufgrund von geschicklichkeits- oder kognitiven Problemen gar nicht handhaben. Insbesondere Personen über 80 präferierten klar ein interaktionsloses System, wie es in der Studie zum Einsatz kam.

Wie Narayan Schütz betont, ist der Datenschutz sichergestellt: „Um den Schutz privater Daten von technischer Seite zu gewährleisten, kommen die höchsten schweizerischen und europäischen Standards für die Sicherheit medizinischer Daten zur Anwendung.“ Zum Schutz der Privatsphäre erstellen die verwendeten Sensoren zudem keine Video- oder Tonaufnahmen, und die Installation ist absolut freiwillig – beides Aspekte, die bei den älteren Studienteilnehmenden geschätzt wurden.

Großes Potenzial

Die Auswertung und Kombination der großen Datenmenge bietet auch das Potenzial, mögliche neue altersrelevante digitale Biomarker zu ermitteln: „Zum Beispiel fanden wir Hinweise darauf, dass das Sturzrisiko auch von gewissen Schlafparametern abhängig sein könnte“, erklärt Nef.

Prof. Hugo Saner, welcher für die klinischen Daten verantwortlich war und Co-Letztautor der Studie ist, ordnet die Relevanz der Ergebnisse klinisch ein: „Ein solches System markiert einen Meilenstein in der Früherkennung für alleinlebende Seniorinnen und Senioren bis ins hohe Alter. Wir gehen davon aus, dass es wesentlich dazu beitragen kann, dass ältere Menschen möglichst lange zu Hause leben können, indem Spitaleintritte und Übertritte in Pflegeinstitutionen hinausgezögert oder im besten Fall sogar vermieden werden.“

Die bessere Früherkennung und personalisierte Behandlung typischer Alterserkrankungen würde laut den Forschenden älteren Menschen nicht nur zu einer besseren Gesundheit verhelfen, sondern auch die Gesundheitskosten senken.

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