Temporäre Trennung Schaltprozesse im Terahertz-Bereich verwirklichen

Ein starker Lichtpuls im Terahertz-Bereich trennt geladene leuchtende Trionen in einzelne Elektronen und neutrale Exzitonen auf.

Bild: Giuseppe Meneghini
10.10.2024

Materialien, die nur wenige Atomlagen dünn sind, bieten ein hohes Potenzial für zukunftsweisende Anwendungen in der Elektronik und Quantentechnologie. Einem internationalen Forscherteam unter Leitung der TU Dresden ist am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) ein wichtiger Durchbruch gelungen. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, in einem ultradünnen zweidimensionalen Material einen extrem schnellen Schaltprozess zwischen elektrisch neutralen und geladenen, leuchtenden Teilchen auszulösen.

Zweidimensionale Halbleiter können grundsätzlich andere Eigenschaften zeigen im Vergleich zu den üblichen Volumenkristallen. Unter anderem lassen sich in ihnen sogenannte Exzitonen leichter erzeugen: Wird im Material ein Elektron, das bekanntlich negativ geladen ist, durch Energiezufuhr angeregt, kann es seinen angestammten Platz verlassen. Dabei hinterlässt es eine bewegliche Ladung – ein positiv geladenes „Loch“. Beide ziehen sich gegenseitig an und bilden gemeinsam ein Exziton, eine Art elektronisches Paar. Sollte ein weiteres Elektron in der Nähe sein, wird es vom Pärchen angezogen, um einen Dreiteilchenzustand zu bilden – in der Fachsprache Trion genannt. Das Besondere an dem Trion ist die Kombination elektrischer Ladung mit starker Lichtabstrahlung, was gleichzeitig eine elektronische und eine optische Ansteuerung erlaubt.

Schon länger sieht daher die Fachwelt in dem Wechselspiel von Exziton und Trion einen Schaltprozess, der sowohl an sich extrem spannend ist als auch in Zukunft interessante Anwendungen erlauben könnte. Tatsächlich gelang es in vielen Labors bereits, gezielt zwischen beiden Zuständen zu wechseln – bisher jedoch mit begrenzten Schaltgeschwindigkeiten. Ein internationales Team um Prof. Alexey Chernikov von der TU Dresden und HZDR-Physiker Dr. Stephan Winnerl konnte dieses Schalten nun erheblich beschleunigen. Die Arbeiten fanden im Rahmen des Würzburg-Dresden Exzellenzclusters „Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien, ct.qmat“ statt. Daran beteiligt waren zudem Forscherinnen und Forscher aus Marburg, Rom, Stockholm und Tsukuba.

Erst Einfang, dann Trennung

Für das Experiment wählten die Fachleute ein Spezialgerät am HZDR. Der Freie-Elektronen-Laser FELBE liefert intensive Terahertz-Pulse – ein Frequenzbereich, der zwischen Funkwellen und Infrarotstrahlung liegt. Bei ihrem Versuch beleuchteten sie zunächst eine einatomige, stark gekühlte Schicht aus Molybdän-Diselenid mit gepulster Lichtstrahlung. Dieses Licht erzeugte Exzitonen in dem hauchdünnen Material. Kaum entstanden, fingen sich die Exziton-Paare jeweils eines der Elektronen ein, die sich in dem 2D-Material in ausreichender Zahl tummelten – und wurden dadurch zu Trionen.

„Als wir dann Terahertz-Pulse auf das Material schossen, bildeten sich die Trionen extrem schnell zu Exzitonen zurück“, beschreibt Winnerl. „Nachweisen konnten wir das, weil Exzitonen und Trionen unterschiedliche Strahlung im nahen Infrarot abgaben.“ Entscheidend war bei dem Experiment, dass die Terahertz-Pulse die passende Frequenz besaßen, um die schwache Bindung zwischen Exziton und Elektron zu lösen – und so entstand wieder ein Paar aus nur einem Elektron und einem Loch. Bald darauf fängt dieses Exziton wieder ein Elektron ein und wird erneut zum Trion.

Die Trennung selbst verlief im Rekordtempo. Innerhalb einiger Pikosekunden – billionstel Sekunden – war die Bindung gelöst. „Das ist nahezu tausendmal schneller, als es bislang mit rein elektronischen Methoden möglich war und kann bei Bedarf mit der Terahertz-Strahlung erzeugt werden“, betont TU-Forscher Chernikov. Für die Forschung bietet das neue Verfahren interessante Perspektiven. Ein nächster Schritt könnte sein, die aufgezeigten Prozesse auf eine Vielzahl komplexer elektronischer Zustände und Materialplattformen auszuweiten. Ungewöhnliche Quantenzustände der Materie, die als Zusammenspiel vieler Teilchen entstehen, würden damit ebenso in Reichweite rücken wie Anwendungen bei Raumtemperatur.

Perspektiven für die Datenverarbeitung und Sensorik

Das Resultat könnte in Zukunft auch technische Anwendungen möglich machen, etwa in der Sensorik oder optischen Datenverarbeitung. „Denkbar wäre, den Effekt als Basis für neuartige Modulatoren zu verwenden, die schneller schalten können“, erläutert Winnerl. „In Verbindung mit den ultradünnen Kristallen ließen sich auf diese Weise Bauelemente entwickeln, die sowohl extrem kompakt sind als auch optisch kodierte Informationen elektronisch steuern können.“

Ein weiteres Feld wären Anwendungen bei der Detektion technologisch wichtiger Terahertz-Strahlung inklusiver bildgebender Verfahren. „Mit den neuen Schaltprozessen in atomar-dünnen Halbleitern ließen sich vielleicht langfristig Detektoren entwickeln, die im Terahertz-Bereich arbeiten, in einem breiten Frequenzbereich einstellbar sind und sich als Terahertz-Kameras mit vielen Pixeln realisieren ließen“, schätzt Chernikov. „Schließlich sollte auch eine vergleichsweise kleine Intensität genügen, um den Schaltprozess auszulösen.“ Bei diesem Umschalten von Trion auf Exziton ändert sich nämlich das ausgestrahlte Licht im nahen Infrarot-Bereich. Das nachzuweisen und in Bilder umzuwandeln, wäre ziemlich einfach und ließe sich mit bewährter Technik bewerkstelligen.

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