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Interview mit Thomas Grömmer von T-Systems Multimedia Solutions „Die vorhandenen Daten werden für Industrie 4.0 noch zu wenig genutzt“

Bild: T-Systems Multimedia Solutions
06.11.2017

Industrie 4.0 ist weiterhin das große Trendthema in der Industrie. Breit umgesetzt ist es aber noch nicht. Wir sprachen mit Thomas Grömmer, Leiter der Abteilung Digital Commerce bei T-Systems Multimedia Solutions, über die Gründe und wie Firmen den Einstieg am besten bewältigen können.

E&E:

Bei vielen Umsetzungen von Industrie 4.0 geht es vor allem um die Steigerung der Effizienz und geringere Kosten. Wieso sieht man so wenige Projekte, die darüber hinaus gehen?

Thomas Grömmer:

Der Einstieg in Industrie 4.0 erfolgt meistens um Kosten zu sparen, schneller zu werden oder eine höhere Qualität der Produkte zu erreichen. Meine Erfahrung ist allerdings, dass viele Firmen während dieser Anfangsphase auf zusätzliche Ideen stoßen. Aus diesen können sich neue Geschäftsideen entwickeln. In vielen Fällen stehen die Unternehmen damit aber noch am Anfang.

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Ein langjähriger Kunde von uns plante zunächst nur einen klassischen Online-Shop. Nach der Umsetzung erkannte er aber, dass sich dieser nicht nur für seine eigenen Produkte eignet, sondern auch für Partnerfirmen und Unternehmen aus dem Bereich. Aus dem Online-Shop wurde dadurch eine E-Commerce-Plattform für viele Unternehmen, die zusätzliche Einnahmen erzielt. Viele neue Ideen ergeben sich erst aus der Erfahrung, die die Firmen während der ersten Projekte sammeln.

Bei Industrie 4.0 ist oft von der smarten Fabrik die Rede, die zum Beispiel nur solche Mengen produziert, die auch tatsächlich nötig sind. Haben Sie bereits solche Projekte umgesetzt?

Das kommt noch relativ selten vor. Wir betreuen aber gerade ein Projekt, bei dem es darum geht die Produktionsplanung mit Hilfe der Verkaufsdaten aus den vergangenen Jahren zu steuern. Das ist an sich noch nichts Neues. Interessant wird es durch die Genauigkeit, die man mittlerweile erreichen kann. Aus den Daten lässt sich unter anderem ableiten, zu welchen Tageszeiten welche und wie viele Produkte verkauft wurden. Damit soll in Zukunft dann auch die Produktion gesteuert werden.

Welches Vorgehen würden Sie Firmen empfehlen, die in Industrie 4.0 einsteigen möchten?

Meiner Erfahrung nach kommen nur sehr wenige Firmen bereits mit einem konkreten Geschäftsmodell auf uns zu. Oft haben sie kleinere Ideen, die sich aus ihren Anlagen und Geräten heraus ergeben. Ich rate den Firmen dennoch den Einstieg zu wagen. Dieser Aufruf an die Unternehmen ist mir sehr wichtig: Es einfach mal zu machen. Die Erfahrungen, die die Firmen dabei sammeln, sind sehr wertvoll. Außerdem ergeben sich wie gesagt bei der Umsetzung dieser ersten Ideen sehr häufig zusätzliche Einfälle, die die Unternehmen vorher überhaupt nicht im Blick hatten. In Deutschland ist mein Eindruck, muss immer alles von vorne bis hinten bereits durchgeplant sein. Am besten mit einem großen fertigen Business Case. Das ist die falsche Mentalität. Die Gründer von Google wussten beispielsweise zu Beginn auch nicht genau, wie sie am Ende Geld machen werden. Das hat sich Stück für Stück entwickelt. Ich wünsche mir, dass diese Mentalität aus den USA auch nach Deutschland und Europa überschwappt.

In welchem Bereich herrscht bei Industrie 4.0 in Deutschland der größte Nachholbedarf ?

Die Unternehmen in Deutschland stellen sehr gute Produkte her. Die Qualität ist unser großes Plus. Diese Geräte und Bauteile nehmen außerdem viele Daten aus ihrer Umgebung auf. Diese Informationen werden aber noch viel zu wenig genutzt. Einerseits könnten die Firmen damit ihre Produkte weiterentwickeln, andererseits eben auch Geschäftsideen ableiten. Da besteht ein riesiges Potential. Man muss aber auch die richtigen Fragen an diese Informationen richten. Da besteht noch ein großer Nachholbedarf. Fast alle Hersteller haben noch keine zufriedenstellende Strategie dafür entwickelt, diese Daten zu nutzen.

Es fehlen also vor allem Ideen für die Nutzung der Daten?

Konkrete Ideen fehlen definitiv. Wie gesagt soll das nicht der Grund sein, nicht im kleinen eine digitale Strategie umzusetzen. Einfach um schon mal Erfahrung zu sammeln und Anregungen zu bekommen. Aber richtige fertige Strategien habe ich bisher nur wenige gesehen. Die meisten wissen nicht, was sie mit den gesammelten Daten machen und wie sie sie kommerzialisieren sollen.

Solche Geschäftsideen kommen nicht von allein. Wie können Firmen vorgehen, um sie zu entwickeln?

Das stimmt. Oft ist es eine gute Idee die Entwicklung nicht selbst im Unternehmen umzusetzen. Da ist der Blick häufig zu eingeschränkt. Ich würde stattdessen ein passendes Start-up kaufen oder eines gründen und externe Mitarbeiter dafür verpflichten. Die müssen auch nicht aus der Branche kommen. Dieses Start-up hat dann einzig den Auftrag, aus den Daten neue Geschäftsideen zu generieren. Das klingt erst mal sehr verrückt und ist auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Natürlich kann am Ende auch kein befriedigendes Ergebnis herauskommen. Ich halte es dennoch für den sinnvollsten Weg.

Der finanzielle Aufwand dafür ist erheblich. Welche Möglichkeiten bestehen für Firmen, die nicht über soviel Kapital verfügen?

Natürlich kostet das einiges. Falls Unternehmen das nötige Kapital abgeht oder sie das finanzielle Risiko dafür scheuen, bieten wir zum Beispiel Kreativworkshops an. Bei diesen nutzen wir verschiedenen Methoden, um zunächst die Ideen, die bereits bei den Verantwortlichen vorhanden sind, herauszukitzeln. Diese strukturieren wir dann gemeinsam und arbeiten konkrete Konzepte heraus. Das sind grob die zwei möglichen Richtungen die ich sehe.

Ein großes Problem bei der Auswertung von Daten ist oft auch eine einseitige Datenbasis. Müssen Firmen in diesem Bereich stärker kooperieren und Daten austauschen?

Definitiv. Daten auszutauschen reicht aber nicht aus. Hinsichtlich des starken asiatischen Markts, aber auch generell der Globalisierung, müssen deutsche Firmen viel stärker kooperieren, falls sie weiterhin bestehen möchten. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie sich direkt zusammenschließen sollen, aber eben stärker zusammenarbeiten. Das kann zum Beispiel auch in Form von Produktbundles sein. Kommt eines der Unternehmen zum Beispiel aus dem Bereich der Steckverbinder und ein anderes aus der Sensorik, können sich daraus interessante Kombinationen ergeben, die keiner der Einzelunternehmen vorher so wahrgenommen hat. Wurschteln beide aber einzeln weiter vor sich hin, ohne sich zu koordinieren, dann werden sie es meines Erachtens schwer haben in den nächsten 10, 15, 20 Jahren dauerhaft gegen die weltweite Konkurrenz zu bestehen. Obwohl sie beide an sich sehr gute Produkte herstellen.

Halten Sie solche Kooperationen denn für realistisch? Viele Firmen sind bisher eher vorsichtig, wenn es um den Austausch von Daten und Interna geht.

Natürlich ist mein Blick der eines IT-Dienstleisters und somit eines Außenstehenden. Auf jeden Fall wird es da Probleme geben. Gerade, wenn es bei den Firmen Überschneidungen bei den Produkten gibt, sie sich also in einer Wettbewerbssituationen befinden. Da lassen die Firmen salopp gesagt schon die Hosen runter, wenn sie zusammenarbeiten. Deshalb kommt es oft nicht zu einer Kooperation. Dennoch gibt es auch in solchen Fällen Möglichkeiten zusammenzuarbeiten. Gerade, wenn die Firmen erkennen, dass sie nur so auf lange Sicht erfolgreich sein können. In der IT öffnen sich Salesforce und SAP auch gegenüber dem jeweils anderen, obwohl sie direkte Konkurrenten sind. Wieso sollte das dann nicht auch in der Industrie funktionieren?

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