Die Umwandlung einer Energieart in eine andere ist nie 100-prozentig, jeder Wandlungsprozess ist verlustbehaftet. Der Anteil der Verlustenergie muss bezahlt werden, trägt aber nicht zum nutzbaren Ergebnis bei.
Materialauswahl entscheidet
Seit dem Bau der ersten Elektromotoren um das Jahr 1880 lag das Entwicklungsziel bei einer Neukonstruktion aus Preisgründen stets beim effizienten Einsatz des Materials. Um sich erfolgreich dem Wettbewerb zu stellen, waren Kostensenkungsprogramme der produzierenden Firmen ein immer wiederkehrender Zyklus.
Trotz gleicher Abgabeleistung fanden die Ingenieure und Techniker immer wieder Wege, Elektromotoren mit insgesamt weniger, aber besserem Material zu bauen. Hilfreich war stets auch die Weiterentwicklung der verfügbaren Bauteile, beispielsweise höhere Blechqualität und geringere Blechdicke, fortschrittliche Berechnungs- und Simulationsmethoden und veränderte Herstellungsprozesse.
Effizienz wird Kriterium
Um die Jahrtausendwende fand ein prägender Sinneswandel statt. Neben dem monetären Einfluss der Materialmenge rückte mehr und mehr die Energieeffizienz ins Zentrum. Die Wiederentdeckung des Wirkungsgrades von Elektromotoren als Entscheidungskriterium stellte enorme Herausforderungen an die produzierenden Firmen. Schnell wurde klar, dass ein höherer Wirkungsgrad und der Einsatz entsprechender Werkstoffe mit einem höheren Verkaufspreis einhergehen.
In den folgenden knapp zehn Jahren wurde die Berücksichtigung der Energieeffizienz nach dem Prinzip der Freiwilligkeit den Kräften im Europäischen Markt überlassen. Jedoch war der Gesetzgeber nicht zufrieden mit dem Gesamtanteil der freiwilligen Nutzer. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verhinderten den großflächigen Erfolg und Absatz der Motoren mit erhöhten Wirkungsgraden.
Um einen fairen Wettbewerb mit vergleichbaren Produkten zu gewährleisten, verfasste und verabschiedete die Industrie Normen mit den Wirkungsgradkassen IE1 bis IE4 für den Betrieb von Elektromotoren am Netz. Diese wurden vom europäischen Gesetzgeber respektiert und im Jahr 2009 verabschiedete Europa das erste Gesetz, das den Mindestwirkungsgrad von Elektromotoren vorgab. In dieser Verordnung 640/2009/EG wurde nicht nur eine Stufe vorgegeben, sondern eine zeitlich gestaffelte Erhöhung des Mindestwirkungsgrades. Ferner wurde für die betroffenen Motoren ein Leistungsbereich festgeschrieben.
Die Vielfalt der bereits realisierten Lösungen der Elektromotoren führte zu einer begrenzten Anzahl von Ausnahmen im Gesetz, wie unter anderem Bremsmotoren, explosionsgeschützte oder unbelüftete Motoren. Der Gesetzgeber nahm die Fortsetzung der Weiterentwicklung der Materialien und Prozesse für sich in Anspruch und forderte 2011 die Industrie auf, Produkte schon mit dem Mindestwirkungsgrad IE2 anzubieten. Nach dem Inkrafttreten gab es für die Industrie ein Zeitfenster von sechs Jahren, um den konstruktiven Wechsel zu IE3 zu vollziehen und nur noch entsprechende Motoren anzubieten.
Weniger Ausnahmen
Mit dem 2017 Erreichten gab sich die EU aber nicht zufrieden. 2019 wurde das Gesetz ergänzt und ausgeweitet. Neben der Reduzierung von Ausnahmen und damit der Festlegung von Mindestgrenzwerten für weitere Motoren wurde für wenige Motorleistungen die weitere Steigerung der Effizienz auf den IE4-Level vorgegeben. Die Ausnahmereduzierung und Ausweitung fand zum 1. Juli 2021 statt. Zum 1. Juli 2023 ist die letzte Stufe mit dem IE4-Level für 75 – 200 kW des aktuellen Gesetzes in Kraft getreten.
Wirkungsgradvorgaben
Stellt man die Entwicklung der letzten 10 bis 15 Jahre nebeneinander, so wird deutlich, dass der Effizienzgedanke den Konstruktionsprozess dominiert und der Menge des eingesetzten Materials nachrangig geworden ist. Das heißt, bei gleicher Leistung ist der Motor gewachsen und stellt damit eine Herausforderung beim Einbau in Maschinen und Anlagen dar.
Am Beispiel eines 7,5-kW-Elektromotors für IE4 (in der Leistung freiwillig, kein Gesetz) ist erkennbar, dass das Bauvolumen – die Größe des Motors – um knapp 75 Prozent und seine Masse – die Menge des eingesetzten Materials – auch um fast 75 Prozent gestiegen ist. Der Gesetzgeber gibt den Mindestwirkungsgrad vor und überlässt die Realisierung den produzieren Firmen und den Marktkräften, den nötigen Preis und die wirtschaftliche Rentabilität zu erreichen. Vereinzelte nationale Fördermaßnahmen zum Wohle der Wirtschaft sind nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.
Nachhaltigkeit und Recycling
Ein Blick zurück hilft, den Ausblick auf Kommendes einzuordnen. Neben der Energieeffizienz kommen jetzt zwei weitere Aspekte ins Spiel. Die Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufeffizienz flankieren nun das Thema Energie. Hier setzt der europäische Gesetzgeber unmittelbar auf eine regulatorische Variante und wird bis Mitte der 2020er Jahre Vorgaben und Grenzwerte für Produkte bestimmen. Schwierig werden dann gegenläufige Tendenzen in Einklang zu bringen: Materialeffizienz könnte der Energieeffizienz im Weg stehen, kreislaufkonforme Bauteile den Anspruch an technisch sicheren und hochqualitativen Produkten konterkarieren.
Verlässt man den europäischen Fokus und blickt sich in der Welt um, so erkennt man, was in einzelnen Ländern an weiteren und anderen Vorgaben zu erfüllen ist. Die Aufgaben und Hürden nehmen nicht ab, und es werden weitere hinzukommen. Aber auch hier werden fähige Köpfe aus der Industrie Lösung finden.