Ausreichend Kapazitäten nötig Erfolgreicher Praxistest für Stromhandel - Chancen und Herausforderungen

„Bisherige Stromnetze wurden als „Kupferplatte“ behandelt – ein Modell, das zunehmend an seine Grenzen stößt. Die Projektergebnisse zeigen einen wegweisenden Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen der Energiewende und bieten Erkenntnisse für Anwendungen im Bereich lokaler Strommärkte“, so Reisch.

Bild: DALL·E, publish-industry
15.11.2024

Im Projekt BEST beweist ein Team um das Reiner Lemoine Institut, dass lokaler Stromhandel möglich ist. Mithilfe eines blockchain-basierten Marktplatzes können private Haushalte und Unternehmen (KMU) Strom lokal handeln, Flexibilitätspotenziale nutzen und Beschaffungskosten senken. Der Test zeigt jedoch auch Herausforderungen auf, die es zu meistern gilt, wie die Notwendigkeit intelligenter Messsysteme und das Risiko von Netzüberlastungen durch dynamische Strompreise.

Die Experten und Expertinnen machen deutlich, dass der Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meter) für einen erfolgreichen lokalen Stromhandel von entscheidender Bedeutung ist. Ebenso zeigen sie auf, dass die reine Weitergabe von Strompreisen zu hohen Gleichzeitigkeiten führt, welche die Netze überlasten können.

„Lokaler Stromhandel ist technisch möglich. Unsere Ergebnisse zeigen, wie lokale Flexibilitäten über einen dezentralen Strommarkt genutzt werden können. Strom kann frei gehandelt werden, solange die Netze über ausreichend Kapazitäten verfügen. Bei Engpässen kommt es zur gezielten Nutzung regionaler Flexibilitäten. So erreichen wir eine möglichst lokale Deckung des Strombedarfs, vermeiden Abregelungen und wirken Engpässen entgegen“, sagt Friederike Reisch, Leiterin des Forschungsbereichs Mobilität mit Erneuerbaren Energie am RLI.

Praxistest mit Blockchain-Technologie

Der Praxistest umfasste gewerbliche, kommunale und private Standorte, die mit der erforderlichen Hard- und Software wie zum Beispiel Home Energy Management Systems (HEMS) und intelligenten Messsystemen für den Stromhandel ausgestattet wurden. Für diesen Handel hat das Projektteam einen über Blockchain-Technologie abgesicherten Markt mit Authentifizierungs- und Sicherheitsarchitektur aufgebaut.

Dadurch wurde gleichzeitig ein transparenter Markt und Datenschutz gewährleistet. Von der Wetterprognose, über die lokale Verbesserung des Stromhandels bis hin zur Beschaffung von Ausgleichsenergie hat das Projektteam alle notwendigen energiewirtschaftlichen Prozesse umgesetzt und wichtige Erkenntnisse zum lokalen Stromhandel erlangt:

  1. IT-seitige Anbindung und Standardisierung sind aufwändig: Die Anbindung von heterogenen Bestandsanlagen, wie zum Beispiel Maschinen in Produktionsbetrieben oder älterer PV-Anlagen stellte sich als aufwändig und kostenintensiv heraus. Aktuell gibt es keinen skalierbaren Prozess, um das Flexibilitätspotenzial von Bestandsanlagen bei KMUs effizient zu nutzen. Standardisierte Messkonzepte sowie der Rollout intelligenter Messsysteme mit Steuerungsfähigkeit könnten hier entscheidende Fortschritte bringen.

  2. Herausforderung Netzüberlastung bei dynamischen Strompreisen: Die Auswirkungen der zunehmenden Elektrifizierung von Mobilität und des Wärmesektors auf einen lokalen Markt wurden simuliert. Die Ergebnisse zeigen, dass die reine Weitergabe von (Börsen-) Strompreisen zu hohen Gleichzeitigkeiten im Verbrauch und somit künftig zu Netzüberlastungen führen kann. Die mit der Novelle des Paragraph 14a Energiewirtschaftsgesetz beschlossenen Regelungen zu variablen Netzentgelten könnten hier Abhilfe schaffen, müssen dafür jedoch zeitlich und räumlich differenzierter ausgestaltet werden können.

  3. Lokale Strommärkte als zukunftsweisende Lösung für Netzbetreiber: Lokale Strommärkte bieten eine transparente und potenziell skalierbare Lösung für lokale Energieversorger, um Angebot und Nachfrage vor Ort zu koordinieren. Auf dieser Grundlage können neue Produkte entwickelt werden, die zur Erzeugungs- und Verbrauchsstruktur der Akteure in den jeweiligen Regionen passen.

  4. Haushalte und KMUs können Strombeschaffungskosten senken: Die Teilnahme an lokalen Strommärkten ermöglicht es Haushalten sowie KMUs, die Flexibilität ihrer elektrischen Anlagen zu nutzen, um ihre Strombeschaffungskosten zu senken, ohne dass dabei von außen in ihre internen Prozesse eingegriffen wird.

Integration erneuerbarer Energien und Flexibilisierung des Stromverbrauchs

Ob Photovoltaik auf der Fertigungshalle, kommunale Windkraftanlage oder Dachsolar auf dem Eigenheim – die Energiewende schreitet voran und Stromerzeugung wird dezentraler. Der Zubau dieser Anlagen erhöht dabei auch den Anteil volatiler erneuerbarer Energien im Stromsystem und bringt neue Herausforderungen wie zum Beispiel Kosten für Eingriffe zur Anpassung der Leistungseinspeisung (Redispatch-Maßnahmen).

Die erfolgreiche Integration erneuerbarer Energien und die Flexibilisierung des Stromverbrauchs sind daher zentrale Elemente der Energiewende. „Bisherige Stromnetze wurden als „Kupferplatte“ behandelt – ein Modell, das zunehmend an seine Grenzen stößt. Die Projektergebnisse zeigen einen wegweisenden Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen der Energiewende und bieten Erkenntnisse für Anwendungen im Bereich lokaler Strommärkte“, so Reisch.

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