Je mehr die Volatilität bei der Stromerzeugung zunimmt, desto wichtiger wird es, den Verbrauch besser daran anzupassen. Bisher wird der Verbrauch von den Versorgern nur mit Standardlastprofilen und einer Rückmeldung pro Jahr abgebildet und prognostiziert. Auf dieser Basis erhält der Versorger weder ein realistisches Verbrauchsbild noch erkennt er Möglichkeiten zur gezielten Steuerung. Mit Hilfe von elektronischen Messsystemen können Versorger die Verbräuche in Echtzeit überwachen, die Erzeugungsleistung von erneuerbaren Energien fernsteuern, netzdienliche Leistungen für das Einspeisemanagement verwirklichen und einzelne Anlagen oder Verbraucher gezielt an- und abschalten. Energiewirtschaftlich interessant sind aber nicht nur die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Smart Metering, sondern die Erkenntnisse, die aus der Datenanalyse von Verbräuchen und Steuerungsprozessen zu ziehen sind. Insbesondere können die Vertriebe von Energieversorgern Erkenntnisse über das Verbrauchsverhalten ihre Kunden gewinnen und daraus bessere Services entwickeln.
Im Februar 2015 hatte das Bundeswirtschaftsministerium ein Eckpunktepapier zum Verordnungspaket „Intelligente Netze“ vorgelegt und damit eine Diskussionsgrundlage für den Rollout von Smart Metering geschaffen. Im August wurde bekannt, dass ein Artikelgesetz zur „Digitalisierung der Energiewende“ vorbereitet wird. Damit will der Gesetzgeber eine weitere Zersplitterung des Energierechts vermeiden und der Komplexität der modernen Messtechnik gerecht werden. Der bekannt gewordene Entwurf umfasst unter anderem Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie als Kernstück das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Das neue Gesetz ändert oder hebt verschiedene Gesetze und Verordnungen auf. Außerdem werden die Messzugangsverordnung aufgehoben und zehn weitere Verordnungen angepasst.
Derzeit ist nicht abzusehen, ob das neue Gesetz noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Aber der künftige Rechtsrahmen für den stufenweisen Rollout von Smart Metering wird konkreter. Der Know-how-Aufbau mit den technischen Veränderungen sowie die Auseinandersetzung mit dem Nutzen der Technik muss schon heute für Energieversorger beginnen. Der nun vorliegende Gesetzentwurf folgt im Zeit- und Kostenplan größtenteils dem Eckpunktepapier. Allerdings soll der Rollout nicht mehr in drei, sondern in zwei Phasen umgesetzt werden. Diese Straffung betrifft insbesondere Kunden mit einem Stromverbrauch zwischen 10.000 und 20.000 kWh/Jahr, die nun schon ab 2017 verpflichtet werden, intelligente Messsysteme zu verwenden. Im Eckpunktepapier sollte diese Verbrauchsgruppe erst ab 2019 zu Smart Metering verpflichtet werden. Ebenfalls ab 2017 müssen EE-Anlagen (Erneuerbare Energien), Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und verschiebbare Lasten mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden. Damit wird insbesondere für Gewerbekunden und kleine produzierende Betriebe der Rollout bereits in den nächsten 16 Monaten zur Pflicht.
Unabhängig von der gesetzlichen Verpflichtung zur Einführung von Smart Metering können Energieversorger vom Einsatz dieser Technik profitieren. Im Rahmen der Entwicklung der Smart-Metering-Plattform von Trianel wurden in den vergangenen zwei Jahren wichtige Erfahrungen mit den Anwendungsmöglichkeiten und aus der energiewirtschaftlichen Analyse der Daten gesammelt. Die Plattform wird bereits von über 25 Stadtwerken eingesetzt. In unterschiedlichen Projekten sind bereits über 3500 Messsysteme installiert worden. Die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Smart-Metering-Projekten von Trianel und den beteiligten Stadtwerken zeigen schon heute deutliche Vorteile für den Vertrieb der Stadtwerke. Smart Metering ermöglicht eine Visualisierung der Verbräuche und damit eine transparente Abrechnung. Stadtwerke können dieses Wissen für ihre Kunden nutzen und gezielt Produkte zur weiteren Erhöhung der Energieeffizienz sowie verbrauchsorientierte Tarife anbieten.
Aus dem Wissen um das genauere Verbrauchsverhalten ihrer Kunden können Stadtwerke auch ihr Portfolio- und Bilanzkreismanagements optimieren. Im Rahmen der Smart Metering Services von Trianel wurden bereits umfangreiche Daten über die Lastgänge analysiert und das Verbrauchsverhalten der Kunden anonymisiert betrachtet. Dabei wurde deutlich, dass sowohl bei Haushalts- als auch bei Gewerbekunden das reale Nutzungsverhalten deutlich von den angenommenen Lastprofilen abweicht. Dies zieht Fehler im Differenzbilanzkreis und in der Mehr- und Mindermengenabrechnung nach sich. Die Abweichungen sind dabei nur teilweise auf Energieeffizienzmaßnahmen zurückzuführen.
Eine genaue Analyse macht deutlich, dass die Energiewirtschaft auf Basis der alten Messtechniken kein belastbares Wissen über das Nutzungsverhalten ihrer Kunden besitzt. Dieser blinde Fleck zwischen angenommenen Verbrauchsspitzen und wirklicher Nachfrage ist ein erheblicher Kostenfaktor für Energieversorger. Die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien verstärkt diese Abweichungen noch weiter, denn die Einspeisung erfolgt nach meteorologischen Gesetzen und nicht nach dem Bedarf. Die bis heute nur schwer kalkulierbaren Abweichungen müssen mit erheblichem Kostenaufwand ausgeglichen werden. Eine zentrale Herausforderung der Energieversorgung von morgen ist, diese Synchronisationsleistung in einem deutlich volatileren Umfeld zu erbringen. Smart Metering erlaubt es in Echtzeit, die Erzeugungsleistung von EE-Anlagen und das wirkliche Verbrauchsverhalten sichtbar und kalkulierbar zu machen.
Auf Basis der Daten aus dem Smart Metering von Trianel können in einem ersten und einfach umsetzbaren Schritt neue Lastprofile erstellt werden. Damit wird es möglich, ein Schatten-Portfolio- und Bilanzkreismanagement aufzubauen, aus dem sich deutliche Optimierungspotenziale in der Lastprognose und in der Energiebeschaffung heben lassen. Schon auf Grundlage der bis heute analysierten Daten wurde klar, dass die heute noch gängige Zuordnung von Haushaltskunden in das Haushalts-Profil (H0-Profil) nur noch in etwa einem Drittel der Fälle mit den realen Lastgängen übereinstimmt. Ähnliche Erkenntnisse ließen sich auch bei der Analyse von Gewerbekunden, etwa von Autohäusern, gewinnen. Solche Verschiebungen lassen sich durch die gezielte Datenauswertung erkennen und zur Optimierung energiewirtschaftlicher Prozesse nutzen. Von daher bringt der geplante vorgezogene Rollout für Großverbraucher ab 10.000 kWh Vorteile für die Optimierung der energiewirtschaftlichen Prozesse.
Der ganzheitliche Ansatz der Smart-Metering-Plattform von Trianel wird von den beteiligten Stadtwerken schon an vielen Schnittstellen genutzt. Die Endkunden profitieren von der Visualisierung und dem Monitoring ihrer Verbräuche und – falls vorhanden – der Erzeugungsleistung ihrer EE-Anlagen. Das Stadtwerk als Lieferant kann durch Kundensegmentierung ganz anders auf die unterschiedlichen Anforderungen eingehen und neue Tarifstrukturen entwickeln. Der Netzbetreiber hat neue Möglichkeiten, Differenzbilanzkreisabweichungen zu erkennen und Profile zu optimieren. Auf der Handels- und Beschaffungsseite werden neue Grundlagen für das Portfoliomanagement gelegt. Im Erzeugungssegment bieten intelligente Messsysteme Vorteile bei der Steuerung von EE-Anlagen, in der Direktvermarktung sowie für das Last- und Einspeisemanagement.
Skaleneffekte durch Zusammenarbeit
Durch die Zusammenarbeit mit Trianel ließen sich deutliche Skaleneffekte erzielen. Die Stadtwerke mussten weder in eigene Serverhardware noch in zusätzliches IT-Personal investieren, um die intelligenten Messsysteme zu implementieren. Alle Zählpunkte können über die Trianel Smart Metering Plattform administriert und ausgelesen werden, die Daten lassen sich in Standardformaten in die nachgelagerten Systeme der beteiligten Stadtwerke übertragen. In den letzten Monaten konnten die beteiligten Stadtwerke wichtiges Know-how in der Verarbeitung und Nutzung von Smart-Metering-Daten aufbauen. Sie sind deshalb auf die veränderten Rahmenbedingungen bereits gut vorbereitet.