Wie stumme Giganten ragen sie aus dem Meer, schon aus der Ferne sieht man sie am Horizont, über weite Flächen verteilt. Ihre Rotorblätter recken sie wie zum Willkommensgruß weit in den Himmel. Mit Worten kaum zu beschreiben sind auch die Extrembedingungen, denen Mensch und Maschine weitab der Küste in Offshore-Windparks ausgesetzt sind.
Aus diesem Grund zählt bei der Offshore-Windenergie vor allem eins: Robustheit. Das gilt nicht nur für Fundamente und Rotorblätter, sondern fängt schon bei den Steckverbindern an. Über Jahre hinweg sind sie aggressiven Einflüssen wie permanenter Feuchtigkeit, Hagelschauer, salzhaltiger Luft und UV-Strahlung ausgesetzt. Gleichzeitig sollen sie aber Modularität und Flexibilität gewährleisten, also erweiterbar und einfach zu warten sein, um besonders im Servicefall Zeit zu sparen.
Ein Gewand aus Kunststoff
Bei der Harting-Technologiegruppe reagiert man auf die extremen Bedingungen mit extrem robusten Gehäusen und verleiht deshalb der neuen spezialisierten Produktreihe Han M Plus einen Mantel aus dem Kunststoff Polyurethan: „Wir erreichen mit der zusätzlichen Polyurethanoberfläche ein gezieltes Plus an Performance in Bezug auf mechanische und chemische Einflüsse“, erklärt Andreas Siegert, Produktmanager bei Harting (siehe Interview).
Die spezifische Oberfläche bietet Schutz vor massiven Schlägen und Stößen, die Folgeschäden nach sich zögen, verursacht durch UV-Strahlung, Salznebel oder auch Schmier- oder Kraftstoffe. Der Kundennutzen fange aber nicht erst auf hoher See an, sondern schon beim Transport der Gehäuse, bei dem es oft zu Schäden durch Stöße kommt, vor denen Polyurethan schützt.
Bisher griff man an der Oberfläche von Industriesteckverbindern in erster Linie auf kombinierte Galvanik-Lack-Systeme zurück. „Bisher wurde Polyurethan als ,weicher Kunststoff‘ in der Oberflächentechnik nicht eingesetzt. Han M Plus ist somit etwas wirklich Neues“, sagt Siegert. Thermoplastische „harte Kunststoffe“, wie sie etwa in der Baureihe Han-Eco zum Einsatz kamen, sind Harting gut bekannt, jedoch verwenden sie keinen Aluminiumkern, der für zusätzliche Stabilität im Gehäuse sorgt. „Bei Han M Plus kombinieren wir die Anpassungsfähigkeit eines Kunststoffmaterials mit den Vorteilen eines Aluminiumdruckgussgehäuses“, so Siegert.
Aluminium trifft Kunststoff
Die Zusammenführung von Aluminiumkern und Kunststoffgehäuse lief jedoch nicht ohne Hindernisse ab. Harting hat deshalb ein ganz neues Verfahren entwickelt, um den Kunststoff aufzubringen: Bei der sogenannten RIM-Technologie (Reactive Injection Molding, reaktiver Spritzguss) wird das Metallgehäuse von einer Werkzeugform umgeben, in die zwei Flüssigkeiten vermischt eingespritzt werden und dort aushärten. „Das bedeutet nicht, dass der Kunststoff am Ende plastisch fest ist“, erklärt Andreas Siegert, „sondern es fühlt sich eher an wie eine dauerelastische Haut.“ Das Polyurethan haftet hervorragend an dem Gehäuse und erhöht auf diese Weise die Schlagfestigkeit der Oberfläche.
Mit dem neuen Fertigungsverfahren ergeben sich Vorteile in der Umsetzung durchgehender Oberflächen, ohne Unterbrechung durch Klebekanten, Hinterschnitte oder Materialversatz. Flanschdichtung und Profilgummidichtung werden in den Arbeitsschritten integriert. Die Oberfläche kann im Verhalten je nach Einsatz hart oder weich gestaltet werden. „Somit ergeben sich Qualitätsvorteile, was sich unter Berücksichtigung der Total Cost of Ownership für die Gesamtschnittstelle positiv auswirkt.“
Im Kern ist das Gehäuse weiterhin aus Metall, bietet aber die Vorteile einer weichen Oberfläche, die mechanische Einflüsse absorbiert. Die Technologie wird die Harting-Technologiegruppe nun auch auf andere Steckverbinderserien übertragen.
Ein Gehäuse für alle Extreme
Und auch das Gehäuse selbst soll nicht allein der On- oder Offshore-Windenergie Vorteile bringen. Es ist überall dort geeignet, wo chemische und mechanische Einflüsse auf Steckverbinder einwirken. Im Bahnbereich etwa, wo Steckverbinder mit Kraftstoffen, Ölen oder Steinschlägen fertig werden müssen, oder auch in Motorsteckverbindern und Umrichtern in der Unterflurkonstruktion. In Schiffen können die Gehäuse die Windsensoren oder die Geräte zur Satellitenkommunikation schützen, die auf der Brücke extremen Witterungsverhältnissen ausgesetzt sind.
Bei allen Anwendungen gilt es, eine dauerhaft hohe Qualität zu gewährleisten. Das sei besonders den Kunden aus der Windbranche wichtig, denn gerade offshore sollte der Wartungsaufwand gering sein. Neben Qualität zählt aber auch Flexibilität. Dabei gehe es nicht nur um Steckverbinder oder Gehäuse, sondern um das Komplettpaket.
So wie es für jeden Topf den richtigen Deckel gibt, existiert eben für jede Anwendung die richtige Kombination aus Gehäuse und Steckverbinder – sogar unter extremen Bedingungen.