Im Spätsommer 2016 nahm das Mannheimer Unternehmen Friatec das erste Megawatt-Brennstoffzellenkraftwerk Europas in Betrieb. Das neu errichtete Kraftwerk erbringt eine elektrische Leistung von 1,4 Megawatt. Zudem stellt es unter technischen Gesichtspunkten und mit Blick auf den Umweltschutz eine zukunftsweisende Alternative zur klassischen gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung dar.
Umweltfreundliche Energieerzeugung
Die Anlage nutzt den eingesetzten Brennstoff im Vergleich zu anderen dezentralen Methoden der Energieerzeugung, wie Gasturbinen oder Verbrennungsmotoren, deutlich effizienter zur Stromerzeugung. Zusätzlich fallen während des verbrennungslosen Prozesses zur Strom- und Wärmeerzeugung nahezu keine Schadstoffe an. Mit Hilfe der Brennstoffzelle reduziert die Friatec ihre CO2-Emissionen um rund 3000 Tonnen pro Jahr. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von circa 250 000 Mittelklassewagen auf 100 Kilometern. „Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen im Aliaxis-Konzern. Die Installation einer umweltfreundlichen Eigenerzeugungsanlage war ein logischer Schritt im Rahmen unseres Umweltmanagements zur kontinuierlichen Verbesserung unserer Produktionsprozesse“, sagt Klaus Wolf, Vorstand von Friatec.
Einsatz von Hochtemperatur-Brennstoffzellen
Eon Connecting Energies, Eons Tochtergesellschaft für Energielösungen in Industrie und Gewerbe, errichtete das Brennstoffzellenkraftwerk in einer Bauzeit von nur neun Monaten. Hierfür lieferte die in Dresden ansässige FuelCell Energy Solutions (FCES) die Anlage inklusive der kompletten Installation. Das verbaute SureSource-Kraftwerk der FCES basiert auf der Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen-Technik, deren Elektrolyte aus Kalium- und Lithiumkarbonaten hervorragend für den Einsatz in Hochtemperatur-Brennstoffzellen geeignet sind. Um Strom zu produzieren, erzeugen die Brennstoffzellen aus dem zugeführten Erdgas direkt im Brennstoffzellenstapel Wasserstoff. Dieses Verfahren nennt sich interne Reformierung.
Die Energieversorgung des Mannheimer Werks ist redundant, wobei die Brennstoffzelle der Primär- und das Netz zur Sekundärversorgung dient. Die Brennstoffzelle liefert künftig bis zu 50 Prozent des Strombedarfs des Werksstandortes und erzeugt insgesamt rund 60 Prozent des Gesamtenergiebedarfs an Strom und Wärme. Bei der Wärmeerzeugung deckt sie den Grundlast-Wärmebedarf bis 90 Grad ab. Ein zusätzlicher Hochtemperaturkessel erhitzt das Heißwasser bei Bedarf für die Produktionsprozesse auf 130 Grad. Die neue Anlage ist so ausgelegt, dass der erzeugte Strom ganzjährig komplett selbst genutzt werden kann. Das wirkt sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit aus.
Die Brennstoffzelle ist gemeinsam mit der Peripherie platzsparend auf einer 15 x 20 m großen Bodenplatte montiert. Die Koordination des Projektteams ermöglichte es, die Produktion während der Installation und der Einbindung in das Bestandssystem fast unterbrechungsfrei weiterzuführen. „Wir haben werksintern unsere Wärmeversorgung modernisiert und alle neuen Leitungen und notwendigen Anschlüsse im Strom- und Gasnetz hergestellt, sodass wir die eigentliche Anbindung der Brennstoffzelle in die drei Netzbereiche jeweils innerhalb weniger Stunden realisieren konnten“, erläutert Michael Schaefer, technischer Projektverantwortlicher bei der Friatec.
Überwachung aus der Ferne
Die Überwachung des im September in Betrieb gegangenen Brennstoffzellenkraftwerks findet im Hamburger Remote Control Center von Eon in enger Zusammenarbeit mit dem Hersteller statt. Zusätzlich ist es an das Global Monitoring and Control Center des US-Mutterkonzerns FuelCell Energy, Inc. angeschlossen, über das alle Anlagen weltweit überwacht und gesteuert werden. Die Anlagenzustände lassen sich genau nachverfolgen und der bestmögliche Betriebsmodus – entsprechend den vorgegebenen Produktionszeiten – gewährleisten.
Neben der Überwachung der Anlageneffizienz spielt eine wesentliche Rolle, Regelabweichungen frühzeitig zu erkennen, um etwaige Störungen abwenden und beheben zu können. Durch umfassende Kontrollmöglichkeiten benötigt Friatec kein zusätzliches Personal für den Betrieb der Anlage. „Die Stromqualität ist von der Frequenz und Spannung tadellos, sodass wir die Mittelspannungs-Richtlinie des BDEW problemlos einhalten“, freut sich Michael Schaefer.
Vielfältige Einsatzorte
Eon Connecting Energies und FCES haben eine langfristige Zusammenarbeit vereinbart, um die Vorteile der Brennstoffzellentechnik für stromintensive Branchen aufzuzeigen. Denn durch die gleichzeitige Strom- und Wärmeerzeugung ist der Einsatz von Brennstoffzellen für viele Industriezweige interessant – zum Bespiel für die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie. Die Vorzüge liegen vor allem darin, eine sichere Stromversorgung in den Produktionsprozessen zu gewährleisten und zusätzlich die emissionsfrei erzeugte Hochtemperaturwärme als Industriedampf oder Kälte einsetzen zu können. Auch für Einrichtungen, die bei einem Ausfall des öffentlichen Versorgungsnetzes eine unterbrechungsfreie Stromversorgung sicherstellen müssen, ist der Einsatz von Brennstoffzellen zur Absicherung der Grundlast sinnvoll. Das gilt etwa für IT-Rechenzentren oder Krankenhäuser, die bei einem Stromausfall eine Notfallversorgung aufrechterhalten müssen.
Funktionsweise Brennstoffzellenkraftwerk
Ein typisches Multi-Megawatt-SureSource-Kraftwerk mit 2,8 MW besteht aus zwei Brennstoffzellenmodulen (grün). Einer von vier Brennstoffzellenstapeln innerhalb eines Moduls ist in der Schemazeichnung sichtbar. Das zugeführte Gas wird in der mechanischen Anlagenperipherie (grau) aufbereitet. Der entstehende Gleichstrom wird dann in der elektrischen Anlagenperipherie (blau) in Wechselstrom umgewandelt und in das Kundensystem eingespeist.