Prototyp aus Stanford Handelsübliche Brille mit Augmented Reality

AR endlich handlich und bequem? Die Brille aus Stanford könnte den Weg zur erweiterten Realität im Alltag ebnen.

Bild: Andrew Brodhead, Stanford University
03.06.2024

Bewegte 3D-Bilder in Farbe: Forscher der Stanford-Universität haben eine Brille entwickelt, die Augmented Reality in den Alltag bringen könnte. Der Prototyp ist durch die Kombination moderner Displaytechnologie, holografischer Bildgebung und Künstlicher Intelligenz entstanden. Es soll sich um das bislang kompakteste Gerät seiner Klasse handeln.

Forscher auf dem Gebiet des Spatial Computing haben den Prototyp eines Augmented-Reality-Headsets entwickelt, das holografische Bilder in 3D und in voller Farbe über die Gläser einer scheinbar gewöhnlichen Brille legt. Im Gegensatz zu vergleichbaren Systemen bietet der Ansatz einen kompakteren und damit bequemeren Formfaktor, der sich zum ganztägigen Tragen eignet.

„Unser Headset erscheint nach außen hin wie eine gewöhnliche Brille, aber was der Träger durch die Gläser sieht, ist eine erweiterte Welt, die mit lebendigen, vollfarbigen, berechneten 3D-Bildern überlagert ist“, sagt Gordon Wetzstein, außerordentlicher Professor für Elektrotechnik in Stanford und Experte auf dem Gebiet der räumlichen Datenverarbeitung. Obwohl es sich derzeit nur um einen Prototyp handelt, könnte eine solche Technologie nach Meinung von ihm und seinem Team Bereiche wie Spiele, Unterhaltung, Training und Bildung verändern. „Man könnte sich einen Chirurgen vorstellen, der eine solche Brille trägt, um eine heikle oder komplexe Operation zu planen, oder einen Flugzeugmechaniker, der damit lernt, mit dem neuesten Düsentriebwerk umzugehen“, sagt Manu Gopakumar, Doktorand im von Wetzstein geleiteten Stanford Computational Imaging Lab und Mitautor der Studie.

Echte erweiterte Realität

Bei dem Headset soll es sich um das erste handeln, das komplexe technische Anforderungen integriert, die bisher zu unhandlichen Geräten, unbefriedigenden visuellen 3D-Erlebnissen oder sogar zu Ermüdung und Übelkeit des Trägers geführt haben. „Es gibt derzeit kein anderes Augmented-Reality-System mit einem vergleichbar kompakten Formfaktor oder einer vergleichbaren 3D-Bildqualität“, betont Gun-Yeal Lee, Postdoktorand im Stanford Computational Imaging Lab und Mitautor der Studie.

Technische Hindernisse wurden durch eine Kombination aus KI-gestützter holografischer Bildgebung und neuen Ansätzen für nanophotonische Geräte überwunden. Die erste Hürde bestand darin, dass die Techniken zur Darstellung von Augmented-Reality-Bildern häufig komplexe optische Systeme erfordern. Bei diesen Systemen sieht der Benutzer die reale Welt nicht durch die Linsen der Brille; stattdessen erfassen Kameras an der Außenseite des Headsets die Welt in Echtzeit und kombinieren diese Bilder mit berechneten Bildern. Das so entstandene kombinierte Bild wird dann stereoskopisch auf das Auge des Trägers projiziert. „Es ist eine Art erweiterte virtuelle Realität, keine echte erweiterte Realität“, erklärt Lee.

3D-Bilder ohne Übelkeit

Übliche AR-Systeme sind zwangsläufig sperrig, weil sie Vergrößerungslinsen zwischen dem Auge des Trägers und den Projektionsbildschirmen verwenden. Sie erfordern einen Mindestabstand zwischen Auge, den Linsen und den Bildschirmen, was zu ihrer Größe führt.

Um visuell befriedigendere 3D-Bilder zu erzeugen, verließ Wetzstein die traditionellen stereoskopischen Ansätze zugunsten der Holografie, einer mit dem Nobelpreis prämierten visuellen Technik, die in den späten 1940er-Jahren entwickelt wurde. Obwohl die 3D-Bildgebung sehr vielversprechend ist, wurde die Verbreitung der Holografie durch die Unfähigkeit eingeschränkt, genaue 3D-Tiefeninformationen darzustellen, was zu unzureichenden visuellen Erlebnissen führte.

Das Wetzstein-Team setzte KI ein, um die Tiefeninformationen in den holografischen Bildern zu verbessern. Durch Fortschritte in der Nanophotonik und der Wellenleiter-Displaytechnologie konnten die Forscher dann die berechneten Hologramme auf die Brillengläser projizieren, ohne auf zusätzliche Optiken angewiesen zu sein.

Eingebracht wird der Wellenleiter durch Ätzen von Mustern im Nanometerbereich auf die Linsenoberfläche. Kleine holografische Displays, die an jedem Brillenbügel angebracht sind, projizieren dann die berechneten Bilder durch die geätzten Muster, die das Licht innerhalb des Brillenglases reflektieren, bevor es direkt an das Auge des Betrachters weitergeleitet wird. Wenn der Benutzer durch die Brillengläser blickt, sieht er auf diese Weise sowohl die reale Welt als auch die farbigen, berechneten 3D-Bilder, die darüber angezeigt werden.

Endlich Durchbruch für Holografie?

Der 3D-Effekt wird dadurch verstärkt, dass er sowohl stereoskopisch als auch holografisch erzeugt wird. Stereoskopisch bedeutet, dass jedes Auge ein etwas anderes Bild als bei der herkömmlichen 3D-Bildgebung sieht. „Mit der Holografie erhält man auch das volle 3D-Volumen vor jedem Auge, was die lebensechte 3D-Bildqualität erhöht“, ergänzt Brian Chao, Doktorand im Stanford Computational Imaging Lab und ebenfalls Mitautor der Arbeit.

Das Endergebnis der neuen Wellenleiter-Display-Techniken und der Verbesserung der holografischen Bildgebung ist ein 3D-Visualisierungserlebnis, das ohne Ermüdungs- und Übelkeitserscheinungen von früheren Ansätzen auftritt. „Holografische Displays werden seit Langem als die ultimative 3D-Technik angesehen, aber der große kommerzielle Durchbruch ist nie gelungen“, sagt Wetzstein. „Vielleicht haben sie jetzt die Killer-App, auf die sie all die Jahre gewartet haben.“

Bildergalerie

  • Mithilfe von Nanophotonik-Technologien konnte ein neuartiges Wellenleiterdesign entwickelt werden, das 3D-Hologramm-Informationen aus sichtbarem RGB-Licht mit hoher Transparenz übertragen kann.

    Mithilfe von Nanophotonik-Technologien konnte ein neuartiges Wellenleiterdesign entwickelt werden, das 3D-Hologramm-Informationen aus sichtbarem RGB-Licht mit hoher Transparenz übertragen kann.

    Bild: Andrew Brodhead, Stanford University

  • Die Forschergruppe um die neue Brille wurde von Gordon Wetzstein (Zweiter von rechts) geleitet.

    Die Forschergruppe um die neue Brille wurde von Gordon Wetzstein (Zweiter von rechts) geleitet.

    Bild: Andrew Brodhead, Stanford University

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