Die Kugel glänzt silbern inmitten einer Hightech-Anlage, die aus vielen Schläuchen, Kompressoren, Schaltern und Knöpfen besteht. Sie erinnert ein wenig an die Kristallkugel einer Wahrsagerin. Und um die Zukunft geht es hier auch. Mit der Anlage, die vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg entwickelt wurde, soll die Klimaneutralität schneller erreicht werden: mittels eLNG aus Wasserstoff und Luft.
Die Forschungen an dem vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekt „eLNG aus Luft“ begannen vor 1,5 Jahren. Jetzt wurde das Projekt mit der Demonstration der Gesamtprozesskette erfolgreich abgeschlossen. Die Technologie kann nun in den großtechnischen Maßstab überführt werden.
Kombinierte Methode für verflüssigtes Methan
„Die Herstellung von CO2-neutralem Gas ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft. Mit dem Projekt wollen wir unsere baden-württembergischen Anlagenbauer und Komponenten-Hersteller dabei unterstützen, die Technologie zu nutzen, um neue Exportpotenziale und Absatzmärkte zu erschließen“, so Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.
Für das Projekt wurden bereits bestehende Technologiebausteine und Infrastrukturen am ZSW genutzt. Dazu zählt unter anderem eine Technologie zur CO2-Gewinnung aus der Luft und eine Elektrolyse zur Herstellung von grünem Wasserstoff. Was noch fehlte, war eine neuartige, kombinierte Methode, um das regenerative Methangas effizient zu erzeugen und zu verflüssigen. Dieses Verfahren wurde jetzt am ZSW entwickelt.
Verflüssigtes Methan verfügt über eine 600 Mal höhere Energiedichte als gasförmiges Methan und erlaubt somit unter anderem den interkontinentalen Schiffstransport von großen Energiemengen. So können die bereits bestehenden Infrastrukturen für LNG in Richtung Klimaneutralität transformiert werden.
Als neuer, klimaneutraler Treibstoff kann eLNG statt Diesel für die Schifffahrt und den Schwerlastverkehr oder als Heizöl-Alternative in der Industrie eingesetzt werden. Die in dem Projekt weiterentwickelte CO2-Bereitstellung aus Luft, wie auch die Skalierungskonzepte des Gesamtprozesses, können auch auf andere Kraftstoff-Synthesen, beispielsweise zur Herstellung von synthetischem Kerosin, übertragen werden.
Alle Komponenten sind Eigenentwicklungen
Als im ZSW-Technikum zum ersten Mal flüssiges Methan in die silberne Kugel floss, war die Freude groß. „Die Menge an flüssigem Methan war noch gering, doch der Proof-of-concept war erbracht“, berichtet Dr. Marc-Simon Löffler, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. Besonders stolz sind er und seine Kollegen auch darauf, dass alle Komponenten in der Prozesskette – also Elektrolyse, CO2-Wäscher, Methanisierung, und Verflüssigung – eigene Entwicklungen sind.
„Die Anlage ist zu 100 Prozent made by ZSW“, ergänzt Projektleiter Bernd Stürmer. Nachdem der Beweis erbracht wurde, dass der Demonstrator funktioniert, wurden die Prozessschritte weiter optimiert. Die Ausbeute der Laboranlage konnte inzwischen auf ein Kilogramm pro Stunde gesteigert werden.
Die ZSW-Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben bereits Skalierungskonzepte entwickelt, mit denen der Prozess auch im großtechnischen Maßstab eingesetzt werden kann. Bei optimaler Prozessintegration ist mit der Technologie eine Effizienz von bis zu 55 Prozent (bezogen auf den eingesetzten regenerativen Strom) möglich.
Nächste Schritte
Nach diesem Forschungserfolg geht es weiter. Der nächste Schritt ist nun die Gewinnung von Partnern aus der Industrie für die Kommerzialisierung der Technologiebausteine. Dazu untersucht das Fachgebiet Systemanalyse des ZSW die Wertschöpfungspotenziale für die baden-württembergische Industrie.
„Das Anlagenkonzept eröffnet Chancen für Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Insbesondere die Technik zur Gewinnung von CO2 aus Luft ist nicht nur ein wichtiger Baustein der eLNG Prozesskette, sondern verspricht auch darüber hinaus große Entwicklungsperspektiven auf dem globalen Markt der Klimaschutzmaßnahmen“, fasst Maike Schmidt, Fachgebietsleiterin Systemanalyse am ZSW, zusammen.
Im Rahmen des Projekts sollen außerdem neue Exportpotenziale und Absatzmärkte für Unternehmen aufgezeigt werden. So werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle als Technologieanbieter zur Produktion von strombasiertem, regenerativem Flüssigmethan einnehmen kann.