Kommentar Industrie 4.0 – mehr als ein Buzzword?

Harald Schöppner ist seit 1988 bei Jumo beschäftigt. Er war als Softwareentwickler, Projektleiter und Applikationsingenieur tätig. Seit vier Jahren leitet er das Jumo-Engineering, seit Anfang 2019 auch die Entwicklungsabteilung des Familienunternehmens, das sich auf hochwertige Mess-, Regel- und Automatisierungstechnik spezialisiert hat.

Bild: Jumo
08.10.2019

Über fünf Millionen Ergebnisse liefert Google bei der Suche nach der „Industrie 4.0“. Doch ist diese vierte industrielle Revolution nicht einfach nur eine konsequente Fortführung des Automatisierungszeitalters? Und wie kann ein mittelständisches Unternehmen seinen Platz in der neuen digitalen Welt finden?

Harald Schöppner war mit diesem Beitrag im P&A-Kompendium 2019 als einer von 100 Machern der Prozessindustrie vertreten. Alle Beiträge des P&A-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .

2011 tauchte die „Industrie 4.0“ erstmals auf der Hannover Messe auf. Der Grundstein für die vierte industrielle Revolution wurde bei Jumo bereits im Jahr 1978 gelegt, denn in diesem Jahr wurden erstmals Mikroprozessoren in unseren Geräten eingesetzt. Damit wurde die Grundlage für die umfassende Vernetzung von Mess- und Regeltechnik geschaffen.

So wie sich Jumo den Wandel von der Analog- zur Digitaltechnik zu Nutze gemacht hat, stellen wir uns auch dem Wandel zu Industrie 4.0. Die Welt unterliegt einem ständigen Wandel und uns zeichnet aus, für die daraus entstehenden Fragen die passenden Antworten geben zu können.

Revolutionär wurde es 2012

Als Beispiel möchte ich hier die Markteinführung der drahtlosen Jumo-Sensoren im Jahr 2008 anführen. Richtig „revolutionär“ wurde es dann im Jahr 2012, als unser komplett selbst entwickeltes Automatisierungssystem das Licht der Welt erblickte. Dieses System hat in den Folgejahren recht schnell auch zu völlig neuen Geschäftsmodellen geführt. Engineering-Dienstleistungen waren plötzlich gefragt und die entsprechende Abteilung hat mittlerweile acht Mitarbeiter.

Digitale, smarte Sensoren und eine erste App folgten dann in den Folgejahren, eine Cloud-Entwicklung steht in den Startlöchern. 2019 wurde dann die neue Linux-basierte Version unseres Automatisierungssystems präsentiert.

Umparken im Kopf

Sind wir also schon ein „Industrie 4.0-Unternehmen“? In einer Werbung eines bekannten Automobilkonzerns ist vom „Umparken im Kopf“ die Rede – und das ist aus meiner Sicht die echte Herausforderung. Wir müssen als Mittelständler lernen, dass es letztendlich die Daten unserer Sensoren und Auswertegeräte sind, mit denen wir in Zukunft Umsatz erwirtschaften müssen. Doch mit dem reinen Datensammeln ist das nicht getan. Erst die effektive Nutzung von Daten kann Prozesse schneller und sicherer machen und dadurch alternative Geschäftsmodelle ermöglichen.

„Umparken im Kopf“ bedeutet auch, dass wir unsere komplette Wertschöpfungskette hinterfragen und gegebenenfalls anpassen müssen. Jumo befindet sich mitten in diesem spannenden Prozess. Der bevorstehende Wandel wird alle Bereiche unseres Unternehmens betreffen. Wir organisieren zum Beispiel derzeit das komplette Produkt- und Branchenmanagement um, um zukünftig mehr Platz für Ideen im täglichen Arbeitsablauf zu schaffen. Zusätzlich haben wir ein umfangreiches Projekt zur „Digitalen Transformation“ gestartet, bei dem wir unsere komplette IT-Landschaft und -Prozesse auf den Prüfstand stellen.

Systemlandschaft für viele Kundenlösungen

Seit einem Jahr arbeitet bei uns in der Entwicklungsabteilung darüber hinaus ein Think Tank mit dem Ziel, den Zeitraum von einer Produktidee oder einer neuen Technologie zu einem fertigen Produkt zu verkürzen. Denn die digitale Transformation hat die Innovationszyklen enorm beschleunigt.

Unsere Entwicklungsabteilung arbeitet zusätzlich daran, neue Konzepte noch konsequenter als bisher auf Plattformen aufzusetzen und diese konsequent über die nächsten Jahre auszubauen. Diese Strategie wird es uns erlauben, Hardware- und Softwarefunktionen flexibel und, was uns sehr wichtig ist, auch kundenspezifisch in bestehende Systeme zu integrieren. Unsere Plattformgedanken münden letztendlich in einer Systemlandschaft, die eine Vielzahl von Kundenlösungen ermöglicht, sowohl im Projektgeschäft als auch für unsere OEM-Kunden.

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