Das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH-Cluster) gibt einen Ausblick in die Zukunft der Windenergie und stellt aktuelle Forschungsprojekte vor. Jan Rispens, Geschäftsführer vom EEHH-Cluster prognostiziert: „Die Windenergie der Zukunft wird effizienter, attraktiver und aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenken sein.“ Dazu gehören schwimmende Offshore-Anlagen, wandlungsfähige Rotorblätter und Windtürme im Legobauprinzip, aus Holz und mit Flugzeugradar. Das EEHH-Cluster stellt diese fünf zukunftsweisenden Projekte von Branchen-Pionieren vor.
Weit draußen im Meer: Schwimmende Windenergieanlagen
Andere Industrien haben es vorgemacht – schwimmende Plattformen säumen bereits die Meere. Diese Erfahrungen helfen nun bei der Entwicklung von Offshore-Windenergieanlagen mit schwimmendem Fundament. Die Rechnung ist einfach: Auf dem offenen Meer weht der Wind stärker als in Küstennähe, daher ist der Energieertrag höher, je weiter entfernt Windenergieanlagen von der Küste stehen. Allerdings können ab rund 50 Meter Wassertiefe keine fest im Meeresboden verankerten Fundamente mehr gebaut werden. Deshalb werden derzeit viele verschiedene Ansätze und Techniken für schwimmende Konstruktionen entwickelt. Als Vorbild gilt eine Anlage des norwegischen Energieunternehmens Statoil, die bereits 2009 in Kooperation mit Siemens installiert wurde. Weitere Projekte gibt es bereits vor den Küsten Portugals und Japans. Das Hauptproblem: Noch ist die Technik zu kostenintensiv, da überwiegend teurer Stahl für schwimmende Fundamente verwendet werden muss. Experten arbeiten daher aktuell an günstigeren Varianten mit Beton, um die Technik bei gleichbleibender Effizienz wirtschaftlicher zu machen.
Technik wie beim Flugzeug: Windenergieanlagen mit wandlungsfähigen Rotoren
Der Forschungsverbund Windenergie arbeitet daran, die Rotorblätter von Windenergieanlagen wandlungsfähiger zu gestalten, um diese ertragreicher und langlebiger zu machen. Dabei dienen Techniken aus der Luftfahrt als Vorbild. Rotorblätter sollen beispielsweise bei niedrigen Windgeschwindigkeiten an den Hinterkanten spezielle Klappen ausfahren können, um die Angriffsfläche für den Wind zu vergrößern und somit den Ertrag zu steigern. Wird der Wind zu stark, sollen diese wieder eingefahren werden. Die gleiche Technik nutzen auch Flugzeuge, um die Flügel bei Start und Landung entsprechend zu vergrößern oder zu verkleinern. Windenergieanlagen sind stets hohen Belastungen der Natur ausgesetzt und laufen jahrelang rund um die Uhr. Die Lebensdauer liegt deshalb aktuell nur bei rund 20 Jahren. Je größer die Rotorblätter sind, desto größer ist auch die Belastung für das Material. Ein Ziel der Forschung ist es daher auch, dass sich die Rotoren automatisch vom Wind wegdrehen, um die Belastungen durch starke Böen zu verringern. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen Spitzner Enginers daran, das Gewicht von Windrädern zu verringern und das Design aerodynamisch zu verbessern – das würde die Lebensdauer ebenfalls verlängern und den Energieertrag steigern.
Legobauprinzip: Windenergieanlagen, die ohne Kran installiert werden können
Windenergieanlagen werden auf hoher See aufgestellt, um aus Wind Energie zu gewinnen. Bei der Montage der Anlagen ist der Wind allerdings auch ein erschwerender Faktor, da die zum Teil sehr großen Bauteile ins Wanken geraten und so beschädigt werden können. Daher werden Offshore-Windanlagen meist nur an windstillen Tagen und bei gutem Wetter aufgestellt. Für die Installation werden zudem spezielle Errichterschiffe mit großen Kränen eingesetzt, die die Anlagen montieren. Ein neuartiges Aufzugsystem namens Wind Lift Tower der Leibniz-Universität Hannover könnte Abhilfe schaffen. Am Windturm wird ein spezieller Aufzug montiert, welcher die Bauteile sicher und wetterunabhängig nach oben befördert. Ganz zum Schluss positioniert ein Greifarm die Rotorblätter in die vorgesehene Position. Der Vorteil: Diese Technik kann auch an sehr windigen Tagen eingesetzt werden - das würde den Bau von Offshore-Anlagen wetterunabhängiger machen und die Kosten immens senken.
An Land baute die Firma Sky Wind 2014 in der Nähe von Husum einen ersten 80 Meter hohen Turm ohne speziellen Kraneinsatz und mit deutlich weniger teuren Stahl. Die Technik setzt auf einzelne Betonelemente, die wie Legobausteine per Seilwinde übereinandergesetzt werden können. Eine solche Bauweise kann die Kosten enorm senken und die Umwelt schonen, da zum Beispiel in Waldgebieten in Zukunft keine große Flächen und Zuwegungen mehr für Kranplätze gerodet werden müssten.
Altbekanntes Baumaterial für zukünftige Technik: Windenergieanlagen mit Holztürmen
Ein vielversprechendes Konsktruktionsmaterial für Windenergieanlagen der Zukunft ist Holz. Die Idee: Mithilfe eines natürlichen und nachwachsenden Rohstoffs wird regenerative Energie erzeugt – nachhaltiger ist Stromerzeugung kaum möglich. Weitere Vorteile: Die Ausgaben für ein Windrad mit Holzturm sind um ein Fünftel geringer. Holz ist einfacher zu transportieren und erlaubt den Bau von höheren Türmen von rund 200 Metern – damit wären Holztürme sehr rentabel. Stahlturm-Windräder müssen nach 20 Jahren zurückgebaut werden, der Hersteller TimberTower geht von einer doppelt so langen Lebenszeit der Holztürme aus. Ein erster Prototyp wurde im Oktober 2012 in Hannover-Marienwerder errichtet und im Dezember 2012 in Betrieb genommen. Derzeit arbeitet die Firma an weiteren neuen Windpark-Projekten in ganz Deutschland mit.
Kein nächtliches Blinklicht mehr: Windenergieanlagen mit Flugzeugradar
Eine Zukunftstechnik, die bereits gegenwärtig eingesetzt wird, sind Windenergieanlagen mit einem sogenannten radargestützten Befeuerungssystem, zum Beispiel das Airspex der Firma Enertrag. Dieses schaltet das bekannte blinkende Rotlicht auf hohen Gebäuden nur dann ein, wenn tatsächlich ein Flugzeug oder Helikopter in der Nähe ist. Damit es ausgelöst wird, muss sich dafür ein Luftfahrzeug in einem Umkreis von vier Kilometern befinden und dabei in einer Höhe von bis zu 600 Metern fliegen. Bisher kann das Blinken, welches eine vorgeschriebene und unbestreitbar wichtige Hinderniskennzeichnung für die Luftfahrt ist, für Anwohner sehr störend sein. Pro Windpark müssen mindestens vier Radargeräte installiert werden. So kann in 98 Prozent der Zeit auf das nächtliche Dauerblinklicht verzichtet werden.