Miniatur-Spektrometer Medikamentenfälschungen mit dem Smartphone erkennen

Mithilfe eines neuartigen Herstellungsverfahrens hat das Fraunhofer ENAS Minitatur-Spektrometer für Smartphones entwickelt.

Bild: Fraunhofer-Gesellschaft
02.07.2021

Gefälschte Arzneimittel enttarnen? Wasserproben selbst untersuchen? Die Luftqualität überprüfen? All das könnte künftig per Smartphone möglich sein – schnell, kostengünstig und unkompliziert.

Arzneimittel sind im Internet deutlich günstiger als in Apotheken. Doch während Konsumenten sich beim Direktkauf vor Ort auf die Qualität der Medikamente verlassen können, bleibt bei den Online-Schnäppchen vielfach die Unsicherheit, ob einem nicht doch eine unwirksame oder anders zusammengesetzte Fälschung untergejubelt worden sein könnte.

Künftig ließen sich solche Fragen schnell und einfach klären: mit einem Chip-Spektrometer, das Forscher am Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS derzeit entwickeln. „Unser Infrarot-Spektrometer wiegt nur etwa 1 g und soll perspektivisch nicht mehr kosten als einen Euro“, sagt Dr. Alexander Weiß, Abteilungsleiter am Fraunhofer ENAS. „Damit ließe es sich beispielsweise in Smartphones integrieren.“

Zum Vergleich: Bisher wiegen Infrarot-Spektrometer einige Kilogramm und die Kosten liegen bei einigen Tausend Euro. Zwar gibt es bereits transportable Geräte, die etwas weniger auf die Waage bringen. Doch auch diese sind für den Massenmarkt ungeeignet – sowohl hinsichtlich der Kosten und der Größe als auch, was die Bedienung und Auswertung der Ergebnisse angeht.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Die möglichen Anwendungen sind dabei nicht auf Medikamentenfälschungen beschränkt. Weiß: „Unser Spektrometer ist für allerhand Einsatzbereiche interessant – etwa um Nahrungs- und Futtermittel hinsichtlich des Reifegrades oder mikrobielle Zersetzungen zu beurteilen, die Luftqualität in Innenräumen und Fahrzeugen zur gesteuerten Klimatisierung zu messen oder auch Schadstoffe in Luft, Wasser oder Nahrung zu detektieren.“

Außerdem sendet das Spektrometer – ebenso wie herkömmliche Infrarotspektrometer auch – Lichtstrahlen im Infrarotbereich aus. Das Licht verschiedener Wellenlängen wird dann mittels eines durchstimmbaren Filters zerlegt und mittels integrierter Wellenleiter zu einem Detektor geführt. Gitterkoppler mit Nanostrukturen bündeln dabei etwa das von einer zu testenden Tablette reflektierte Licht in integrierten Wellenleitern.

Soll die Luftqualität untersucht werden, gelangt stattdessen das Licht in eine spezielle in der Ebene integrierte Absorptionszelle. Wird aufgetragen, bei welcher Wellenlänge wie viel Licht zum Detektor gelangt, liefert das System ein charakteristisches Spektrum, das ähnlich wie ein Fingerabdruck bei jeder Probe unterschiedlich ist. Eine gefälschte Tablette, die sich anders zusammensetzt, hat also ein anderes Spektrum als das Originalmedikament.

Doch wie ist es dem Forscherteam gelungen, die Baugröße des Spektrometers zu reduzieren und dennoch die generelle Funktionsweise beizubehalten? „Herkömmliche Spektrometer bestehen meist aus diskreten mehr oder weniger gut integrierten Komponenten“, erklärt Weiß. „Wir haben dagegen sowohl die Führung der Strahlung als auch die Spaltung der einzelnen Wellenlängen und die Detektion in einer Ebene integriert – wir sprechen daher auch von einem Inplane-Spektrometer.“

Einfache Bedienung, kostengünstige Herstellung

Soll das Spektrometer künftig beispielsweise in Smartphones integriert werden, ist allerdings nicht nur eine kleine Baugröße gefragt. Auch muss sich das System einfach und intuitiv bedienen lassen und dem Nutzer klare Auswertungen vorlegen. Auch hier haben die Forscher bereits einen Ansatz: intelligente, lernende Algorithmen.

Für den Anwender heißt das: Er zückt sein Handy, startet das Spektrometer über eine spezielle App, hält es über eine der Tabletten und bekommt zusätzlich eine Handlungsanleitung, wie die Messung korrekt durchgeführt wird. Das Spektrometer erstellt automatisch das Spektrum, und die Software vergleicht es mit Vergleichsspektren, die durch Fachpersonal in einer Datenbank hinterlegt wurden. Je mehr Nutzer das System verwenden, desto größer werden die Vergleichsmöglichkeiten. Dem Nutzer wird nur das Ergebnis angezeigt, beispielsweise „Originalmedikament“.

Ein weiterer Knackpunkt sind die Herstellungskosten des Spektrometers. „Wir haben das Spektrometer so entworfen, dass es sich über die herkömmlichen Technologien der Mikrosystemtechnik in Massenfertigung kostengünstig produzieren lässt“, berichtet Weiß. „Hersteller können direkt auf die Prozesse setzen, die bei den großen Fabrikationslinien, kurz FABs, Standard sind.“

In zwei Jahren auf dem Massenmarkt

Erste Spektrometer-Chips haben die Forscher bereits hergestellt, der Proof-of-Concept ist erbracht. Nun stehen verschiedene Charakterisierungen auf dem Programm: Bewegen sich die einzelnen Komponenten wie gewünscht? Wird das Licht, das in die Wellenleiter eingekoppelt wird, in ausreichendem Maß weitergeleitet?

Das entsprechende Equipment für diese Charakterisierungen wurde von der Forschungsfabrik Mikroelektronik finanziert. Laufen die Untersuchungen wie erhofft, könnte das Spektrometer in etwa zwei Jahren den Weg in den Massenmarkt finden.

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