Die Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) könnte tausende Montagearbeitsplätze in ganz Europa retten. Doch bisher schrecken besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) davor zurück, in die Teilautomatisierung zu investieren. Nur zwölf Prozent aller Industrieroboter kommen dort zum Einsatz. Die Installation dauere zu lange und koste zu viel, die Programmierung sei zu aufwendig.
Roboter sind auf die industrielle Massenproduktion ausgelegt, auf große Stückzahlen also und eine Aufgabenstellung, die sich oft über Jahre nicht ändert. Doch KMU leben von ihrer Flexibilität. Sie fertigen in kleinen Losgrößen, bieten ihren Kunden zahlreiche Produktvarianten, häufig sogar maßgeschneiderte Einzelstücke.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, haben deshalb viele Mittelständler ihre Produktion in Billig-Lohn-Länder verlegt: China, Indien, Vietnam. In Europa sind diesen Rationalisierungsmaßnahmen viele Montagearbeitsplätze zum Opfer gefallen. Die, die hierzulande noch bestehen, könnten erhalten bleiben, indem man sie teilautomatisiert. Denn wo Mensch und Roboter eng zusammenarbeiten, kommen die Stärken beider zur Geltung: die Fähigkeit des Menschen, auf ungeplante, unvorhergesehene Situationen flexibel zu reagieren sowie die unermüdliche Kraft und Präzision eines Roboters.
Doch kostengünstige Roboterassistenten für Montagearbeitsplätze waren bisher Mangelware. Diese wirtschaftlicher zu gestalten war deshalb die Mission des EU-Projekts Lean Intelligent Assembly Automation (LIAA). Damit haben Wissenschaftler, Hersteller, Systemintegratoren und Endanwender die Missstände bei KMU behoben.
Maßnahmenbündel für bessere MRK
Nach vier Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit legt das international besetzte Team um Koordinator Martin Naumann vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor:
Planungszeit verkürzen – Bislang erstreckt sich die Planungsphase für MRK-Arbeitsplätze häufig über mehrere Monate. Um den Prozess auf zwei bis drei Wochen zu verkürzen, hat das Labor für Produktionstechnik und Automatisierung an der griechischen Universität Patras die Uniform Task Description geschaffen. Die Software systematisiert die Planung, indem sie die entstehenden Roboterzellen in einem Computermodell simuliert. Das erleichtert den Austausch zwischen Systemintegrator und Endanwender, vermeidet Missverständnisse und unnötige Mehrarbeit.
Unnötige Kosten vermeiden – Wenn Roboterzellen in der Montagehalle installiert werden, sind sie bislang häufig entweder mit zu wenigen Sicherheitsvorkehrungen versehen und verstoßen so gegen geltende Vorschriften. Dann müssen sie entsprechend nachgerüstet werden. Oder es sind viel zu viele Vorsichtsmaßnahmen ergriffen worden. In beiden Fällen entstehen unnötige Kosten. Um diese von vorne herein zu vermeiden, haben Ramez Awad und sein Team vom Fraunhofer IPA das Computer- Aided Risk Assessment entwickelt: Eine Software klopft das Computermodell einer geplanten Roboterzelle auf mögliche Gefahren ab, listet diese in einer Tabelle auf und nennt geeignete Sicherheitsmaßnahmen.
Programmierung vereinfachen – Bisher erforderte es fundierte Kenntnisse in Robotik und einer der komplexen herstellerspezifischen Programmiersprachen, um einen Roboter an neue Aufgaben heranzuführen. Doch dank der Software drag&bot, die Martin Naumann und seine Kollegen am Fraunhofer IPA entwickelt haben, kann nun sogar ungeschultes Personal diese Aufgabe übernehmen – und innerhalb weniger Minuten erledigen. Der Clou: drag&bot liefert fertige Programmbausteine, die sich über eine graphische Bedienoberfläche schnell und intuitiv zu komplexen Roboterapplikationen zusammenfügen lassen. Dieses Grundprinzip kommt auch bei der Software Pitasc zum Einsatz, die die Experten am Fraunhofer IPA speziell für komplexe Roboterbewegungen und kraftgeregelte Montageaufgaben entwickelt haben. Mit wenigen Klicks verleiht pitasc Industrierobotern die Geschicklichkeit eines erfahrenen Montagearbeiters. Parallel dazu entwickelten die Wissenschaftler am spanischen Forschungsinstitut Tecnalia die CAD-basierte Programmierung. Das Verfahren vereinfacht die Parametrisierung verschiedener Roboterapplikationen, indem es die entsprechenden Werte automatisch aus dem CAD-Modell eines Werkstücks bezieht und diese der Betriebssoftware Robot Operating System (ROS) zur Verfügung stellt.
Flexibilität erhöhen – LP-Montagetechnik und InSystems Automation, zwei an LIAA beteiligte Unternehmen, haben eine mobile Roboterzelle konstruiert, die mit austauschbaren Werkzeugen und Sicherheitsvorrichtungen ausgestattet ist. Sie lässt sich an nahezu jeden Montagearbeitsplatz anpassen. Sobald die mobile Roboterzelle an den Strom angeschlossen und der Roboter eingelernt ist, unterstützt sie den Werker bei seinen manuellen Arbeiten. Damit ist die wandelbare Produktion mit ein paar einfachen Handgriffen erreicht.
„Die Ergebnisse des Forschungsprojekts LIAA münden also in schnell und kostengünstig zu installierende, universell einsetzbare MRK-Arbeitsplätze, an denen Fachleute und ungeschultes Personal gleichermaßen arbeiten können“, fasst Koordinator Naumann zusammen. Produktionsverlagerungen nach Fernost werden damit unattraktiver.