Fünf Jahre nach dem Start der ersten 5G-Netze ist der anfängliche Hype abgeklungen, was einige Beobachter zu der Frage veranlasst, ob die neue Technologie nicht „mehr Modeerscheinung als Zukunft“ ist. Die erwartete Welle innovativer industrieller Anwendungsbereiche, die die Fähigkeiten von 5G erfordern, ist bisher ausgeblieben, weshalb IoT-Entwickler zögern, sich von den LTE-Netzen abzuwenden. Zudem fällt es den Mobilfunknetzbetreibern (Mobile Network Operators – MNO) nicht leicht, von den Verbrauchern einen Aufschlag für die höheren Download-Geschwindigkeiten von 5G einzufordern, obwohl sie erhebliche Mittel in den Ausbau der Netzinfrastruktur gesteckt haben. Dennoch besteht unter Brancheninsidern kein Zweifel daran, dass 5G ein wesentlicher Faktor für die künftige globale Wirtschaftsentwicklung bleibt. So investieren MNO und andere Akteure der Branche weiterhin in 5G, da dieses Funknetz der nächsten Generation jetzt in die Phase der „stillen Evolution“ des Gartner-Hype-Zyklus kommt.
Wie bei früheren Migrationen zwischen einzelnen Netzwerkgenerationen werden Geschwindigkeit und Profil dieser Investitionen von Faktoren wie der globalen Konjunktur, Einstellung der Verbraucher, Regulierungspolitik, Zuteilung von Frequenzbereichen, Verfügbarkeit von Infrastruktur, Reife des Ökosystems und vielen anderen beeinflusst. In diesem Artikel wird zunächst der aktuelle Stand von 5G erörtert, um anschließend einige Schlüsselbereiche zu beleuchten, in denen die Technologie an Zugkraft gewinnt. Darüber hinaus werden einige Ansichten zu den Entwicklungen, Anwendungsbereichen und Technologien vorgestellt, die als Zugpferd für die weitere Einführung in den Industriemärkten fungieren werden.
Wo steht 5G heute?
Bis Ende 2023 hatten 280 Dienstanbieter weltweit kommerzielle 5G-Dienste eingeführt. Im ersten Quartal 2024 wurden 160 Millionen neue 5G-Verträge abgeschlossen, woraus sich eine prognostizierte Gesamtzahl von 5,6 Milliarden bis 2029 ergibt. Die Beliebtheit von 5G ist in Nordamerika mit einer Durchdringung von 59 Prozent Ende 2023 besonders hoch, aber auch in den meisten anderen Regionen der Welt ist das Wachstum stark. Diese beeindruckenden Zahlen lenken jedoch von einigen der grundlegenden Herausforderungen ab, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht. Die fortschrittlichen Funktionen von 5G wurden entwickelt, um ein breites Spektrum bestehender und erwarteter Anforderungen verschiedener Industriezweige zu erfüllen und dem wachsenden Druck auf das verfügbare Funkfrequenzspektrum zu begegnen.
Um diese unterschiedlichen Anforderungen abzudecken, wurden zunächst drei verschiedenen 5G-Kategorien eingeführt: eMBB, URLLC und mMTC. Die von eMBB (Enhanced Mobile Broadband) ermöglichten ultraschnellen Downloadgeschwindigkeiten sollten so unterschiedliche Anwendungsfälle wie Telechirurgie und AV/VR-Anwendungen ermöglichen, während die von uRLLC (Ultra Reliable Low Latency Communication) unterstützten Reaktionszeiten als entscheidend für Anwendungen angesehen wurden, die vom autonomen Fahren bis hin zur Echtzeit-Prozesssteuerung in der Industrie-4.0-Fabrik reichen. Bandbreite, Geschwindigkeit und Latenz waren jedoch nicht die einzigen Triebkräfte für die 3GPP-5G-Standards, denn auch das explosive Wachstum des Internets der Dinge (IoT) und die damit verbundene Nachfrage nach einer hohen Verbindungsdichte waren ein wichtiger Faktor für das Konzept von mMTC (Massive Machine Type Communication).
Die weltweite Einführung von eMBB ist aufgrund der Kosten und Komplexität zwar hinter den Erwartungen zurückgeblieben, aber es gibt einige Erfolgsgeschichten, insbesondere in Regionen mit entwickelten Verbrauchermärkten und ausreichender Verfügbarkeit von Frequenzen. Beispielsweise arbeiten die MNO mit eMBB, um die Servicequalität an Bandbreiten-Hotspots wie Konzertgeländen und Sportstadien zu verbessern und gleichzeitig von der überlegenen Kosteneffizienz auf Mb/s-Ebene zu profitieren. Der wachsende Markt für Fixed Wireless Access (FWA) ist eine der größten Erfolgsgeschichten für 5G, insbesondere in Märkten wie Indien, wo Glasfasernetze unerschwinglich wären. Die Verbreitung von uRLLC-Funktionen in industriellen Anwendungen hingegen hat sich aufgrund der Kosten und Komplexität der Implementierung in engen Grenzen gehalten.
Die größte Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität von 5G besteht jedoch in der Nutzung bei IoT-Anwendungen. Viele IoT-Anwendungen nutzen entweder LTE-M oder NB-IoT, die in 3GPP Release 15 als 5G-kompatible Technologien unter mMTC konzipiert wurden, um IoT-Anwendungen mit niedrigem Stromverbrauch und niedriger Datenrate zu unterstützen. Beide sind zwar theoretisch in der Lage, sich mit dem 5G-Kern zu verbinden, aber dazu müssten die MNO ihre Netze weiter umbauen, was bisher nicht geschieht. Daher wird der IoT-Verkehr weiterhin hauptsächlich über das 4G-Netz abgewickelt, und das wird auch noch eine Zeit lang so bleiben.
Herausforderungen bei der Einführung von 5G
Zur differenzierten Betrachtung des Eindrucks, dass 5G die anfänglichen Erwartungen nicht erfüllt, müssen die Herausforderungen verstanden werden, denen sich die Branche bei der Umstellung auf 5G-Netze gegenübersieht.
Um den Übergang zu 5G zu erleichtern und das Geschäftsmodell für MNO attraktiver zu machen, definieren die 3GPP-Spezifikationen zwei Varianten von 5G: Stand-Alone (SA) und Non-Stand-Alone (NSA). Die letztgenannte Variante ermöglicht es den MNO, eine Auswahl von 5G-Diensten anzubieten, die zum Teil von der bestehenden LTE-Netzinfrastruktur mit deutlich geringeren zusätzlichen Investitionen bereitgestellt werden können. So haben sich die meisten MNO für diesen ersten Weg zur Markteinführung entschieden und bieten 5G im mittleren Frequenzband (3,5 GHz) an. Derzeit haben von den 280 Dienstanbietern, die 5G eingeführt haben, nur etwa 40 SA-Netze eingerichtet. 5G-NSA bietet jedoch nicht die vollen Möglichkeiten von 5G, da wichtige Funktionen wie Network Slicing nicht verfügbar sind und die MNO nicht die volle Spektrumeffizienz oder den geringeren Energieverbrauch von 5G-SA nutzen können. Außerdem erfordern weitere Entwicklungen der 3GPP-Spezifikationen, einschließlich RedCap (siehe unten), den Umstieg auf 5G-SA.
Die Verfügbarkeit von Frequenzen ist für die meisten MNO ebenfalls eine große Herausforderung. Da das Mittelband zunehmend überfüllt ist, muss das LTE-Spektrum für die 5G-Nutzung umverteilt werden, was zu einem heiklen Balanceakt zwischen LTE-Nutzererlebnis und 5G-Verfügbarkeit führt. Obwohl 5G auf große Teile des Millimeterwellenspektrums zugreifen kann, erfordert dies noch mehr Investitionen der MNO in die Netzverdichtung und Millimeterwellentechnologie, was dazu geführt hat, dass die Millimeterwelle noch nicht weit verbreitet ist.
Wie oben bereits angesprochen, besteht eine der größten Herausforderungen für die MNO darin, IoT-Entwickler dazu zu bewegen, ihre Anwendungen von LTE weg zu verlagern. Obwohl LTE-M und NB-IoT als 5G-kompatibel dargestellt wurden, wird dies vom Ökosystem nicht unterstützt. Darüber hinaus wurde in den 3GPP-Releases 15 und 16 keine konkrete Lösung für die 5G-Migration von IoT-Anwendungen angeboten, die auf mittlere Datenübertragungsraten angewiesen sind, zum Beispiel solche, die mit LTE-Cat-1- und Cat-4-Verbindungen arbeiten.
Beseitigung der Hindernisse
Während die Einführung von 5G weiter voranschreitet, hat die Branche auf die oben genannten Herausforderungen reagiert und mehrere Initiativen ins Leben gerufen, um die Hindernisse zu beseitigen.
In Anbetracht der schleppenden Migration von IoT-Anwendungen wurde mit Release 17 der 3GPP-Spezifikationen, die im Juni 2022 veröffentlicht wurden, 5G RedCap (Reduced Capability) eingeführt. Mit dieser Version wurden die Spezifikationen von Release 15 erweitert, um die Kosten und Komplexität von 5G zu verringern und so LTE-Cat-1- und LTE-Cat-4-Anwendungen das Feld streitig zu machen. Eine zusätzliche Weiterentwicklung des Standards, eRedCap, ist in Release 18 enthalten, das im Juni 2024 veröffentlicht wurde und auf noch niedrigere Leistungs- und Komplexitätsanforderungen des bedeutenden Marktes abzielt, der derzeit von den Technologien LTE-M und NB-IoT unterstützt wird. Laut der GSA2 besteht innerhalb der weltweiten MNO-Branche ein wachsendes Interesse an 5G-SA. Rund 124 Betreiber in 58 Ländern investieren in öffentliche 5G-SA-Netze im Rahmen von Versuchsprogrammen sowie geplanten oder tatsächlichen Implementierungen. Die GSA beobachtet ein entsprechendes Wachstum bei der Anzahl der Geräte, die SA unterstützen, mit 97 angekündigten Modems oder Mobilgerät-Prozessoren/Plattform-Chipsätzen. Diese verstärkte Verbreitung von SA wird das Potenzial von 5G besser ausschöpfen und den Betreibern durch die schnellere und flexiblere Einführung von Diensten mit Network Slicing neue Umsatzmöglichkeiten eröffnen. Die effizientere Nutzung des Spektrums durch 5G-SA wird auch die Kosten bei den MNO senken. Außerdem sind 5G-SA-Netze für den 5G-RedCap-Standard erforderlich, was ein wichtiger Aspekt ist.
Mittlerweile konzentriert sich die globale Regulierungspolitik weniger auf die Monetarisierung des Frequenzspektrums, sondern vielmehr auf die Sicherstellung eines ausreichenden Frequenzspektrums, um das Wachstum der Mobilfunkdienste zu fördern. Auf der WRC-23 der ITU wurden Fortschritte bei der Harmonisierung des weltweiten Zugangs zu 6-GHz-Frequenzen für 5G-SA- und Wi-Fi-Technologien erzielt, was nicht-öffentlichen Netzen (NPN) zugutekommen könnte. Dies sind private Mobilfunknetze, die für spezielle Anforderungen von Unternehmen und Organisationen konzipiert sind, wie etwa Industrieautomatisierung, Logistik und Campus-Umgebungen. Diese Netze nutzen häufig sowohl Mobilfunk- als auch Wi-Fi-Konnektivität, die das neu zugewiesene Mittelbandspektrum bieten kann.
Verheißungsvolle Zukunft
Eine Bewertung der Aussichten für 5G in der Mitte des Jahres 2024 lässt mehrere Gründe erkennen, die für eine weitere Verbreitung optimistisch stimmen. Da das Frequenzspektrum ein entscheidender Faktor bei Mobilfunknetzen ist, wird die spektrale Effizienz von 5G-SA immer wichtiger, um die Überlastung im Mittelband zu verringern und die Betriebskosten der MNO zu senken. Außerdem wird 5G langfristig den Zugang zu großen Bereichen ungenutzter Frequenzen im Millimeterwellenband ermöglichen.
RedCap bietet MNO die Möglichkeit, von bisherigen und zukünftigen Investitionen in die 5G-Infrastruktur gewinnbringend zu profitieren, da diese Technologie die Kosten und Komplexität der Migration für IoT-Entwickler verringert. Die ersten RedCap-Geräte werden voraussichtlich Ende 2024 auf den Markt kommen, während die eRedCap-Technologie zwei Jahre später herauskommen soll. Analysten gehen davon aus, dass es bis zu 10 Jahre dauern kann, bis sich 5G gegenüber LTE bei der Masse der IoT-Geräte durchsetzt, aber es gibt bereits erste Anwendungsbereiche in Sektoren mit langen Gerätelebenszyklen, wie zum Beispiel schwere Maschinen und Messgeräte.
Netzbetreiber melden eine steigende Nachfrage nach industriellen Anwendungsfällen und NPN, da Unternehmen ihre Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit beständig weiter verbessern möchten. Dieser Trend kurbelt die Nachfrage nach 5G-Infrastruktur an und fördert die Entwicklung des Ökosystems. Auch die verlängerten Lebenszyklen von Industrieanlagen werden die Einführung von RedCap vorantreiben, insbesondere bei Produkten mit Lebenszyklen von mehr als 10 Jahren, da die LTE-Netze potenziell irgendwann auslaufen.
Fixed Wireless Access (FWA) entwickelt sich zu einem zentralen Anwendungsfall für 5G. In den letzten 12 Monaten hat die Zahl der Dienstanbieter, die FWA über 5G einführen, deutlich zugenommen. Derzeit bieten rund 53 Prozent diese Technologie an. Aus Sicht der MNO bringt FWA ein starkes Umsatzwachstum mit hohen Gewinnspannen und trägt dazu bei, ihre Investitionen in 5G in klingende Münze zu verwandeln.FWA ist auch der Schlüssel zur Überwindung der digitalen Kluft, denn rund 65 Prozent der weltweiten Einführungen der Technologie fanden in Schwellenländern wie Indien, Brasilien und Nigeria statt.
Die Wirtschaftlichkeit des Raumfahrtsegments hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert, da die Satellitenkapazität aufgrund der Startaktivitäten von Unternehmen wie Space X gestiegen ist. Release 17 von 3GPP umfasst zwei Standards, NR over NTN und IoT over NTN, die die Fähigkeit von 5G-Geräten (und solchen, die auf LTE-M- oder NB-IoT-Technologie angewiesen sind) zum Roaming in nicht-terrestrischen Netzen (NTN) vereinfachen. Diese neue Fähigkeit hat Auswirkungen auf diverse industrielle Anwendungen wie beispielsweise die LKW-Logistik, die Schifffahrt, die Verfolgung und Überwachung von Assets sowie auf unbemannte Luftfahrzeuge (UAVs), bei denen die Satellitenkommunikation die primäre Form der Konnektivität ist.
Die Realität nach dem Hype
Die 5G-Dienste kamen vor über fünf Jahren unter großem Trubel auf den Markt und versprachen, unser Arbeits- und Privatleben grundlegend zu verändern. Die anfänglichen Erwartungen unterschätzten jedoch die Zeit, die die Welt zur Einführung einer so ambitionierten Netzwerktechnologie braucht, und mit der Realität der Umstellung haben sich die Vorstellungen geändert.
Auch wenn einige Beobachter die Notwendigkeit von 5G vielleicht in Frage stellen, arbeitet die Branche im Stillen daran, die vielen Herausforderungen auf dem Weg zur vollständigen Einführung zu bewältigen. Insofern ist 5G ist weiterhin auf dem besten Weg, unser Leben zu verändern.