Die Technische Universität Berlin (TU Berlin) und das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) haben die Ergebnisse ihrer Potenzialanalyse „Bauhütte 4.0 – Innovations- und Produktionsstandort für den urbanen Holzbau“ vorgestellt. Die Studie wurde von der landeseigenen Tegel Projekt GmbH beauftragt. Diese wird ab 2021 auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel unter anderen das Schumacher Quartier, ein Modellquartier für den urbanen Holzbau, entwickeln.
Holz ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheit, der angesichts der wachsenden Bedeutung nachhaltigen Bauens eine Renaissance erlebt. Und das, obwohl Holzbau derzeit noch 10-15 Prozent teurer als Massivbau ist.
20-25 Prozent günstiger bauen
Ab 2021 entsteht nun im östlichen Teil des ehemaligen Flughafens Tegel das mit mehr als 5.000 Wohnungen größte Holzbau-Viertel weltweit: das Schumacher Quartier. Klimaneutral soll es sein und auch bezahlbar – sowohl für Bauherren als auch für die späteren Mietparteien. Hier soll ein System etabliert werden, mit dem mittelfristig um 20-25 Prozent günstiger gebaut werden kann als bei konventioneller Bauweise. Dabei werden gleichzeitig 80 Prozent klimaschädliche Emissionen eingespart.
Wie dies gelingen kann, untersuchten von Mai bis Oktober 2020 die TU Berlin und das Fraunhofer IPK. Im Rahmen der Studie wurden ein Drei-Ebenen-Wertschöpfungsmodell „System urbaner Holzbau für die Hauptstadtregion“ entwickelt, Herausforderungen zur Etablierung identifiziert, Handlungsempfehlungen ausgesprochen und Implementierungsebenen benannt.
Im Ergebnis wurde die sogenannte Bauhütte 4.0 beschrieben, die eine Grundlage für das effiziente Bauen mit Holz in urbanem Maßstab schafft, um die CO2-Ziele auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene zu erreichen und Städte zum CO2-Speicher zu transformieren.
Der Name Bauhütte 4.0 bezieht sich auf die Idee der Dombauhütte, die auch prägender Gedanke des Bauhauses war. Der Geist der interdisziplinären Ideenschmiede von damals soll in ihr fortleben: Abermals kommen in der Bauhütte 4.0 kluge, kreative Köpfe zusammen, um auf neuen Wegen qualitatives Bauen durch industrielle Fertigung erschwinglich zu machen. Von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bis hin zum fertigen Holzbau-Quartier – in Berlin TXL soll all das an einem Ort abgebildet werden.
Langfristiges Ziel
Das langfristige Ziel ist es, mit der der Bauhütte 4.0 einen internationalen Leuchtturm aufzubauen, der durch einen ganzheitlichen Digitalisierungsansatz in Kombination mit innovativer Produktionstechnologie und einer integrativen Wertschöpfungskette aus Berlin heraus die europäische Baukultur nachhaltig beeinflusst. Darüber hinaus soll der Wirtschaftsstandort Berlin-Brandenburg durch den Aufbau einer skalierbaren Industrie profitieren und gleichzeitig eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der gesetzten Digitalstrategie übernehmen.
Erste Schritte auf diesem Weg sind getan. Mit dem digitalen Expertenforum „Schumacher Quartier im Dialog“ wurde die Idee der Bauhütte 4.0 als Prototyp für nachhaltige Stadtentwicklung unter Fachleuten und Interessierten diskutiert. Die inhaltliche Vertiefung des Themas sowie Konkretisierungen zur Umsetzung sollen folgen.
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher: „Schon heute hat Holzbau eine höhere Präsenz im Stadtbild und wird intensiv für öffentliche Bauaufgaben genutzt – sei es im Wohnungsbau oder auch im Schul- und Kitabau, wo wir das Baumaterial Holz spürbar in den Mittelpunkt unserer erfolgreich umgesetzten Baumaßnahmen gerückt haben. Wir sind bereits im vielfältigen Diskurs zum Thema Holzbau, beseitigen Hemmnisse, verbessern Strukturen und fördern Pilot- und Innovationsprojekte. Damit will Berlin seiner Vorbildfunktion gerecht werden und möglichst viele Städte zur Nachahmung motivieren.“
Statements der Beteiligten
Prof. Raoul Bunschoten, Leiter des Fachgebiets Städtebau und nachhaltige Stadtentwicklung an der Technischen Universität Berlin: „Nachhaltige Stadtentwicklung erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette im urbanen Holzbau und bedarf innovativer Architekturkonzepte. In der Bauhütte 4.0 soll dies unter Betrachtung des Lebenszyklus von Bauwerken, gewissermaßen ‚vom Wald zur Stadt‘, erreicht werden.“
Prof. Dr.-Ing. Holger Kohl, Stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK): „Wir haben Handlungsempfehlungen entwickelt, die zur Realisierung nachhaltiger und sozialer Wohnbauprojekte wie dem Schumacher Quartier beitragen können. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen zur erfolgreichen Erschließung und Einführung von Technologien zur vernetzten intelligenten Produktion im Sinne von Industrie 4.0.“
Prof. Dr. Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH: „Der Kampf gegen den Klimawandel kann nur durch radikale Digitalisierung gelingen und führt uns unumgänglich zum Bauen mit Holz auf urbanem Maßstab. Mit der Realisierung des Schumacher Quartiers in Holzbauweise leisten wir einen klaren Beitrag zum Klimaschutz und schaffen bezahlbaren Wohnraum. Die Bauhütte 4.0 könnte dem klimafreundlichen Bauen zum Durchbruch verhelfen und ein Kristallisationspunkt für ein neues Cluster des innovativen Holzbaus sein.“