Interview über aktuelle Herausforderungen in der Industrie „Nachhaltigkeit sichert den Unternehmenserfolg“

Philipp Steinberger, CEO von Wöhner, im Interview mit Energy 4.0.

Bild: Wöhner
25.05.2022

Die Industrie steht vor großen Herausforderungen: fragile Lieferketten, steigende Rohstoffpreise, Forderung nach mehr Nachhaltigkeit und die digitale Transformation nicht versäumen. Hier hilft nur proaktives Handeln, erläutert Philipp Steinberger, CEO von Wöhner, im Interview mit Energy 4.0. Der Spezialist und Partner für Energieverteilung, Steuerungstechnik und erneuerbare Energien sieht diese Herausforderungen vor allem als Chance für die Zukunft seines Unternehmens.

Lieferketten sind unsicher, Energie- und Rohstoffpreise steigen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Von dieser Situation sind momentan leider alle betroffen, sowohl wir als Hersteller als auch unsere Kunden. Unsere gute Auftragslage würde es uns ohne Lieferketteneinschränkungen derzeit sogar erlauben, mehr zu produzieren. Die durch die Corona-Pandemie ohnehin fragilen Lieferketten sind durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine, den wir aufs Schärfste verurteilen, jedoch erneut stark unter Druck geraten. Das absolut Wichtigste ist für uns ein offener und vor allem proaktiver Dialog mit unseren Kunden. Außerdem erarbeiten wir bei eventuellen Lieferschwierigkeiten gemeinsam mit dem Kunden alternative Lösungsvorschläge. So stellen wir uns aktuell beispielsweise die Frage, ob bestimmte Baugruppen weggelassen werden können, weil sie für die Problemlösung des Kunden nicht zwingend notwendig sind, um so Lieferprobleme zu vermeiden. Wir möchten durch diesen Dialog mit dem Kunden insbesondere in der derzeit angespannten Lage das gegenseitige Verständnis stärken und die partnerschaftliche Zusammenarbeit fördern.

Wie sehr helfen Ihnen dabei digitale Prozesse, Lieferengpässe besser zu managen?

Ohne Digitalisierung der Logistik- und Produktionskette wäre eine Vorhersage von Lieferfähigkeiten gar nicht mehr möglich. Hier muss man bedenken, dass es für bestimmte Materialien und Rohstoffe Lieferzeiten von bis zu zwei Jahren gibt. Ohne Digitalisierung und Transparenz in der Logistik- und Produktionskette wäre es gerade derzeit noch schwieriger, eine verlässliche Planung zu machen. In der Produktion gehen wir immer in Vorleistung auf Basis unserer Prognose und beginnen nicht erst zu produzieren, wenn der Kunde bestellt. Das alles gelingt uns nur, weil wir bei Wöhner einen sehr hohen Stand der Digitalisierung bei den Logistik- und Produktionsketten vorweisen können.

Bedeutet Digitalisierung der Produktionsprozesse für Wöhner mehr als nur Transparenz über die Auslastung zu haben?

Definitiv! Bei unserem kontinuierlichen Wachstum spielt die Digitalisierung eine wesentliche Rolle. Wir fertigen auf Basis unserer Prognose und stoßen damit die entsprechenden Fertigungsaufträge an. Digital gesteuert bringen unsere autonomen Flurförderfahrzeuge die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Maschine oder den Arbeitsplatz. Anschließend startet die mittlerweile überwiegend halbautomatische oder vollautomatische Produktion – inklusive der digitalisierten Qualitätsüberwachung. Die Produkte gehen danach vollautomatisch zurück in das Warenverteilzentrum. Die Mitarbeiter bekommen 
automatisch aus dem Warenlager die Produkte an den Verteilerparkplatz gefahren. Nur dank der Digitalisierung, der damit einhergehenden Transparenz aller Prozesse sowie den automatisierten Warenflüssen konnten und können wir den Output unserer Produktion steigern. Natürlich laufen nicht alle Prozesse von Anfang an perfekt, aber man verbessert sich kontinuierlich und auch hier hilft uns die Digitalisierung, Optimierungspotenzial zu finden.

Die Digitalisierung ist für Sie doch sicherlich auch ein Grundbaustein, um den CO2-Footprint zu reduzieren?

Messen, erfassen, transparent machen! Das funktioniert nur mit Digitalisierung und natürlich benötigen wir die Daten, um die Energieeffizienz in der Produktion zu erhöhen. Wichtig ist allerdings, aus den Daten auch die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Wie steuere ich also meine Maschinen und Prozesse, um möglichst ressourcenschonend zu agieren? Und hier geht es nicht nur um die Vermeidung von hohen Spitzenlasten und Energie-Peaks, sondern auch um eine schlaue Intralogistik zur Vermeidung unnötiger Materialtransporte.

Wöhner will spätestens bis 2029 klimapositiv werden: Welche Maßnahmen treffen Sie denn konkret für mehr Ressourcenschonung?

Wir sind schon 2021 klimaneutral gewesen. Das war allerdings nur ein erster Schritt auf unserer Reise – auch mithilfe von CO2-Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten. Wir wollen aber künftig nichts mehr kompensieren müssen und stecken viel Aufwand in unsere eigene Energieversorgung. Neben dem Bezug von Biostrom investieren wir in eine eigene Solaranlage in Kombination mit Windkraft von Windrädern auf unserem Firmengelände. Zudem tauschen wir in diesem Jahr unsere Heizanlage aus. Außerdem betreiben wir bereits eine große Flotte von E-Autos, die mit Biostrom gespeist wird. Zusätzlich bauen wir immer noch weitere Messstellen für die Analyse von Verbrauchern auf, um den Energiebedarf kontinuierlich zu optimieren. Neue energieeffiziente Maschinen sind ebenfalls ein maßgeblicher Bestandteil, um den CO2-Footprint kleiner zu machen. Besonders im Bereich Kunststofftechnik lassen sich mit modernen Maschinen enorme Hebel bewegen. Auch entwickeln wir unsere eigenen Produkte dahingehend, dass wir weniger Material benötigen, den Energieverbrauch weiter reduzieren und die bereits sehr hohe Lebensdauer für noch mehr Nachhaltigkeit ebenfalls erhöhen.

Sie erwähnten die Reduzierung von Material bei Ihren Produkten. Wo können Sie hier sparen?

Früher wurden Produkte sehr massiv ausgeformt. Durch Simulation und Berechnung lässt sich aber viel Metall einsparen, weil nur noch an neural­gischen Stellen der verstärkte Einsatz notwendig ist, beispielsweise wenn es um Strom- und Wärmeleitfähigkeit geht. Auch bei Kunststoffen reduzieren wir den Materialeinsatz, wir können dann kompaktere und effizientere Produkte entwickeln. Damit reduzieren wir über die gesamte Wertschöpfungskette den Ressourceneinsatz, denn wir denken hier immer ganzheitlich. Wir denken aber nicht nur über die Reduzierung von Materialien nach, sondern auch über die Art des Materials. So haben wir bei unserem neuen elektronischen Motor­starter Motus C14 erstmals biobasierte Kunststoffe eingesetzt. Diese biologisch hergestellten Kunststoffe werden überwiegend aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen produziert und reduzieren so den CO2-Footprint weiter und machen uns unabhängiger vom Erdöl.

Können Wöhners Produktlösungen auch zur Reduktion des Energiebedarfs bei Ihren Kunden beitragen?

Das können sie, insbesondere unser Energieverteilungssystem Crossboard. Damit bringen wir Ordnung und Systematik in den Schaltschrank und sorgen so für einen effizienten und damit auch ressourcenschonenden Aufbau. Dann achten wir bei unseren Produkten sehr darauf, dass sie eine optimale Energieeffizienz aufweisen und so die Verlustleistung minimiert wird. Außerdem sind unsere Lösungen für ihre hohe Qualität und Langlebigkeit bekannt und unterstützen damit die Nachhaltigkeit. Unsere Energieverteilungslösungen kommen deshalb auch häufig in Windkraft- und Photovoltaikanlagen zum Einsatz. Sie sehen, Wöhner sorgt also auch für die zuverlässige Bereitstellung alternativer Energien.

Warum sollen Kunden Wöhner wählen, wenn es um Lösungen rund um elektrische Energie geht?

Weil Wöhner einen Systembaukasten anbietet, mit dem Kunden auf sehr 
effiziente und nachhaltige Weise mit perfekt aufeinander abgestimmten Komponenten Lösungen aufbauen können. Die Modularität unserer Lösungen gibt Kunden auch die Möglichkeit, jederzeit mit wenig Aufwand andere Designs zu realisieren. Neben den hochqualitativen Produkten und unserer gelebten Nachhaltigkeit sprechen vor allem unsere guten und intensiven Kundenbeziehungen für uns. Gerade in turbulenten Zeiten wie diesen stehen eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit, Dialog und Offenheit für uns im Fokus. Schließlich wollen wir Kunden dazu befähigen, dank unserer Lösungen möglichst viele Aufträge durchzuführen.

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