Statement Energieversorgung Netz als Rückgrat der Energiewende

Dr. Christian Rüster, Mitglied der Geschäftsleitung bei A.Eberle

Bild: A.Eberle
25.05.2022

Wie wird die Energieversorgung in Zukunft sichergestellt? Dies und weitere Punkte erörtern Dr. Christian Rüster, Mitglied der Geschäftsleitung, und Gerald Jacob, Produktmanager Kurzschluss- & Erdschlussortung/Erdschlusskompensation, bei A.Eberle.

Allerorts stehen die Zeichen der Zeit auf Dekarbonisierung und Klimaneutralität. Schon das Ende Juni 2020 verabschiedete „verschärfte Klimaschutzgesetz“ identifiziert in der Energiewirtschaft das größte Einsparpotenzial aller Sektoren in Deutschland mit einer Reduktion von über 60 Prozent der 2020 ausgestoßenen CO2-Menge bis 2030. Die dadurch erforderlichen gesamtgesellschaftlichen Umbaumaßnahmen werden ohne Zweifel weiter durch den von der neuen Ampel-Koalition bis 2030 erwünschten vollständigen Kohleausstieg verschärft.

Das elektrische Jahrzehnt

Ein wichtiger Weg zur Dekarbonisierung der Industriegesellschaft führt über die Elektrifizierung. Eurelectric, der Branchenverband der europäischen Elektrizitätsindustrie, fordert deshalb den systematischen Ausbau von E-Mobilität, elektrischen Wärmepumpen und erneuerbaren Energien. Sollen die 2020er-Jahre so zum „elektrischen Jahrzehnt werden“, kommt natürlich der Energieinfrastruktur eine tragende Rolle zu. Das Netz der Zukunft bildet laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz „das Rückgrat einer gelungenen Energiewende“.

Um dieses Ziel zu erreichen, muss das derzeit hohe Niveau bei Versorgungsqualität und -sicherheit aufrechterhalten werden. Es gilt, volatile Einspeise- und Verbrauchssituationen durch eine geeignete Ertüchtigung der Netze auszugleichen. Dass die Messlatte hoch hängt, zeigen dabei Daten der Bundesnetzagentur von 2020: Mit einer durchschnittlichen Unterbrechungsdauer je angeschlossenem Letztverbraucher von lediglich 10,73 Minuten befinden wir uns auf einem Allzeit-Tief. Zum Vergleich: In den USA liegt dieser Wert bei 284 Minuten und bei unseren Nachbarn in Polen bei 78,6 Minuten.

Welche technischen Maßnahmen sind hier erforderlich? Einen Hinweis gibt die erwartbar hohe Zahl an dezentralen Einspeisern wie Solaranlagen im Nieder- und Mittelspannungsnetz. Der klassische Netzbetrieb wird dabei an seine Grenzen geführt. Um die Komplexität zu beherrschen und die notwendigen Aufgaben in der Vielzahl der Netze überhaupt noch durchführen zu können, werden umfangreiche Automatisierungsfunktionen und ein gesteigertes Maß an Vernetzung benötigt. Man denke an dieser Stelle alleine an die von der Ampelregierung angekündigte Photovoltaik-Pflicht für alle Neubauten.

Intelligente Ortsnetzstation notwendig

Dieser Veränderungsprozess führt laut ED Netze dazu, dass „die Stromnetze auf allen Spannungsebenen daher […] ein smartes Einspeise- und Lastmanagement benötigen“. Ein essenzieller Baustein, um diese Veränderung erfolgreich zu bewältigen, ist die intelligente Ortsnetzstation (iONS), die sich an der Schnittstelle zwischen Netzebenen und der Verteilung im Niederspannungsnetz befindet.

„Intelligenz“ bedeutet hier, dass diese Ortsnetzstationen neuester Generation im dezentralen System nicht nur für die starre Verteilung zuständig sind, sondern sie müssen auch Aufgaben im Bereich Messen, Steuern, Regeln und Kommunizieren übernehmen. In Deutschland sind Ortsnetzstationen in der Regel so konzipiert, dass sie etwa 100 Kunden versorgen – ihre Gesamtzahl liegt in den Hunderttausenden. Einfache, nicht intelligente Stationen sind dabei nicht ferngesteuert, sondern nur manuell schaltbar.

Für Umschaltungen im gestörten Betrieb, zum Beispiel zur Fehlereingrenzung im Falle eines Erdschlusses muss Servicepersonal zur Station fahren, weil keine oder lediglich binäre (Erdschluss vorwärts/rückwärts, Life-Kontakt) Kommunikations-Anbindungen vorhanden sind. Ein aktiver Netzbetrieb mit den für die Netzstabilität notwendigen Eingriffen wie einer Lastflusssteuerung auf Ortsnetzstationsebene ist so nicht möglich.

Unseren Schätzungen zufolge müssten für eine intelligente Steuerung des Netzes etwa 10 – 20 Prozent aller Ortsnetzstationen zu intelligenten Ortsnetzstationen umgerüstet werden. Doch auch die operative und finanzielle Nachhaltigkeit beim Netzbetreiber muss beachtet werden. Um die hohe Zahl der notwendigen intelligenten Ortsnetzstationen (kosten-)effektiv handhaben zu können, werden unter anderem folgende Bereiche hochrelevant:

  • Management & Operations-Funktion: notwendig für Massenrollouts (Änderung von Parametrierungen, Firmware- & Funktions-Erweiterungen)

  • Netzmonitoring und Netztransparenz: breite Verfügbarkeit aktueller Messdaten für die effektive Zusammenarbeit der unterschiedlichen Unternehmensbereiche (Netzplanung, Asset-Management, Sekundärtechnik, Primärtechnik, Service, Arbeitssicherheit)

  • IT- und Informationssicherheit – eindeutige Identifizierbarkeit aller Betriebsmittel und Härtung gegen Hackerangriffe

Diese veränderten Anforderungen haben selbstverständlich auch einen Einfluss auf die Anforderungen zukünftiger Geräte. Schon früh haben wir diesen Trend erkannt und unser Produktportfolio smart und vernetzt gestaltet.

Einen für die intelligente Ortsnetzstation wichtigen Baustein liefert die Firma A. Eberle mit den Produkten der Kurzschluss- & Erdschlussortung. Unser leistungsstärkstes Gerät in dieser Produktgruppe, das EOR-3D, wurde als kombinierter Kurzschluss- und Erdschlussanzeiger mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Verfahren ausgestattet. Es wurde eigens für Unterstationen und Umspannwerke entwickelt und für deren Bedürfnisse angepasst.

EOR-3DS

Im Zuge der Umrüstung auf die intelligente und volldigitale Ortsnetzstation ist aus unserem ursprünglichen eigenständig für sich arbeitendem Kurzschluss- und Erdschlussanzeiger somit ein vollvernetztes, kommunizierendes und intelligentes Gerät geworden. Wir sind unserer Namensgebung treu geblieben und haben es EOR-3DS genannt, wobei die „3S“ für die neuen Kernfunktionen SCADA, Security und intelligentes Schalten (Switching) stehen.

Unter diesen drei Stichwörtern sehen wir die Lösung für die an die intelligente Ortsnetzstation gestellten Anforderungen im Bereich intelligente und smarte Kurzschluss- & Erdschlussortung:

SCADA

  • Leittechnische Anbindung und als Leittechnik Gateway nutzbar

  • MQTT: Industrial IOT (IIoT) und Fernwartung via Management & Operations

  • 2x Ethernet für Prozess-/Stationsbus beziehungsweise Fernwartung/Stationsbus

Security

  • TCP/IP Verschlüsselung mit Software

  • Verschlüsselte Kommunikation via MQTT inklusive Zertifikatshandling

  • Benutzermanagement (Rollen/Nutzer Konzept)

Switching

  • Vier Relais für das Schalten von Motor Control Units

  • Freie Programmierbarkeit, das heißt intelligente Zusatzfunktionen einfach realisierbar

  • Kompatibilität zu einer Vielzahl an Sensortypen und Herstellern

Der Funktionsumfang und die Flexibilität des EOR-3DS helfen dem Netzbetreiber, die Herausforderungen der künftigen Energienetze zu meistern. Durch nachträgliche Firmware Upgrades über die Management- & Operations-Funktion kann auch auf Problemstellungen reagiert werden, die zum heutigen Zeitpunkt noch nicht bekannt sind.

Man merkt deutlich: Die Welt von morgen wird auch im Energieversorgungsbereich smarter, automatisierter und vernetzter. Dies betrifft nicht nur die großen Energieerzeuger und Übertragungsnetzbetreiber, sondern erstreckt sich bis an die äußersten Ränder des Verteilnetzes. Denn eins sollte sich in dieser Zeit des Umbruchs keinesfalls ändern: Die sehr gute Versorgungsqualität beim Endverbraucher.

Bildergalerie

  • Gerald Jacob, Produktmanager Kurzschluss- & Erdschlussortung/Erdschlusskompensation bei A.Eberle

    Gerald Jacob, Produktmanager Kurzschluss- & Erdschlussortung/Erdschlusskompensation bei A.Eberle

    Bild: A.Eberle

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