Atomare Schichten wabenförmig angeordneter Kohlenstoffatome gelten als das Supermaterial schlechthin. Doch die besondere Leistungsfähigkeit solcher hauchdünner Graphen-Nanolagen bleibt oft auf der Strecke, wenn diese zu Folien zusammengefügt werden, da sie nur durch relativ schwache Wechselwirkungen, vor allem Wasserstoffbrücken, zusammengehalten werden. Ansätze, die mechanischen Eigenschaften von Graphenfolien durch Einbringen stärkerer Wechselwirkungen zu verbessern, waren bisher nur teilweise erfolgreich: Vor allem Dehnbarkeit und Zähigkeit der Folien lassen zu wünschen übrig.
Das Team um Xuzhou Yan von der Jiaotong-Universität in Shanghai, China, hat deshalb einen neuartigen Ansatz gewählt: die Quervernetzung von Graphen-Nanolagen über mechanisch verzahnte Moleküle. Deren Bausteine sind nicht chemisch verknüpft, sondern untrennbar räumlich ineinander verschränkt.
Ringförmige Moleküle als Schlüssel
Die Wahl der Forscher fiel auf sogenannte Rotaxane. Ein Rotaxan besteht aus einem „Rad“ (großes ringförmiges Molekül), das auf eine „Achse“ (molekulare Kette) „aufgefädelt“ ist. Voluminöse Achsen-Endstücke verhindern das Abfädeln. Das Team konstruierte die Achse so, dass sie eine geladene Gruppe (Ammoniumgruppe) enthält, die das Rad in einer bestimmten Position hält. Sowohl an der Achse als auch am Rad wurde über ein Verbindungsstück je ein molekularer „Anker“ (OH-Gruppe) angeknüpft.
Das Graphen wird zunächst zu Graphenoxid oxidiert. Dabei werden verschiedene sauerstoffhaltige Gruppen auf beiden Seiten der Graphenlage gebildet, unter anderem Carboxylgruppen, an die die OH-Gruppen binden können (Veresterung). Rad und Achse sorgen so für eine Quervernetzung der Lagen. Anschließend wird das Graphenoxid wieder zu Graphen reduziert.
Stärker, dehnbarer, zäher
Werden die in diesem Prozess hergestellten Folien gedehnt oder gebogen, müssen zunächst die Anziehungskräfte zwischen der Ammoniumgruppe der Achse und dem Rad überwunden werden, was die Zugfestigkeit erhöht. Bei weiterer Belastung wird die Achse bis zum „Anschlag“ am Stopper durch das Rad gezogen und die Verbrückung dadurch verlängert. Die einzelnen Nanoschichten können so gegeneinander gleiten.
Das erhöht die Dehnbarkeit deutlich: Flexible Elektroden aus den Graphen-Rotaxan-Folien ließen sich um bis zu 20 Prozent dehnen oder wiederholt biegen, ohne beschädigt zu werden. Dabei blieb ihre hohe elektrische Leitfähigkeit erhalten. Erst bei einer Dehnung von mehr als 23 Prozent kam es zum Bruch. Im Vergleich zu Folien ohne Rotaxane waren die neuen Folien deutlich stärker (247,3 versus 74,8 MPa), dehnbarer (23,6 versus 10,2 Prozent) und zäher (23,9 versus 4,0 MJ/m3). Außerdem konstruierte das Team ein einfaches Greifwerkzeug mit mechanischen Gelenken, die mit den neuartigen Folien ausgestattet und betätigt wurden.