Technologiesprung bei Windenergie Neue Rotorblätter verbessern Effizienz von Offshore-Windkraftanlagen

Das neue Profil im Windkanal von WindGuard Engineering in Bremerhaven: Hier konnte das Projektteam das neue Profil im Modellmaßstab testen.

Bild: Deutsche WindGuard Engineering
21.11.2024

Die Windkraft ist 2023 mit 32 Prozent des produzierten Stroms eine Säule der Energiewende. Ein Forschungsteam der FH Kiel untersuchte die aerodynamische Gestaltung von Rotorblättern. Der Schwerpunkt lag auf dem Übergangsbereich nahe der Nabe, der bislang nicht nach aerodynamischen Gesichtspunkten entworfen wird. Das Team entwickelte und simulierte neue Profile und erzielte eine Ertragssteigerung von bis zu vier Prozent. Praxistests zeigten, dass nachträglich installierte aerodynamische Hilfsmittel wie Vortex-Generatoren und Splitterplatten den Wirkungsgrad weiter verbessern. Diese Entwicklungen könnten signifikante wirtschaftliche Vorteile für Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen bieten.

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen verbessert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der bislang nicht nach aerodynamischen Gesichtspunkten entworfen wird. Die Ergebnisse des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 230.000 Euro geförderten Projekts sind vielversprechend: Der Stromertrag von Anlagen der 10-Megawatklasse, die speziell für den Offshore-Bereich konzipiert wurden, könnte um bis zu vier Prozent gesteigert werden.

Die Windkraft ist eine wichtige Säule der Energiewende. Mit 32 Prozent des produzierten Stroms im Jahr 2023 leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung. Beim Design der Windenergieanlagen gilt den Rotorblättern besondere Aufmerksamkeit: Sie wandeln die kinetische Energie des Windes in Rotation um; Generatoren transformieren diese Bewegung in Strom. Damit dies optimal funktioniert, erhalten die Rotorblätter ein aerodynamisches Profil, mit Ausnahme der ersten 20 Prozent nahe der Rotornabe. Ihn haben Ingenieure bisher ohne die Berücksichtigung aerodynamischer Gesichtspunkte entwickelt. „In diesem Bereich ist der Flügel vergleichsweise dick, was eine kompliziertere Umströmung mit sich bringt“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Alois Schaffarczyk.

Aerodynamische Herausforderungen im Übergangsbereich

Schaffarczyk hat sich als Professor für Technische Mechanik und Mathematik drei Jahrzehnte lang an der FH Kiel mit Windkraftanlagen und deren Optimierung befasst. Das Forschungsprojekt „Entwicklung und Vermessung von sehr dicken aerodynamischen Profilen für Windturbinenblätter“ war sein letztes Projekt als FH-Professor. Schaffarczyk wollte herausfinden, was passiert, wenn man das Profil des sogenannten Übergangsbereichs des Rotorblattes aerodynamisch auslegt. Unterstützt wurde er dabei von Zhong-Xia Wang (Gastwissenschaftler aus Beijing, China) und Brandon Lobo (Doktorand aus Indien).

Ihr Forschungsprojekt führten die Wissenschaftler an einem generischen Blatt der 10-Megawattklasse durch. Diese Windkraftanlagen sind speziell für den Offshore-Einsatz konzipiert und zeichnen sich durch beeindruckende Abmessungen aus: Die Nabenhöhe beträgt über 140 m, der Rotordurchmesser liegt bei rund 200 m, die Rotorblätter sind über 90 m lang. Der vom Team ins Visier genommene Bereich umfasst die inneren 15 m des Rotors, und damit eine umstrichene Fläche von circa 750 m2.

Vielversprechende Ergebnisse für Offshore-Windkraftanlagen

Die Forscher entwarfen mehrere geeignete Profile, identifizierten die Vielversprechendsten und simulierten ihr Strömungsverhalten mit sogenannten CFD-Modellen. Auf Basis dieser Berechnungen verfeinerte das Projektteam das Profil und baute das Blattprofil mit den besten Eigenschaften als reales Modell. Beim Bau des Modells unterstützte das Rendsburger Unternehmen Aerovide. Das Deutsche Unternehmen WindGuard Engineering begleitete die gesamten Entwicklungsprozesse und brachte ihr Know-how aus Untersuchungen an Rotorblättern im Freifeld und im Windkanal ein.

Im Großwindkanal der Deutschen WindGuard in Bremerhaven führte das Team aerodynamische Messungen durch. Die Ergebnisse der Tests sind vielversprechend: Das im Projekt entwickelte aerodynamische Profil ermöglicht einen bis zu vier Prozent höheren Stromertrag. „Das wäre extrem viel“, betont Schaffarczyk, „damit könnte der Gewinn maßgeblich gesteigert werden.“

Weitere Ertragssteigerung durch aerodynamische Hilfsmittel

Zusätzlich berücksichtigte das Projektteam aerodynamische Hilfsmittel wie sogenannte Vortex-Generatoren und Splitterplatten. Beide können im Nachhinein an Rotorblätter angebracht werden, zum Beispiel im Rahmen regulärer Wartungsarbeiten. Sie helfen, den aerodynamischen Wirkungsgrad der Rotorblätter zu optimieren und Strömungsabrisse zu reduzieren.

„Beim Einsatz dieser aerodynamischen Hilfsmittel konnten wir sogar zusätzliche signifikante Veränderungen der Auftriebs- und Widerstandseigenschaften beobachten und damit eine weitere Leistungssteigerung“, erklärt Nicholas Balaresque, Geschäftsführer bei WindGuard Engineering. „Wir sind überzeugt davon, mit unserem Forschungsprojekt eine wichtige technologische Lücke geschlossen zu haben“, ergänzt Schaffarczyk. „Es wäre wirklich bedauerlich, wenn Anlagenhersteller diese Chance zur Ertragssteigerung nicht nutzen würden.“

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