Laut der „International Technology Roadmap of Photovoltaics“ könnten bifaziale Solarzellen bis 2030 einen Anteil von 70 Prozent des gesamten Photovoltaikmarktes erobern. Obwohl solche bifaziale Solarzellen auf der Basis von Siliziumwafern bereits am Markt sind, hinken Dünnschichtsolarzellen noch hinterher. Das ist zumindest teilweise auf den eher geringen Wirkungsgrad bifazialer CIGS-Dünnschichtsolarzellen zurückzuführen, der mit dem Aufbau der Solarzelle zusammenhängt.
Damit eine bifaziale Solarzelle das reflektierte Sonnenlicht auf ihrer Rückseite aufnehmen und in Strom umwandeln kann, muss der rückseitige elektrische Kontakt optisch transparent sein. Dies wird durch die Verwendung eines transparenten leitfähigen Oxids erreicht, das den normalerweise lichtundurchlässigen Rückseitenkontakt in konventionellen, das heißt monofazialen Solarzellen aus Molybdän ersetzt. Genau hier beginnen allerdings die Probleme: Hocheffiziente CIGS-Solarzellen werden in der Regel in einem Hochtemperatur-Abscheideverfahren hergestellt, bei Temperaturen über 550 °C. Bei diesen Temperaturen kommt es jedoch zu einer chemischen Reaktion zwischen dem Gallium (in der CIGS-Schicht) und dem Sauerstoff des transparenten Rückkontakts – ein Oxid. Die daraus resultierende Galliumoxid-Grenzschicht blockiert den Fluss des Solarstroms und verringert somit die Energieumwandlungseffizienz der Zelle.
Schädliches Oxid loswerden
Die höchsten bisher in einer einzelnen Zelle erreichten Werte liegen bei neun Prozent für die Vorderseite und 7,1 Prozent für die Rückseite. „Es ist wirklich schwierig, eine gute Energieumwandlungseffizienz für Solarzellen mit transparenten leitenden Kontakten sowohl auf der Vorder- wie auch auf der Rückseite zu erreichen“, sagt Ayodhya N. Tiwari, Leiter des Empa-Labors für Dünnschicht und Photovoltaik.
Deshalb hat der Doktorand Shih-Chi Yang in der Forschungsgruppe von Romain Carron in Tiwaris Labor einen neuen Niedertemperatur-Abscheidungsprozess entwickelt, bei dem deutlich weniger des unerwünschten Galliumoxids entstehen sollte – im Idealfall gar keines. Die Forscher fügten eine winzige Menge Silber hinzu, um den Schmelzpunkt der CIGS-Legierung zu senken und Lichtabsorberschichten mit guten elektronischen Eigenschaften bei gerade einmal 350 °C Abscheidungstemperatur zu erhalten. Und tatsächlich: Als sie die Mehrschichtstruktur mithilfe von Tiwaris ehemaligem Postdoc Tzu-Ying Lin, der zurzeit an der National Tsing Hua University in Taiwan arbeitet, mit hochauflösender Transmissionselektronenmikroskopie analysierten, konnte das Team keinerlei Galliumoxid an der Grenzfläche detektieren.
Energieausbeute über 33 Prozent steigern
Das Fehlen des Oxids schlug sich in einer drastisch verbesserten Energieumwandlungseffizienz nieder: Die Zelle lieferte Werte von 19,8 Prozent für die Vorderseite und 10,9 Prozent für die Rückseite. Beide Wirkungsgrade wurden vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg unabhängig bestätigt – in derselben Zelle auf einem Glassubstrat. Darüber hinaus gelang es dem Team, eine bifaziale CIGS-Solarzelle auf einem flexiblen Polymersubstrat herzustellen, die aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer Flexibilität das Spektrum möglicher Anwendungen stark erweitern könnte. Schließlich kombinierten die Forscher noch zwei Photovoltaik-Technologien – CIGS- und Perowskit-Solarzellen – zu einer bifazialen „Tandemzelle“.
Laut Tiwari hat die bifaziale CIGS-Technologie das Potenzial, Energieumwandlungswirkungsgrade von über 33 Prozent zu erzielen, was weitere Möglichkeiten für Dünnschichtsolarzellen in der Zukunft eröffnet. Der Doktorand leitet derzeit eine Zusammenarbeit mit wichtigen Labors und Unternehmen in ganz Europa in die Wege, um die Entwicklung der Technologie und ihre industrielle Herstellbarkeit in größerem Maßstab voranzutreiben.