Infolge eines Hackerangriffs brechen mitten im Winter nach und nach alle europäischen Stromnetze zusammen und der Kontinent ist für mehrere Wochen stromlos - ein Szenario, das wir bis jetzt zum Glück nur aus der Literatur kennen. Der 2012 erschienene Thriller “Blackout - Morgen ist es zu spät" von Marc Elsberg zeichnet eine düstere Prognose. Damit wir ein solches Szenario auch in der Zukunft nur aus der Literatur kennen lernen müssen, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft nun für drei Jahre das Projekt „Mehrkriterieller Schwarzstart IKT-durchdrungener regenerativer Energiesysteme" an den Universitäten Oldenburg und Passau.
Realistische Gefahr
Die Gefahr sei durchaus realistisch, insbesondere vor dem Hintergrund der Energiewende, sagt Prof. Dr. Ing. Hermann de Meer, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik mit Schwerpunkt Rechnernetze und Rechnerkommunikation an der Universität Passau. Kleine Einheiten, die untereinander vernetzt sind, ersetzen die großen Kraftwerke. Doch die kleinen Einheiten seien auch anfälliger für Störungen. Dadurch, dass sie untereinander vernetzt sind, kann es zu "kaskadenartigen" Störfällen kommen. "Die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls ist gestiegen." Eine Einschätzung, die auch die Bundesnetzagentur (BNA) teilt. So sagte der BNA-Präsident Jochen Homann schon 2012 in einem Interview mit der ZEIT, dass die durch Erneuerbare Energien verursachte stark schwankende Einspeisung von Strom ins Netz dessen Stabilität gefährde.
Früher war das Vorgehen nach einem Blackout folgendermaßen: Wenn eines der großen Dampfkraftwerke ausfiel, konnte es mittels des rotierenden Drehstrom-Generators wieder zum Laufen gebracht werden - ein mechanischer Vorgang. Die heutigen Photovoltaik-Anlagen funktionieren anders: "Da rotiert nichts mehr", sagt Professor de Meer. "Die alten Strategien sind nicht mehr praktikabel." Heute stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Wenn eine Einheit ausfällt, fällt die nächste aus und dann wiederum die übernächste. Es braucht moderne Informationstechnik, um die Stromversorgung zu gewährleisten. Nur: Die IT braucht Strom, um das Netz nach einem Blackout wieder zu starten. Ein Dilemma.
Blackstarts bisher kaum erforscht
"Teilweise wird dieses mit Hilfe von Batterien gelöst", erklärt De Meer. Aber erforscht sind die sogenannten Blackstarts nach den neuen Blackouts noch kaum. Hier setzt das Projekt "Schwarzstart" an: Die Forscherinnen und Forscher an der Universität Passau untersuchen die Rolle der IT. Sie arbeiten dabei eng mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Oldenburg zusammen, die ihr Expertenwissen im Bereich der Stromnetze einbringen. "Wir wollen die Ursachen dieser Blackouts erforschen und die Strategien eines Schwarzstarts", sagt De Meer.
Denn die neue Struktur der Stromversorgung ist anfällig für neue Fehlerquellen. Folgende Ursachen nehmen die Forscherinnen und Forscher unter die Lupe: Naturkatastrophen, Cyberattacken sowie Schwachstellen im System, etwa wenn Wind- und Sonnenergie nicht ausreicht, um die Nachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher zu decken. Bis jetzt ist die Versorgungssicherheit in Deutschland auch nach Angaben der Bundesnetzagentur allerdings noch sehr gut. So lag die durchschnittliche Unterbrechungsdauer je angeschlossenem Letztverbraucher im Jahr 2016 bei 12,8 Minuten. Zudem wurde 2015 das IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet, dessen Umsetzung in der BSI-Kritisverordnung (§ 10 BSI-Gesetz) definiert wird. Diese beinhaltet explizit auch Energieversorgungsnetze und Energieanlagen.
Beteiligte und Förderer
Prof. Dr. Ing. Hermann de Meer, Inhaber des Lehrstuhls für Informatik mit Schwerpunkt Rechnernetze und Rechnerkommunikation, leitet das Projekt "Schwarzstart" zusammen mit Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, Professor für Energieinformatik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Partner ist Prof. Dr.-Ing. Christian Rehtanz, Leiter des Instituts für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft (ie3) der Technischen Universität Dortmund. Rehtanz ist außerdem Sprecher des Schwerpunktprogramms 1984 der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG), das das Projekt Schwarzstart drei Jahre lang fördert. Der Titel des Programms lautet: "Hybride und multimodale Energiesysteme: Systemtheoretische Methoden für die Transformation und den Betrieb komplexer Netze".
Originalquelle: http://www.uni-passau.de/bereiche/presse/pressemeldungen/meldung/detail/dfg-projekt-schwarzstart-neue-strategien-gegen-blackout/