Elektrische Signale verlustfreier übertragen Quantengravitation im Labor modellieren

„Um den Urknall oder das Innere schwarzer Löcher zu erklären, muss man die Quanteneigenschaften der Gravitation verstehen“, erklärt Professorin Johanna Erdmenger, Leiterin des Lehrstuhls für Theoretische Physik III an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg.

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Gravitation ist für die Physik längst kein Rätsel mehr – zumindest, wenn es um große Abstände geht: Dank der Wissenschaft können wir die Umlaufbahnen von Planeten berechnen, Gezeiten vorhersagen und Raketen präzise ins All schicken. An ihre Grenzen stößt die theoretische Beschreibung der Gravitation jedoch auf der Ebene der kleinsten Teilchen, der sogenannten Quantenebene.

„Um den Urknall oder das Innere schwarzer Löcher zu erklären, muss man die Quanteneigenschaften der Gravitation verstehen“, erklärt Professorin Johanna Erdmenger, Leiterin des Lehrstuhls für Theoretische Physik III an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. „Bei sehr hohen Energien versagen klassische Gravitationsgesetze. Unser Ziel ist es deshalb, zur Entwicklung neuer Theorien beizutragen, die Gravitation auf allen Ebenen erklären können, auch auf der Quantenebene.“

Zentrale Theorie zur Quantengravitation im Fokus der Forschenden

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Modelle spielt die sogenannte „AdS/CFT-Korrespondenz“, eine zentrale Theorie zur Quantengravitation. Sie ist bislang nicht experimentell nachgewiesen und besagt, dass sich komplexe Gravitationstheorien in einem hochdimensionalen Raum durch einfachere Quantentheorien auf der Randfläche dieses Raums beschreiben lassen. Zur Erläuterung: „AdS“ steht für „Anti-de-Sitter“, ein spezieller Typ Raumzeit, der nach innen gekrümmt ist, wie eine Hyperbel. „CFT“ steht für „Konforme Feldtheorie“, eine Theorie, die sich mit quantenphysikalischen Systemen beschäftigt, deren Eigenschaften bei allen räumlichen Abständen gleich sind.

„Das hört sich erst einmal sehr kompliziert an, ist aber einfach erklärt“, sagt Erdmenger. „Die AdS/CFT-Korrespondenz ermöglicht es uns, schwierige Gravitationsprozesse, wie sie in der Quantenwelt existieren, durch simplere mathematische Modelle zu verstehen. Im Mittelpunkt steht dabei eine gekrümmte Raumzeit, die man sich wie einen Trichter vorstellen kann. Die Korrespondenz besagt, dass die Quantendynamiken am Rand des Trichters den komplexeren im Inneren entsprechen müssen – ähnlich wie bei einem Hologramm auf einem Geldschein, das ein dreidimensionales Bild erzeugt, obwohl es selbst nur zweidimensional ist.

Machbarkeitsbeweis für Realisierung von Gravitationsdynamik

Gemeinsam mit ihrem Team hat Erdmenger jetzt eine Methode entwickelt, um Vorhersagen der bislang unbestätigten AdS/CFT-Korrespondenz experimentell zu testen: Mithilfe eines verzweigten elektrischen Schaltkreises wird dabei eine gekrümmte Raumzeit nachgeahmt – die elektrischen Signale an den einzelnen Verzweigungspunkten des Schaltkreises entsprechen der Gravitationsdynamik, die man an verschiedenen Punkten innerhalb der Raumzeit vorfinden würde.

Die theoretischen Berechnungen des Forschungsteams zeigen, dass auch im vorgeschlagenen Schaltkreis die Dynamik am Rand der nachgeahmten Raumzeit derjenigen im Inneren entspricht – und damit, dass eine zentrale Vorhersage der AdS/CFT-Korrespondenz durch den Schaltkreis realisiert werden kann.

Umsetzung in der Praxis und mögliche technische Anwendungen

Im nächsten Schritt will das Würzburger Forschungsteam den in der Studie beschriebenen Versuchsaufbau nun praktisch umsetzen. Neben bedeutenden Fortschritten in der Gravitationsforschung könnte das auch technologische Neuheiten vorantreiben. „Unsere Schaltkreise eröffnen auch neue technische Anwendungen“, erklärt Erdmenger. „Zum Beispiel könnten sie auf Basis von Quantentechnologie elektrische Signale verlustfreier übertragen, weil die simulierte Krümmung des Raumes die Signale bündelt und stabilisiert. Das wäre ein Durchbruch zum Beispiel für die Signalübertragung innerhalb neuronaler Netze in der Künstlichen Intelligenz.“

Kooperationspartner

Als Kooperationspartner an der internationalen Studie beteiligt waren die University of Alberta, Kanada, das Max-Planck-Institut für die Physik komplexer Systeme in Dresden, die University of Alabama in Tuscaloosa, USA, sowie der Lehrstuhl für Theoretische Physik I der Universität Würzburg. Finanzielle Unterstützung gab es vom Würzburg-Dresdner Exzellenzcluster „ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien“.

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