In der Welt der Quantencomputing- und Quantensimulations-Technologie mit neutralen Atomen gibt es eine fundamentale Herausforderung: Die Lebensdauer von Rydberg-Atomen, die als Bausteine für das Quantenrechnen dienen, ist begrenzt.
Aber es gibt eine vielversprechende Lösung: zirkulare Rydberg-Zustände. Dem Forscherteam ist es gelungen, erstmals zirkulare Rydberg-Atome eines Erdalkalimetalls in einem Array aus optischen Pinzetten zu erzeugen und zu fangen.
„Das ist aufregend, denn sie sind besonders stabil und können die Lebensdauer von Quantenbits enorm verlängern. Damit bieten sie ein großes Potenzial für die Entwicklung von leistungsfähigeren Quantensimulatoren“ freut sich Dr. Florian Meinert, Nachwuchsgruppenleiter am 5. Physikalischen Institut und federführend verantwortlich für das Projekt.
Die Bedeutung von zirkularen Rydberg-Atomen
Zirkulare Rydberg-Atome sind eine spezielle Form von Rydberg-Atomen, bei denen das angeregte Elektron eine kreisförmige Bahn um den Atomkern einschlägt. Diese Atome bieten im Vergleich zu anderen Rydberg-Zuständen eine erhöhte Stabilität und eine längere Lebensdauer. Dies macht sie zu attraktiven Kandidaten für die Verwendung als Qubits.
Diese Zustände sind seit Jahrzehnten bekannt und waren der Schlüssel zu nobelpreisgekrönten Experimenten zur Quantennatur der Licht-Materie-Wechselwirkung. In letzter Zeit wird das Potential dieser Zustände für das Quantenrechnen wieder zunehmend diskutiert.
Vielversprechend: Das Erdalkalimetall Strontium
Zur Erzeugung des Rydberg-Atoms wurde das Erdalkalimetall Strontium mit zwei optisch aktiven Elektronen gewählt, weil es einzigartige Möglichkeiten bietet. Einmal im zirkularen Rydberg-Zustand präpariert, lässt sich das zweite Elektron, das den Atomkern umkreist, für Quantenoperationen verwenden, die aus der Forschung an Ionen-Quantencomputern bereits bekannt sind.
Das Forscherteam demonstrierte die Erzeugung von sehr hochenergetischen kreisförmigen Zuständen eines Strontium-Isotops mit einer erstaunlich langen Lebensdauer von bis zu 2,55 ms bei Raumtemperatur. Dabei machten sie sich die speziellen Eigenschaften eines Hohlraums zunutze, der die störende Schwarzkörper-Hintergrundstrahlung unterdrückt.
Diese würde das sensible Rydberg-Elektron in andere energetisch benachbarte Rydberg-Niveaus treiben. Ohne diese Abschirmung wären die zirkularen Zustände nicht lange überlebensfähig. „Die längere Lebensdauer verdanken sie auch ihrem maximalen Drehimpuls, der sie vor dem Zerfall schützt. Das bedeutet, dass die Quantenbits stabiler und somit weniger anfällig für Fehler und Störungen von außen sind“ erläutert Christian Hölzl, Doktorand am 5. Physikalischen Institut.
Quantenbits unter Kontrolle
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Forschung war die präzise Steuerung und Manipulation eines Mikrowellen-Quantenbits, das in kreisförmigen Zuständen kodiert war. Diese sogenannte Kohärenzkontrolle ermöglichte es den Wissenschaftlern mit Hilfe von Mikrowellenpulsen das Qubit gezielt zwischen verschiedenen Zuständen umzuschalten, ohne dabei seine Quanteninformation zu verlieren.
Dabei konnten sie die Lebensdauer des Quantenbits exakt bestimmen und wichtige Erkenntnisse über seine Stabilität bei Raumtemperatur gewinnen. Eine effektive Kohärenzkontrolle ist entscheidend für die Durchführung von Quantenoperationen und machen sie präzise und zuverlässig.
Breites Anwendungsspektrum
Zirkulare Rydberg-Atome bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Durchführung von Quantenoperationen und insbesondere von Quantensimulationen. „Ihre Vielseitigkeit macht sie für eine breite Palette von Anwendungen attraktiv“, ist sich Prof. Tilman Pfau, Direktor des 5. Physikalischen Instituts und des überregionalen Carl-Zeiss-Stiftung Center für Quantenphotonik – Jena – Stuttgart – Ulm (CZS Center QPhoton), sicher.
Da zirkulare Rydberg-Atome in optischen Pinzetten oder anderen Fallentypen gezielt gefangen und präzise manipuliert werden können, bieten sie Möglichkeiten für eine skalierbare Architektur, die in Zukunft für den Aufbau großer Quantenbitsysteme auf Basis neutraler Atome von Vorteil sein könnte.