Die additive Fertigung – auch 3D-Druck genannt und nach dem englischen Additive Manufacturing häufig mit AM abgekürzt – ermöglicht neue Freiheitsgrade im Produktdesign. Beispielsweise lassen sich komplexe Funktionselemente, Gitter- und Stützstrukturen oder ebenfalls innenliegende Geometrien wie Fluidführungen kostengünstig in einer Weise herstellen, die die spätere Montage erheblich vereinfacht oder sogar vollkommen unnötig macht. Durch die Funktionsintegration lassen sich bereits im Herstellungsprozess mehrere Elemente einer Baugruppe zu einem Bauteil kombinieren.
Neue Gestaltungsfreiheit
Die neue Gestaltungsfreiheit stellt jedoch Konstrukteure, die sich auf traditionelle, materialabtragende Verfahren spezialisiert haben, vor völlig neue Herausforderungen. Beim 3D-Druck sind sie in der Designphase nicht mehr an die üblichen Restriktionen wie Rechtwinkligkeit, Grad-, Eben- und Rundheit, Parallelität oder Montagegerechtigkeit gebunden. Vielmehr erlaubt der Einsatz von Freiformflächen, Hinterschneidungen, innenliegenden sowie Stütz- und Gitterstrukturen eine deutlich erhöhte Produktfunktionalität sowie Leichtbaukonzepte.
Die additive Fertigung eröffnet ganz offensichtlich eine freiere Formgebung. Dabei sind jedoch Gestaltungsrichtlinien einzuhalten. Beim pulverbettbasierten Laserschmelzen beziehungsweise -sintern von Metallen oder Kunststoffen muss sichergestellt werden, dass das nicht aufgeschmolzene Pulver aus den Hohlräumen entfernt werden kann. Auch sind beim 3D-Druck von Metallbauteilen Stützstrukturen notwendig, die Eigenspannungen aufnehmen und die Prozesswärme abführen. Mit der Nachbearbeitung der produzierten Bauteile tritt ein zusätzlicher Prozessschritt auf – man denke etwa an die Entnahme der Bauteile aus dem ungenutzten Pulver, das Entfernen der Stützstrukturen oder die Nachbereitung von Funktionsflächen. Diese Aufgaben werden oft manuell ausgeführt und haben maßgeblichen Einfluss auf die Herstellungskosten. Eine AM-gerechte Konstruktion berücksichtigt all diese Aspekte, um ein wirtschaftliches 3D-Drucken sicherzustellen.
Optimierung durch Anwendungssimulation
Am Beispiel von Induktoren lassen sich die Vorteile der additiven Fertigung besonders gut aufzeigen. Induktive Erwärmung ist in der metallverarbeitenden Industrie ein beliebtes Heizverfahren, da es als prozesssicher, energieeffizient und präzise steuerbar gilt. Bei diesem Verfahren wird eine Induktionsspule mit einem Wechselstrom beaufschlagt, sodass sich ein Magnetfeld bildet. Bringt der Anwender nun ein leitfähiges Bauteil in das Magnetfeld ein, entsteht ein elektrischer Strom. Durch ohmsche Erwärmung erhitzt sich das Bauteil auf eine definierte Zieltemperatur, wobei Heizraten von über 150 K/s erreichbar sind.
Für einen möglichst hohen Wirkungsgrad ist die Form des verwendeten Induktors entscheidend: Je genauer die Induktionsspule an das Werkstück angepasst wird, desto effizienter und homogener erfolgt die Erwärmung. Traditionell wird die Spule durch manuelles Biegen und Löten angepasst. Dabei lassen sich verfahrensbedingt jedoch nur relativ einfache Geometrien erzeugen. Aus diesem Grund geht das Erhitzen komplexer Bauteile in der Regel mit einer deutlichen Inhomogenität und einer geringen Effizienz einher.
Moderne CAD-Programme liefern nicht nur die Modelle für den 3D-Druck eines Induktors, sondern lassen sich darüber hinaus verwenden, um die Anwendung des fertigen 3D-Objekts zu simulieren: Durch Magnetsimulationen wird nicht nur das Magnetfeld des Induktors, sondern auch der gesamte induktive Erwärmungsprozess nachgeahmt. Auf Basis der gewonnenen Daten lässt sich bereits am Modell ableiten, wie sich das Bauteil im Betrieb verhalten wird. Außerdem ist ersichtlich, an welchen Stellen das Magnetfeld das zu härtende Werkstück noch nicht optimal umschließt und es somit zu Wärmeverlusten oder Inhomogenitäten kommen wird. Anhand dieser Erkenntnisse kann der Konstrukteur die Geometrie optimieren und die Leistungsfähigkeit verbessern.
Standardgeometrien additiv fertigen
Natürlich ist die Herstellung eines individuell angepassten Induktors für viele Anwendungsgebiete nicht rentabel. Aber auch bei Induktoren, die auf Standardgeometrien basieren, kann die additive Fertigung punkten. Während bei der konventionellen Fertigung Lieferzeiten von bis zu zehn Wochen üblich sind, stehen additiv hergestellte Induktoren bereits nach wenigen Tagen zur Verfügung. Zudem verringern sich die Produktionskosten erfahrungsgemäß um etwa 50 Prozent.
Aufgrund der herkömmlichen manuellen Fertigung liegen die meisten Geometrien jedoch nur als 2D-Zeichnung und nicht als CAD-Modell vor. Egal, wie dringend ein Anwender Ersatz für einen defekten Induktor benötigt – zuerst muss ein 3D-Modell erstellt werden, auf Basis dessen der Induktor dann gedruckt werden kann. Zum Glück hat Protiq dafür eine clevere und zeitsparende Lösung entwickelt: Im Induktoren-Generator des Protiq Marketplace lassen sich die Heizspulen online in wenigen Schritten für spezifische Anwendungen konfigurieren. Zunächst wählt der Nutzer eine standardisierte Grundform aus, deren Maße er nach dem Baukastenprinzip anpassen kann.
Parameter wie die Höhe, der Querschnitt oder die Windungsanzahl lassen sich bedarfsgerecht verändern. Optional kann der Induktor um ein Anschlusselement mit frei wählbaren Abmessungen ergänzt werden. Schon während der Konfiguration wird ein 3D-Modell der individualisierten Geometrie erstellt und der Preis für den fertigen Induktor berechnet. Die additive Fertigung des Induktors beginnt unmittelbar nach Eingang der Bestellung, sodass der Kunde schon nach wenigen Tagen das dringend benötigte Ersatzteil in seinen Händen
hält.
Um Induktoren aber überhaupt erst additiv fertigen zu können, muss man eine Möglichkeit finden, hochleitfähiges Kupfer im Rahmen des selektiven Laserschmelzens zu verarbeiten. Bei diesem Verfahren wird Metallpulver durch einen Laser aufgeschmolzen und schichtweise zu einem 3D-Objekt aufgebaut. Da Kupfer die Strahlung herkömmlicher Laserschmelzanlagen fast vollständig reflektiert, ist ein gezieltes Aufschmelzen dieses Materials nahezu unmöglich. Deshalb hat Protiq einen Prozess entwickelt, der die Verarbeitung nicht nur von hochleitfähigem Kupfer, sondern auch von Zink und Messing trotzdem erlaubt. Auf diese Weise lassen sich als Ergänzung zum Zink-Druckgussverfahren kleine Stückzahlen während der Produktentstehung oder als Ersatzteile additiv herstellen. Und die Verarbeitung von Messing bietet neue Gestaltungsfreiheiten für die Schmuck- und Armaturenindustrie.
Lasersintern für vielfältige Kunststoffe
Ein anderes wichtiges AM-Verfahren ist das Lasersintern, bei dem Kunststoffbauteile schichtweise in drei Schritten aufgebaut werden. Zunächst wird eine 0,06 bis 0,12 mm dünne Pulverschicht aufgetragen. Danach erwärmen Heizstrahler das Pulver bis knapp unter den Schmelzpunkt. Schließlich schmilzt ein Laser den schichtspezifischen Bauteilquerschnitt auf. Am Ende ist das fertige Bauteil von nicht aufgeschmolzenem Kunststoffpulver umgeben.
Traditionell werden 90 Prozent der lasergesinterten Bauteile aus PA 12 mit oder ohne Füllstoff (wie Aluminium- oder Glaskugeln) produziert. Die Elektro- und Automobilindustrie verlangt jedoch vermehrt technische Kunststoffe, welche die Anforderungen ihrer Endprodukte erfüllen – zum Beispiel P 6, P 6.6 oder PBT. Auch der Standardkunststoff Polypropylen (PP) erfreut sich großer Beliebtheit. Um auch mit solchen Materialien Serienprodukte direkt und werkzeuglos fertigen zu können, hat Protiq eine optimierte Lasersinter-Anlage entwickelt. Eine präzise Regelungstechnik ermöglicht die Verarbeitung von Hochtemperaturkunststoffen bei einer Vorheiztemperatur von bis zu 380°C. Dank eines innovativen Pulverauftragungssystems lassen sich auch schlecht rieselfähige Pulver verarbeiten, sodass im Materialentwicklungsprozess selbst kryogen vermahlene Standardgranulate verwendet werden können.
Neben neuen Materialien ist bei der werkzeuglosen Herstellung von Serienbauteilen auch eine hohe Detailauflösung bei gleichzeitig hoher Aufbaugeschwindigkeit gefragt. Diesen Anforderungen wird die Protiq-Anlage dank neuer Belichtungsstrategien mit einstellbarem Laserspot gerecht. Mit einem minimalen Laserspot-Durchmesser von 0,23 mm lassen sich filigranste Strukturen erzeugen. Und die Belichtung mit einem bis zu 2 mm großen Laserspot erlaubt eine schnelle, wirtschaftliche Herstellung mit hohen Aufbauraten.
Automatisierte Prozesskette
Um das Tempo der additiven Fertigungstechnik nicht durch vor- und nachgelagerte Prozesse wie die Angebotserstellung, das Materialhandling oder das Nacharbeiten der Bauteile zu verlangsamen, bedarf es einer automatisierten Prozesskette. Protiq arbeitet daher mit einer Onlineplattform, auf der Kunden ihr individuelles CAD-Modell analysieren lassen können. Das System gibt unmittelbar Auskunft über die Herstellungskosten und die Lieferzeit. Anschließend wählt der Kunde das Produktionsverfahren, das gewünschte Material und die Nachbearbeitung – zum Beispiel eine Lackierung in einem beliebigen RAL-Ton. Mit Abschluss des Bestellvorgangs wird die Herstellbarkeit des Bauteils überprüft, und mögliche Fehler im Modell werden behoben. Dann läuft die Fertigung automatisch an, wobei der Kunde fortlaufend über den aktuellen Produktionsstatus auf dem Laufenden gehalten wird.