Wie Methoden des Advanced Manufacturing auch in der Chirurgie zu Fortschritten führen können, zeigt eine Forschergruppe unter Leitung von Stefan Weber vom „ARTORG Center for Biomedical Engineering Research“ der Universität Bern. Denn dort wurde ein Roboter entwickelt, der Cochlea-Implantate schonender einsetzen kann als ein Chirurg. „Wenn ein Chirurg den Eingriff vornimmt, muss er relativ große Bereiche des Schädelknochens abtragen“, sagt Weber. Erst wenn er sehe, wo die Nerven lägen, setze er den Bohrer an. Der Roboter bohrt dagegen nur einen 1,8 mm schmalen Kanal, dessen Verlauf anhand eines zuvor erstellten CT-Bilds festgelegt wird.
„Im Blindflug“ darf allerdings niemals gebohrt werden – denn das Loch für das Cochlea-Implantat muss zwischen dem Geschmacksnerv und dem Gesichtsnerv liegen. Diese Nerven liegen an einer Stelle nur 3 mm auseinander. Bislang behalfen sich Chirurgen so, dass sie kurz vor der Engstelle stoppten und den Gesichtsnerv mit einer elektrischen Spitze reizten. Wenn die Zuckung im Gesicht des Patienten nicht zu stark ausfällt, darf vorsichtig weitergebohrt werden.
Bohrer und Stimulator zugleich
Die Mediziner des ARTOG-Centers traten an die Empa mit folgender Frage heran: Ist es möglich, einen Bohrer zu entwickeln, der gleichzeitig bohrt und den Gesichtsnerv elektrisch stimuliert? Einen Bohrer also, der seine Position im Schädel des Patienten anzeigt?
Kerstin Thorwarth von der Empa-Abteilung Surface Science & Coating Technologies ging dieser Frage mit einer Kollegin im Rahmen einer Masterarbeit und eines Innosuisse-Projekts nach. Das Ergebnis: ein Bohrer mit leitfähiger Spitze. Die leitfähigen und isolierenden Hartschichten aus Titannitrid (TiN) und Siliziumnitrid (Si3N4) wurden per Magnetron-Sputtering auf den Bohrkopf aufgebracht. Dafür mussten die einzelnen Windungen des Bohrers mit speziellen Masken abgedeckt werden. Am Ende wies der Bohrer die passenden elektrischen Eigenschaften auf und bestand auch Bohrversuche in Knochenmaterial, die im Labor durchgeführt wurden.
Noch nicht für Medizin zugelassen
Die Partner in Bern waren mit der Entwicklung zufrieden. „Der Smart-Drill für die Cochlea-Chirurgie könnte zum Beispiel auch für die Wirbelsäulenchirurgie eingesetzt werden“, zeigt sich Projektleiter Weber optimistisch. Nun sucht das Forscherteam gemeinsam mit den Berner Chirurgen nach einem Industriepartner, der den Smart-Drill nach den gesetzlichen Vorgaben für Medizinprodukte herstellen kann. „Dazu wird weiterer signifikanter Entwicklungsaufwand nötig sein“, sagt Weber. Und der brauche zudem noch die passende Finanzierung.