Digitale Oberflächen-Zwillinge Software verbessert Verständnis der Oberflächenbeschaffenheit von Bauteilen

Die Plattform Contact.engineering ermöglicht es Nutzern und Nutzerinnen, Messwerte zur Oberflächenrauigkeit hochzuladen, zu analysieren und mit anderen zu teilen.

Bild: Rick Henkel, Lucas Frérot
03.11.2022

Mit der kostenfreien Softwareplattform contact.engineering lassen sich Oberflächeneigenschaften vorhersagen und industrielle Endbearbeitungsprozesse systematisch optimieren. Die Nutzer und Nutzerinnen innen können über das System einfach Messdaten veröffentlichen.

Wissenschaftler dContact.engineeringer Universität Freiburg und der University of Pittsburgh/USA haben eine kostenfreie Softwareplattform entwickelt, welche die Analyse von Oberflächen erleichtert und standardisiert. Die Plattform Contact.engineering ermöglicht es Benutzer und Benutzerinnen, einen digitalen Zwilling einer Oberfläche zu erstellen und so etwa vorherzusagen, wie schnell diese verschleißt, wie gut sie Wärme leitet oder an anderen Materialien haftet. Das Team um Dr. Michael Röttger vom Institut für Mikrosystemtechnik, Prof. Dr. Lars Pastewka und Antoine Sanner vom Institut für Mikrosystemtechnik und dem Exzellenzcluster livMatS der Universität Freiburg sowie Prof. Dr. Tevis Jacobs von der University of Pittsburgh/USA hat die Softwareplattform in der Fachzeitschrift Surface Topography: Metrology and Properties vorgestellt.

Topographie beeinflusst Materialeigenschaften

Alle technischen Materialien haben eine raue Oberfläche, auch wenn sie mit bloßem Auge glatt erscheinen. Unter dem Mikroskop betrachtet, gleichen die Oberflächen einer Berglandschaft. „Für Industrie und Forschung ist es von besonderem Interesse, deren Topographie genau zu kennen, da sie Eigenschaften wie Haftung, Reibung, Benetzbarkeit und Lebensdauer des Materials beeinflusst“, sagt Pastewka.

Zeit- und Kostenersparnis in der Fertigung

Hersteller müssen die Oberflächenbeschaffenheit von zum Beispiel Autobauteilen oder medizinischen Geräten sorgfältig kontrollieren, um eine einwandfreie Anwendung zu gewährleisten. Derzeit wird die optimale Oberflächenbeschaffenheit vor allem durch ein Trial-and-Error-Verfahren ermittelt, bei dem eine Reihe von Bauteilen mit unterschiedlichen Bearbeitungsmethoden hergestellt und ihre Eigenschaften getestet werden. Dies ist ein langsamer und kostspieliger Prozess.

„Es wäre weitaus effizienter, die optimale Topographie für eine bestimmte Anwendung anhand wissenschaftlicher Modelle zu entwickeln, aber das ist derzeit nicht möglich“, sagt Jacobs. „Es würde erfordern, dass es wissenschaftliche Fortschritte bei der Verknüpfung von Topographie und Eigenschaften sowie technische Fortschritte bei der Messung und Beschreibung einer Oberfläche gibt.“

Contact.engineering ermöglicht diese Entwicklung und standardisiert das Verfahren: Die Plattform integriert automatisch die unterschiedlichen Daten verschiedener Messinstrumente, korrigiert Messfehler und schafft aus den Daten einen digitalen Zwilling der Oberfläche. Contact.engineering berechnet statistische Metriken und wendet mechanische Modelle auf die Oberflächen an, deren Verhalten sich auf diese Weise vorhersagen lässt. „Die Anwender*innen können so erkennen, welche topographischen Merkmale welche Eigenschaften beeinflussen. Dies erlaubt eine systematische Optimierung von Endbearbeitungsprozessen“, sagt Pastewka.

Open Science ermöglichen

Die Plattform dient auch als Datenbank, in der Anwender und Anwenderinnen Messergebnisse mit Kollegen und Kolleginnen oder Projektpartnern und Projektpartnerinnen teilen können. Benutzer und Benutzerinnen können ihre Oberflächenmessungen zudem der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Wenn sie ihre Daten veröffentlichen, wird ein Digital Object Identifier (DOI) erstellt, der in wissenschaftlichen Publikationen referenziert werden kann.

„Wir entwickeln Contact.engineering stetig weiter und möchten noch weitere Analyse-Werkzeuge etwa zur chemischen Zusammensetzung der Oberflächen aufnehmen“, sagt Pastewka. „Ziel ist, dass die Anwender und Anwenderinnen einen möglichst umfassenden digitalen Zwilling erhalten. Deshalb begrüßen wir es auch, wenn Nutzer*innen aus Industrie und Forschung uns Verbesserungen an der Softwareplattform vorschlagen.“

Die Entwicklung von Contact.engineering wurde vom Europäischen Forschungsrat, von der US National Science Foundation und vom Exzellenzcluster Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg gefördert.

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