Anlagenbau ist hochkomplex, das Wissen dazu ebenso. Für Betreiber ist es eine enorme Herausforderung, das Know-how über alle Komponenten vorzuhalten. Sie müssen es sich erst von den Herstellern holen, es aktuell halten und gegebenenfalls Dienstleister schulen. Dazu kommt, dass Betreiber häufig nur über PDF-Dokumentationen ihrer eigenen Anlagen verfügen. Die sind zwar digital, bieten aber kaum mehr Informationen als Papierdokumente. Zudem liegen die Daten dazu meist disziplinspezifisch in verschiedenen Tools, sodass das Servicepersonal die verschiedenen Fachinformationen zu einem Asset sehr zeitraubend zusammensuchen muss.
Doch wer kennt ein Produkt besser als sein „Erzeuger“? Und wo, wenn nicht in dem System, mit dem eine Anlage entwickelt wurde, sind die Daten dazu am präzisesten und umfassendsten? In einem Engineeringsystem, das noch dazu über ein zentrales Datenmodell alle Disziplinen vereint, schaffen Hersteller sogar einen digitalen Zwilling, der sämtliche Informationen für jedes Gerät der Anlage verfügbar macht: vom Process Design über elektrotechnisches Detail Engineering bis zur Automatisierung. Damit liegen keine „toten“ PDFs mehr in verstreuten Silos, sondern die Objekte selbst sind zentral bearbeitbar.
Wenn Daten das Öl des 21. Jahrhunderts sind, dann muss das Engineeringsystem zur Förderplattform werden. So können aus Herstellern Full-Service-Anbieter werden. Statt Kompressoren beispielsweise ist die Druckluft das Produkt. Der Hersteller betreibt die Teilanlage selbst, sein Know-how ist Garant für Qualität und Verlässlichkeit. Der Gesamtanlagen-Betreiber wird deutlich entlastet und setzt mit höherer Wahrscheinlichkeit auch künftig auf denselben Hersteller.
Das hat schon manchen Aucotec-Kunden überzeugt, seine Maschinen und Anlagen mit der Kooperationsplattform Engineering Base (EB) zu entwickeln. Hier wächst der digitale Zwilling über den gesamten Entstehungsprozess heran: von der ersten Idee über Simulationsszenarien und die Spezifikationen aller beteiligten Fachgebiete bis zur letzten Klemme und schließlich zur Leitsystemkonfiguration. So kann ein Maintenance-System aus dieser Single Source of Truth alle notwendigen Informationen ziehen, um Wartungsaufgaben optimal vorzubereiten.
Dazu kommt, dass EB das Arbeiten mit browserbasierten Apps für Spezialaufgaben möglich macht. Das erlaubt fast unbegrenzt weitere neue Angebots-Ideen. Zum Beispiel Wartungsvorgänge managen, Istzustände in der Anlage aufnehmen und daraus Optimierungsangebote entwickeln, Monitoring für bestimmte Zielgruppen ermöglichen oder Wartungsdaten ans Engineering zurückspielen, damit der digitale Zwilling stets dem aktuellen Stand der Anlage entspricht. Das wiederum ist die wichtigste Voraussetzung, damit die Geschäftsmodelle verlässlich funktionieren.
Mit EBs Webserviceorientierung kann sich der Anlagenzwilling sogar quasi selbst aktualisieren. Sind die Geräte in der Anlage OPC-UA-fähig, können sie ihren eigenen Austausch oder eine Modifikation über dieses Protokoll direkt ans Engineering melden, wenn der Betreiber solche Zugänge erlaubt. Der Grad der Offenheit von Betreibern und Herstellern bestimmt, wie weit ein Full-Service-Konzept reichen soll. Doch wie weit es reichen kann, bestimmt die Universalität des Datenmodells.