Nicht nur die Klimaziele sind ein Grund für viele Unternehmen, ihre Prozesse und Verfahren Energie effizienter zu gestalten. Auch die seit Jahren steigenden Energiekosten in Deutschland üben Druck aus. Die im internationalen Vergleich deutlich höheren Strompreise in Deutschland bedeuten einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für energieintensive Unternehmen.
Unternehmen reagieren bereits
So beliefen sich beispielsweise in der chemischen Industrie bereits 2014 die Energiekosten im Verhältnis zum Gesamtwert der erzeugten Produkte auf rund vier Prozent. Die Unternehmen haben bereits reagiert und investieren zum Teil enorme Summen in Energieeffizienzprojekte und moderne Technologien wie Kraft-Wärme-Kopplung. Typische Maßnahmen sind:
Ersatz von Kohle- durch Gas- oder Dampfturbinen Kraftwerke
Zukauf von Dampf
Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung
Austausch älterer Beleuchtungssysteme wie Quecksilberdampf-Hochdrucklampen oder Leuchtstofflampen durch moderne LED-Technik.
Quick Win
Die Kosten für solche Maßnahmen sind jedoch häufig vergleichsweise hoch, die Amortisationszeiten entsprechend lang. Einen Quick Win, der noch vergleichsweise selten genutzt wird, gibt es jedoch: die Installation einer zentral installierten Energieeffizienz-Lösung, die den Stromverbrauch im gesamten Niederspannungsnetz (400 V) eines Unternehmens verringert. Das bedeutet: Stromspitzen werden reduziert und geglättet. Denn je geringer der Widerstand, desto effektiver die Energieübertragung im Netz.
First Mover bei der Implementierung solcher Lösungen waren in den letzten zehn Jahren besonders stromintensive Unternehmen. Die meisten jedoch zögerten damit, da lange Zeit der Nachweis fehlte, ob die damit verbundenen Einsparungen tatsächlich erzielt werden. Und wenn ja, in welcher Höhe.
Livarsa aus Baden-Württemberg hat deshalb in den letzten Jahren an einer Lösung dieses Dilemmas gearbeitet und nun das erste verlässliche Messverfahren für den Nachweis von Energieeffizienz-Steigerungen im Niederspannungsnetz entwickelt. Das bestätigt auch eine Untersuchung des Verfahrens durch den Fachbereich Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Hochschule Offenburg.
Vergleichende Intervallmessung belegt Wirkung
Das sogenannte ECV Messverfahren (Energy Comparison Value) ermöglicht einen verlässlichen Nachweis in kWh. Das Verfahren erfasst die gesamte elektrische Energie des angeschlossenen Stromnetzes – vom Mittelspannungstransformator summiert über alle Verbraucher hinweg. Das Verfahren kann in jedem Unternehmen und in jeder Branche eingesetzt werden.
Gemessen wird die Einsparung durch den direkten Vergleich aufeinanderfolgender Messintervalle, die sich durch eine Aufzeichnungsdauer auszeichnen. Hierbei sind der Zeitraum und die Intervalldauer der Vergleichsmessungen der entscheidende Punkt, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Denn: da ständig elektrische Verbraucher ein- und ausgeschaltet werden, schwankt der Energieverbrauch in einem Unternehmen stark. Hinzu kommen wechselnde Lasten sowie wochentag-, saisonal- oder jahreszeitbedingte Effekte – und beim Einsatz von PV- oder Windkraftanlagen sogar minütlich.
Wegen der daraus resultierenden starken Schwankungen war bisher eine verlässliche Effizienzmessung in einem geschlossenen Niederspannungsnetz nicht möglich. Das neue ECV Messverfahren setzt damit einen Meilenstein bei effizienter Energienutzung im Unternehmensbereich.
Prof. Dr.-Ing. Jörg Bausch von der Hochschule Offenburg bestätigt: „Bisherige Messverfahren zum Nachweis der Energieeffizienz einer Anlage konnten die Vielzahl der Schwankungen im Lastprofil meist nicht berücksichtigen. Diese können bei Langzeitmessungen, die das gesamte innerbetriebliche Stromnetz berücksichtigen, zu teilweise großen Abweichungen führen, die sich wiederum auf die Genauigkeit und damit auch auf die Aussagekraft der Einsparungswerte auswirken. Mit dem ECV Messverfahren ist es möglich, auch kleine Einsparungen nachzuweisen und zuverlässig zu quantifizieren.“
Energie sparen direkt am Einspeisepunkt
Bisher funktioniert das neue ECV-Messverfahren nur im Zusammenspiel mit der von Livarsa angebotenen Effizienzfiltertechnologie. Dazu wurde ein spezieller Bypass-System integriert, der entsprechend der gewählten – möglichst geringen – Intervalldauer von nur wenigen Minuten, automatisch gesteuert wird. Das Prinzip: der zentral installierte Effizienzfilter wird für jeweils ein Messintervall zu- und anschließend wieder abgeschaltet. Auf diese Weise entstehen nach und nach zwei Messreihen, einmal mit und einmal ohne Zuschaltung des Effizienzfilters. Die erzielte Energieeinsparung wird folglich über den Vergleich der Energiedichte aufeinanderfolgender Intervalle nachgewiesen.
Energiesparen über einen zentral installierten elektrischen Effizienzfilter bedeutet – im Gegensatz zu herkömmlichen Energiesparmaßnahmen – dass nicht einzelne Verbraucher betrachtet und optimiert werden. Stattdessen wird der sogenannte Einspeisepunkt beziehungsweise die Niederspannungshauptverteilung (NSHV) als zentrale Schaltanlage fokussiert. Und damit der Punkt, an dem der gesamte Energieverbrauch eines Unternehmens in Kilowattstunden gemessen wird.
Wie kommt es zu Energieverlusten?
Hintergrund: In jedem Gebäudenetz kommt es grundsätzlich immer zu elektrischen Verlusten. Wie groß diese sind, ist abhängig von dem Aufbau der gesamten elektrischen Installation – im Detail vom Trafo, der Hauptverteilung, den Unterverteilungen und den Knotenpunkten über die Kabelführung bis hin zu der Art und Dimensionierung der eingesetzten Verbraucher. All diese Parameter nehmen Einfluss auf die Qualität der Strom- und Netzspannungsversorgung.
Mit dem neuen elektrischen Effizienzfilter von Livarsa wird eine Verbesserung der Netzqualität erreicht. Dies wiederum führt zu einer Reduzierung der elektrischen Energieverluste, die sich heute auch quantifizieren lässt. Die Energieverluste selbst bewegen sich in der Regel zwischen drei und acht Prozent des elektrischen Energiebedarfs.
Durch die Filtertechnologie, die verschiedene bewährte elektrophysikalische Effekte erstmals kombiniert, lassen sich diese Verluste jedoch auf ein Minimum beschränken. Der Aufbau des Effizienzfilters erinnert an einen Transformator, doch anders als bei herkömmlichen Leistungstransformatoren wurden die Wicklungen im elektrischen Effizienzfilter nicht einfach nur um den Kern gewickelt.
Stattdessen wurden Distanzbleche integriert, über die ein Teil des magnetischen Flusses vom Kernmaterial weggenommen wird. Zusätzlich wurde ein Sternpunkt-Schalter in den Stromkreis integriert, mit dem die Sekundär-Wicklungen zu einem Sternpunkt zusammengeschaltet werden. Der Filter besteht folglich aus vielfach erprobten Bauteilen und Anordnungen, die jedoch sehr innovativ verschaltet sind. Dadurch ändern sich deren Wirkungsweisen und sämtliche elektrischen Kenngrößen.
Installiert wird der Effizienzfilter zentral, nach dem Mittelspannungstransformatoren in Serie in das Niederspannungsnetz (400 V). Wird er eingeschaltet, entsteht ein Rückkoppelungsstrom von rund vier bis neun Prozent des gesamten Nennstroms, der über einen fluktuierenden neuen Sternpunkt zurück auf den Kontenpunkt (Stromnetzt) fließt. Der so erzielte Effekt verbessert über diesen Anteil des Rückkopplungsstrom den gesamten Wirkungsgrad des elektrischen Niederspannungsnetz. Das Ergebnis: weniger Energieverluste und damit auch geringere Energiekosten.
Beispiel: Stromjahresverbrauch 3,2 GWh
Das Ergebnis: bisherige vorhandene Energieverluste im Niederspannungsnetz können um 40 bis 80 Prozent reduziert werden – und damit bis zu sechs Prozent der gesamten benötigten elektrischen Energie (kWh). Dass sich das rechnet, belegt das folgende Beispiel einer Investitionsrechnung für ein Unternehmen mit einem Jahresstromverbrauch von 3,2 GWh (3.200.000 kWh):
Strompreis (gesamt): 0,15 Euro/kWh
Jahresstromkosten: 480.000 Euro
Reduzierung: 3,8 Prozent (121.600 kWh/Jahr)
Einsparung in Euro: 18.240 Euro/Jahr
Projektkosten gesamt: 89.500,00 Euro
ROI: 4,9 Jahre
ROI (inklusive Förderung): 3,4 Jahre
Die Förderung durch die Bafa ist im Falle der Livarsa-Lösung aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit bereits gegeben.
Vorteile des zentral installierten Effizienzfilters
Neben den real messbaren monetären Einsparungen für das Unternehmen im praxisnahen Einsatz bringt die Implementierung der Effizienzfilter-Technologie darüber hinaus aber auch zusätzlichen technischen Nutzen für den Anwender wie beispielsweise:
Erhöhung der Stabilität des Stromnetzes und der Versorgungssicherheit, durch die Reduzierung von Netzrückwirkungen
Erhöhung der Betriebssicherheit der angeschlossenen Geräte und Systeme, durch die Verbesserung der THD-Werte (Oberwellen)
Erhöhung der Langlebigkeit der angeschlossenen Verbraucher und Technik
Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit bei Veränderungen, durch Echtzeit- Überblick über alle elektrischen Parameter aufgrund der dichten Abtastfrequenz
Identifizierung weiterer Einsparpotenziale, durch das Energiemonitoring werden Lastspitzen aufgedeckt
Fazit
Die Implementierung einer zentral installierte Energieeffizienz-Lösung mag eine kleine Stellschraube im Gesamtenergiekonzept eines Unternehmens sein – aber eine mit großer Wirkung. Vorausgesetzt, die Anlage hält auch das, was sie verspricht.
Nachweisbar ist dies bisher nur mit dem neuen ECV-Messverfahren (Energy Comparison Value), das derzeit nur für den Livarsa-Effizienzfilter einsetzbar ist. Das Messsystem soll im Rahmen einer Lizenzvergabe allen interessierten Hardware-Herstellern zugänglich gemacht werden - mittelfristig wird sogar die Zulassung als ISO-zertifiziertes Standardverfahren zur Energieeffizienzmessung angestrebt.