Netzdienliche Regelverfahren Stromnetz der Zukunft

BECKHOFF Automation GmbH & Co. KG

Der Anteil an regenerativ erzeugter elektrischer Energie steigt an. Damit in konventionellen Kraftwerken keine Stabilitätsprobleme auftreten, sind neue, netzbildende Regelverfahren notwendig.

Bild: iStock, zhengzaishuru
16.03.2022

Das Institut für Elektroenergiesysteme und Hochspannungstechnik (IEH) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) erforscht Möglichkeiten, um die Systemstabilität in den sich durch die Energiewende wandelnden Übertragungsnetzen sicherzustellen. Neben simulativen Untersuchungen wird in einer eigenen Versuchsumgebung das Verhalten von Kraftwerken und umrichterbasierten Erzeugungsanlagen in einem Inselnetz nachgebildet. Hierzu werden neuartige Regelungsverfahren auf Beckhoff-Embedded-PCs mit TwinCAT ausgeführt und somit realitätsnah validiert.

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In vielen Übertragungsnetzen steigt der Anteil an regenerativ erzeugter elektrischer Energie an. Im Gegensatz zu konventionellen synchrongeneratorbasierten Kraftwerken speisen Windenergie- und Photovoltaikanlagen ihre Energie über einen Umrichter in das Netz ein.

Bei konventioneller netzfolgender Umrichterregelung treten allerdings ab einem gewissen Anteil an umrichterbasierten Betriebsmitteln Stabilitätsprobleme auf. Damit die Einbindung von regenerativen Erzeugungsanlagen hierdurch nicht gedrosselt werden muss, sind neuartige Regelverfahren notwendig. Diese sogenannten netzbildenden Regelverfahren haben das Ziel, das netzdienliche Verhalten – wie es von synchrongeneratorbasierten Kraftwerken seit über 100 Jahren bekannt ist – mit Umrichtern bereitzustellen. Somit können zum Beispiel auch Windenergieanlagen Momentanreserve bereitstellen.

Netznachbildung

Die Untersuchung des Umrichterverhaltens bei einer sich stark verändernden Netzfrequenz ist im europäischen Verbundnetz nicht möglich. Am IEH wurde daher eine Netznachbildung für das realistische Verhalten großer Kraftwerke und damit auch für dasjenige großer Übertragungsnetze aufgebaut. Diese Netznachbildung besteht aus einem Synchrongenerator mit Erregermaschine, welcher anstatt durch eine Turbine durch ein drehzahlvariables Antriebssystem, bestehend aus Antriebsumrichter und Asynchronmaschine, angetrieben wird.

Um ein dem Turbosatz eines Kraftwerks vergleichbares Trägheitsmoment zu erreichen, befindet sich zusätzlich ein Schwungrad auf der Welle. Durch das Zuschalten von Verbrauchern können Frequenzeinbrüche erzeugt werden, wie sie während Störfällen in großen Übertragungsnetzen auftreten. Durch die physikalische Bereitstellung der Momentanreserve erlaubt die Netznachbildung im Gegensatz zu leistungselektronischen Netznachbildungen eine instantane Rückwirkung der im Inselnetz angeschlossenen Betriebsmittel auf die Netzfrequenz.

Als zentrale Automatisierungs- und Regelungshardware dient ein Embedded-PC CX5140 von Beckhoff. Zur Messung mechanischer und elektrischer Größen werden verschiedene EtherCAT-Klemmen verwendet. Für die schnelle Drehzahlmessung sind in beiden Maschinen Encoder verbaut, die durch SinCos-Encoder-Interfaces EL5021 ausgewertet werden. Drehmomente können mittels zweier Drehmomentmesswellen und einer analogen Spannungsmessklemme ELM300x erfasst werden.

Spannungen, Ströme und Leistungen werden dreiphasig durch Netzmonitoring-Oversampling-Klemmen EL3783 in Kombination mit Stromwandlern erfasst. Der Embedded-PC CX5140 kommuniziert mit dem Antriebsumrichter per EtherCAT. Die Erregung der Erregermaschine des Synchrongenerators wird durch eine Pulsweitenstromklemme EL2535-0005 sichergestellt. Als weitere Aktoren werden Leistungsschütze durch Relaisklemmen EL2634 angesteuert.

Die Regelung wurde in MATLAB/Simulink mittels Model-based Design ausgelegt und nach Kompilierung per TwinCAT 3 Target for Simulink auf dem Embedded-PC in Echtzeit ausgeführt. Zur Bedienung des Versuchsstands wurde mit TwinCAT HMI eine komfortable Bedienoberfläche implementiert. Hier können im laufenden Betrieb Regelparameter, Sollwerte sowie Grenzwerte verändert werden. Zudem lassen sich Messungen und der Anlagenzustand grafisch darstellen. Messwerte werden mit TwinCAT Scope View visualisiert und aufgezeichnet.

Umrichteremulation

Zur Untersuchung neuartiger Regelverfahren umrichterbasierter Erzeugungsanlagen ist eine flexible Versuchsanlage notwendig, die ausreichende Freiheiten in der Implementierung von Regelverfahren ermöglicht. Da im ersten Schritt der Fokus auf die Regelung der Netzseite des Umrichters gelegt wird, kann das Verhalten der Modulation sowie der Leistungshalbleiter eines dreiphasigen Umrichters durch drei lineare Spannungsverstärker nachgebildet werden. Die Spannungsverstärker fungieren hierbei als gesteuerte ideale Spannungsquellen.

Zwischen Spannungsverstärker und dem Inselnetz der Netznachbildung befindet sich der Schaltschrank der Umrichteremulation. Darin sind neben der Regelungshardware der einstellbare Netzfilter, Spannungs- und Strommessungen sowie Schütze und Leistungsschalter verbaut.

Auch in diesem Versuchsstand findet als zentrale Plattform ein Embedded-PC mit zahlreichen EtherCAT-Klemmen Verwendung. Ein CX2030 ermöglicht die Ausführung auch komplexer Programme mit geringer Zykluszeit. Zur dreiphasigen Messung von Spannungen und Strömen mittels Hall-Effekt-Stromsensoren an mehreren Messpunkten kommen sechs zweikanalige Analog-Eingangsklemmen EL3702 zum Einsatz. Die Spannungssollwerte werden durch Analog-Ausgangsklemmen EL4732 ausgegeben und dem Spannungsverstärker als Spannungspegel übermittelt.

Vergleichbar zur Netznachbildung werden auf dem CX2030 in MATLAB/Simulink entwickelte und validierte Regelverfahren in Echtzeit ausgeführt. Wesentlicher Unterschied ist die geringe Zykluszeit der Regelung von lediglich 50 µs. In Kombination mit den EtherCAT-Klemmen und dem Spannungsverstärker wird eine Totzeit des gesamten Regelkreises von nur 150 µs erreicht.

Der Versuchsstand wird ebenfalls durch eine mit TwinCAT HMI erstellte Benutzeroberfläche bedient und überwacht. Wesentlich ist hier die schnelle Überwachung von Grenzwerten, die bei einer Überschreitung zu einer sicheren Abschaltung führt.

Versuchsumgebung

Mit der Umrichteremulation in Kombination mit der Netznachbildung steht nun eine Versuchsumgebung zur Verfügung, in der das Verhalten neuartiger netzbildender Regelverfahren in einer Inselnetzumgebung einfach untersucht werden kann. Es wurden bereits Untersuchungen mit dem Regelverfahren „Synchronverter“, welcher das Verhalten eines Synchrongenerators mit einem Umrichter nachbildet, durchgeführt und veröffentlicht.

Es wurde experimentell gezeigt, dass umrichterbasierte Erzeugungsanlagen mit einer entsprechenden Regelung eine Momentanreserve bereitstellen und somit das Netz stützen können. Im Gegensatz zu Echtzeitemulatoren ließ sich hier zudem belegen, dass eine netzbildende Regelung auf einer im industriellen Umfeld etablierten Regelungsplattform implementierbar ist.

In der Zukunft wird die Entwicklung netzbildender Regelverfahren mit dem Ziel fortgeführt, diese in umrichterbasierten Betriebsmitteln wie zum Beispiel Windenergieanlagen zu verwenden. Da die Untersuchung mit der Umrichteremulation erfolgreich war, wird aktuell ein Versuchsstand aufgebaut, der den Antriebsstrang einer Windenergieanlage bestehend aus Generator und Vollumrichter in herunterskalierter Leistung darstellt.

Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Einsatz von in Windenergieanlagen verwendeten Komponenten gelegt, wie zum Beispiel Regelungshardware und Leistungshalbleiter. Es soll untersucht werden, wie die Implementierung einer netzbildenden Regelung in einer Windenergieanlage möglich ist.

Bildergalerie

  • Bedienung und Überwachung der Netznachbildung per TwinCAT HMI

    Bedienung und Überwachung der Netznachbildung per TwinCAT HMI

    Bild: IEH/KIT

  • Bei der Umrichteremulation ermöglicht der Embedded-PC CX2030 kurze Regelungszykluszeiten von 50 µs.

    Bei der Umrichteremulation ermöglicht der Embedded-PC CX2030 kurze Regelungszykluszeiten von 50 µs.

    Bild: IEH/KIT

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