Hitze und Computer vertragen sich bekanntlich nicht gut. Wird ein Rechner zu heiß, gerät seine Leistung ins Stocken und er kann sogar abstürzen. Wie steht es aber um den künftigen Quantencomputer? Diese Hochleistungsrechner der Zukunft reagieren sogar noch empfindlicher auf Wärmeentwicklung. Ihre Grundrecheneinheiten – die Quantenbits, genannt Qubits – basieren nämlich auf hochempfindlichen Einheiten, teils auf einzelnen Atomen. Wärme kann hier ein entscheidender Störfaktor sein.
Das grundlegende Dilemma: Um die Information eines Qubits abzurufen, muss zwangsläufig sein Quantenzustand zerstört werden, wodurch Wärme freigesetzt wird. Diese Wärme kann wiederum das sensible Quantensystem stören. Die eigene Wärmeentwicklung könnte dem Quantencomputer folglich zum Problem werden, vermuten die Physiker Wolfgang Belzig (Universität Konstanz), Clemens Winkelmann (Grenoble INP) und Jukka Pekola (Aalto University, Helsinki).
Ihnen gelang es nun, die Wärmeentwicklung von supraleitenden Quantensystemen experimentell nachzuweisen. Sie entwickelten hierfür ein Verfahren, das den Temperaturverlauf beim Auslesen eines Qubits auf die Millionstel Sekunde genau messen und in seinem Zeitverlauf darstellen kann. „Wir können dadurch sozusagen zuschauen, wie der Prozess passiert“, erklärt Belzig.
Auch supraleitende Quantensysteme produzieren Wärme
Die bisherige Forschung zum Quantencomputer kreist um die Grundlagen, die den Hochleistungsrechner zum Laufen bringen sollen: Vieles dreht sich vorwiegend um die Kopplung von Quantenbits und um die Frage, welche Materialsysteme sich am besten für Qubits eignen. Um Wärmeentwicklung hat sich die Quantencomputer-Forschung bisher wenig Gedanken gemacht: Gerade bei supraleitenden Qubits, die vermeintlich aus einem ideal leitenden Material bestehen, wird häufig schlicht und ergreifend davon ausgegangen, dass keine Wärme entsteht oder diese vernachlässigbar ist.
„Das ist ein Irrtum“, warnt Belzig: „Bei Quantencomputern wird oft an idealisierte Systeme gedacht. Aber auch die Schaltung eines supraleitenden Quantensystems produziert Wärme.“ Wie viel genau, können die Forscher und Forscherinnen nun präzise nachweisen.
Wie die Wärmemessung beim Quantenbit funktioniert
Das Messverfahren wurde für supraleitende Quantensysteme entwickelt. Diese basieren auf supraleitenden Schaltkreisen, welche als zentrales elektronisches Element die sogenannten Josephson-Kontakte nutzen. „Wir messen die Elektronentemperatur durch die Leitfähigkeit eines solchen Kontakts. Das ist an sich noch nichts Ungewöhnliches: Viele elektronischen Thermometer basieren in gewisser Weise auf der Messung von Leitfähigkeit anhand eines Widerstands. Das Problem ist nur: Wie schnell kann man so etwas auslesen?“, macht Winkelmann deutlich. Im Fall der Veränderung eines Quantenzustands haben wir es immerhin mit Zeiträumen von Millionstel Sekunden zu tun.
„Der Trick ist: Wir haben den Widerstand, der uns die Temperatur gibt, in einen Resonator gesetzt – ein schwingender Schaltkreis, der bei einer gewissen Frequenz eine starke Antwort hat. Diesen Resonator, der bei 600 MHz schwingt, kann man sehr schnell auslesen“, erläutert Winkelmann das Verfahren.
Wärme wird immer entstehen
Mit ihrem experimentellen Nachweis wollen die Forscher den Blick auf die thermodynamischen Prozesse eines Quantensystems lenken. „Unsere Nachricht an die Fachwelt lautet: Vorsicht, es wird immer Wärme entstehen. Wir können sogar messen, wie viel“, sagt Winkelmann.
Diese Wärmeentwicklung könnte insbesondere in Hinblick auf die Skalierbarkeit von Quantensystemen relevant werden, schildert Belzig: „Einer der größten Vorteile von supraleitenden Qubits ist, dass sie so groß sind – weil man sie dadurch gut bauen und kontrollieren kann. Wenn man aber viele Qubits auf einen Chip setzen will, ist die Größe wiederum ein Nachteil. Es muss den Entwicklern und Entwicklerinnen bewusst sein, dass entsprechend mehr Wärme entsteht und man das System adäquat kühlen muss.“
Die Forschung fand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 1432 „Fluktuationen und Nichtlinearitäten in klassischer und Quantenmaterie jenseits des Gleichgewichts“ der Universität Konstanz statt.