Wie vielseitig Energie ist, zeigen nicht nur die unterschiedlichen Möglichkeiten, sie zu gewinnen – Energie kann darüber hinaus viele Formen annehmen und lässt sich in den unterschiedlichsten Medien speichern. Diese Eigenschaft nutzen Power-to-X-Technologien: Sie erlauben es, überschüssigen Strom dezentral umzuwandeln, etwa in Wärme oder Kraftstoff.
Das X markiert dabei die Wandlungsfähigkeit von elektrischer Energie und steht für das jeweilige Endprodukt, das vom eingesetzten Verfahren abhängt. Und noch etwas symbolisiert das X in Power-to-X: Die darunter zusammengefassten Technologien bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor und sind ein integraler Bestandteil der Sektorenkopplung.
Power-to-Gas: der Hoffnungsträger
Eine der bekanntesten Arten von Power-to-X ist Power-to-Gas (PtG). Dabei wird erneuerbare Energie mittels Wasserstoffelektrolyse in ein Brenngas umgewandelt. Dieses kann anschließend in das öffentliche Gasnetz eingespeist, zwischengespeichert oder als Treibstoff genutzt werden. Wie wichtig diese Technologie ist, um die von der Bundesregierung angestrebten Treibhausgasminderungen von 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu erreichen, hatte im Herbst 2017 eine Leitstudie der Deutschen Energieagentur (Dena) unterstrichen. Demnach lassen sich die Klimaschutzziele nur mit Hilfe synthetischer Brenn- und Kraftstoffe erreichen. Deutschland müsse dafür aber international dafür werben, dass globale Märkte für PtG entstehen. Hierzulande sei es zudem wichtig, einen technologieoffenen Rechtsrahmen zu schaffen.
Auf der Website www.powertogas.info informiert die Dena umfassend über Potenziale und Partner der PtG-Technologie. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Projekte zur Erprobung der Technologie. Eines dieser Projekte, in denen sich PtG in der Praxis bereits beweisen durfte, war die weltweit erste PtG-Pilotanlage. Von der Thüga 2014 auf dem Unternehmensgelände des Energieversorgers Mainova in Frankfurt in Betrieb genommen, übertraf die Anlage besonders in puncto Wirkungsgrad alle Erwartungen: In ihrem relevanten Lastbereich zwischen 50 und 325 Kilowatt erreicht die Gesamtanlage – von der Stromentnahme bis zur Gaseinspeisung – einen Wirkungsgrad von bis zu 77 Prozent, bezogen auf den Brennwert.
Power-to-Liquid: Erneuerbare tanken
Die eingangs erwähnte Dena-Studie rät Deutschland auch, globale Märkte für Power-to-Liquid zu schaffen. Bei dieser Power-to-X-Variante bildet erneuerbare Energie – oder das Gas einer PtG-Anlage – die Basis für die Herstellung flüssiger Kraftstoffe. Auf diese Weise ist es möglich, Solarenergie als flüssigen Treibstoff in den Tank zu holen. Eine Pilotanlage des KIT hat bereits die technische Machbarkeit dieses Verfahrens unter Beweis gestellt: Im Projekt Soletair wurden vergangenes Jahr 200 Liter synthetischen Kraftstoffs aus Solarenergie und dem Kohlenstoffdioxid der Luft über den Weg der Fischer-Tropsch-Synthese gewonnen. Die mobile, dezentral einsetzbare chemische Pilotanlage produziert aus regenerativem Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid Benzin, Diesel und Kerosin und ist so kompakt, dass sie in einen Schiffscontainer passt.
Auch das Cleantech-Unternehmen Sunfire aus Dresden hat bereits Erfahrung mit dem Power-to-Liquid-Verfahren gesammelt. Es hat eine Anlage auf Basis der Hochtemperatur-Elektrolyse entwickelt und ihre Einsatzfähigkeit im industriellen Maßstab bewiesen. Die Hochtemperatur-Elektrolyse steht am Anfang des Power-to-Liquid-Verfahrens und zerlegt Wasserdampf in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Das gelingt mit einem Wirkungsgrad von 90 Prozent, bezogen auf den Brennwert. Über einen zweiten Schritt wird mit dem gewonnenen Wasserstoff und zugefügtem Kohlendioxid ein Synthesegas generiert, das wiederum die Basis für Produkte aus langkettigen Kohlenwasserstoffen ist, also synthetische Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin oder Wachse für die Chemieindustrie.
Mittlerweile stellt das Unternehmen den Erdölersatz Blue Crude her, der auf Ökostrom, CO2 und Wasser basiert. Laut Sunfire lassen sich mit Blue Crude rund 3000 Produkte herstellen, die bislang auf fossilem Erdöl basieren. Dieser Erdölersatz könnte unmittelbar in den bestehenden Verteilnetzen und Produktionsprozessen verwendet werden. 2020 soll im norwegischen Industriepark Heroya die erste Großvolumen-Anlage in Betrieb gehen und mit einer elektrischen Leistung von 20 Megawatt 8000 Tonnen pro Jahr produzieren.
Power-to-Heat: Energie zum Kochen bringen
Besonders relevant für den Wärmesektor ist Power-to-Heat. Dabei wird Wärme aus elektrischer Energie erzeugt. Power-to-Heat-Anlagen, wie sie die Stadtwerke Neumünster gemeinsam mit dem Power-to-Heat-Unternehmen Enerstorage betreiben, dienen vor allem dazu, das Stromnetz als Puffer zu stabilisieren. Voraussetzung dafür: Flexibilität. Die 20-Megawatt-Anlage in Neumünster ist innerhalb von nur fünf Minuten erreichbar und fängt starke Schwankungen auf, die durch den Einsatz erneuerbarer Erzeugungsanlagen entstehen. Überschussstrom aus dem Netz wird in Dampf überführt und in das lokale Fernwärmenetz eingespeist, das etwa 20.000 private Haushalte und Unternehmen versorgt.
Ebenso viele Haushalte versorgt auch in Wien seit 2017 eine 20-Megawatt-Anlage. In der Anlage erhitzt überschüssiger Strom in Elektrodenkesseln Wasser auf rund 160 Grad Celsius. Über einen Wärmetauscher wird das heiße Wasser ins Fernwärmenetz eingespeist und kann so die umliegenden Haushalte heizen. Die Anlage besteht aus zwei separaten Anlagen mit je 10 Megawatt Leistung, die unabhängig voneinander betrieben werden können, und zwar immer dann, wenn ein Überangebot an Energie besteht. Die Anlage nimmt in diesem Fall den Überschuss auf und stabilisiert damit das Stromnetz. Sie ermöglicht die vollständige Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen.
Power-to-Cool: eiskalt nachhaltig
Das Ganze funktioniert auch in die andere Richtung, wie eine ganz besondere Power-to-Heat-Anlage in Berlin zeigt. Gasag Solution Plus betreibt dort auf dem Euref-Campus eine Anlage, die Power-to-Heat mit der verwandten Technologie Power-to-Cool (P2H-/P2C) verbindet. Die P2H-/P2C-Anlage besteht aus zwei Speichern mit je 22 Kubikmetern Kapazität sowie einem Elektroheizer mit 550 Kilowatt elektrischer Leistung. Sie nutzt überschüssigen Strom zum einen zur Erwärmung von Wasser.
Zum anderen ermöglicht eine Verbindung mit zwei Kompressionskältemaschinen nach gleichem Prinzip die lokale Kälteversorgung und gewährleistet das Speichern von überschüssigem Strom auch im Sommerbetrieb. Den Ausgleich einer zu geringen Netzspannung gewährleistet der Anschluss an ein Biomethan-BHKW. Durch diese Kombination aus P2H-/P2C-Anlage und dem eingebundenen BHKW kann die Energiezentrale sogar sowohl bei Stromüberschüssen als auch bei geringem Stromangebot einen netzstabilisierenden Beitrag leisten.