Emissionsarme Antriebe für die Zukunft fand man auf der IAA 2013 bei nahezu jedem Hersteller: Hochaufgeladene Verbrennungsmotoren mit kleinem Hubraum und geringem Verbrauch genauso wie Plug-in-Hybridkonzepte, deren elektrischer Speicher an der Steckdose geladen werden kann. Für die Gesamteffizienz des Antriebs - ob mit Flüssigkraftstoff oder elektrisch betrieben - spielt jedoch die Übersetzung der Motordrehzahl zur Achse eine entscheidende Rolle. Wenn sie auch nicht im Rampenlicht standen, so spielten innovative Getriebekonzepte daher auf der IAA eine wesentliche Rolle.
Neue Automatikgetriebe
Besondere Aufmerksamkeit genossen zwei neue Neungang-Automatikgetriebe. Das eine, vom Systemlieferanten ZF entwickelt, ist für den Frontquereinbau gedacht. Das andere, eine Eigenentwicklung von Mercedes, ist für den klassischen Längseinbau in Verbindung mit Hinterradantrieb vorgesehen. Beiden gemeinsam ist eine sehr hohe Spreizung der Übersetzung zwischen höchstem und niedrigstem Gang von mehr als 9 zu 1. Außerdem kommen beide mit sehr geringem Bauraum aus. Das Frontquer-Getriebe mit der Bezeichnung ZF 9HP erreicht geringe Außenabmessungen durch mehrere Maßnahmen: So kommen für die neun Gänge nur vier Radsätze zum Einsatz, die zudem verschachtelt auf zwei parallelen Wellen angeordnet sind. Die Gänge werden über sechs Schaltelemente zugeschaltet, von denen zwei als Klauenkupplungen ausgeführt sind. Diese verlängern anders als Lamellenkupplungen die Gesamtbaulänge des Getriebes nicht.
Dynamisch und sparsam
Durch die feinere Abstufung kann der Verbrennungsmotor öfter im optimalen Betriebspunkt laufen, so dass sich im Vergleich zu heute üblichen Sechsganggetrieben eine Verbrauchseinsparung von mehr als elf Prozent ergibt. Die hohe Spreizung nutzt besonders im realen Fahrbetrieb, da die Motordrehzahl bei Autobahngeschwindigkeit deutlich abgesenkt werden kann. So beträgt sie in der Standardkonfiguration bei 120 km/h im neunten Gang nur noch 2170 Umdrehungen pro Minute. Die Serienproduktion des 9HP ist kürzlich in den USA angelaufen. Als erstes Modell wird der Range Rover Evoque mit dem neuen Stufenautomaten ausgerüstet. Traditionell baut Daimler die Automatikgetriebe für Mercedes-Benz-Pkw selbst. Bislang stellte die 7G-Tronic mit sieben Übersetzungsstufen die technische Speerspitze dar; sie wird nun abgelöst durch die 9G-Tronic. Die zwei zusätzlichen Gänge führen nicht zu anderen Außenabmessungen und es wird sogar ein Kilo Gewicht gespart. Auch Mercedes kommt mit vier Planetenradsätzen aus, die allerdings auf einer Welle liegen - bei Längseinbau ist der Getriebedurchmesser noch kritischer als dessen Länge. Als Schaltelemente werden drei Lamellenbremsen und drei Lamellenkupplungen verwendet. Eine Besonderheit des Mercedes-Getriebes ist ein Fliehkraftpendel im Wandler, das Drehungleichförmigkeiten des Triebstrangs dämpft, die besonders bei Fahrten mit niedrigen Drehzahlen unangenehm auffallen können. Hier geht Mercedes in der ersten Applikation noch deutlich weiter als die ZF-Kunden: Bei 120 km/h im neunten Gang liegt die Motordrehzahl bei nur 1350 Umdrehungen je Minute. Im Normzyklus beträgt die Verbrauchseinsparung allein durch das Getriebe 6,5 Prozent. In Kundenhand gelangt es zunächst nur in kleiner Stückzahl in einer besonders verbrauchsgünstigen Version der E-Klasse. Ab Ende 2014 soll die 9G-Tronic dann in weiteren Modellen des Herstellers angeboten werden.
Hybridisierung
Sowohl Mercedes als auch ZF weisen darauf hin, dass die neuen Getriebe von vorne herein auf Hybridisierung ausgelegt sind. Üblicherweise wird in diesem Fall der Wandler durch einen Elektromotor und eine zusätzliche Kupplung ersetzt. Während dieser Einbau bei Stufenautomaten bereits mehr oder weniger Standard ist, bereitet die Teilelektrifizierung von Doppelkupplungsgetrieben größeres Kopfzerbrechen. Auf der IAA hat jedoch Getrag, größter unabhängiger Hersteller von Doppelkupplungsgetrieben, dafür erstmals seine Lösung vorgestellt. Die E-Maschine wird beim Hybridgetriebe 7HDT300 direkt im Getriebe verbaut, und zwar achsparallel zu der Welle mit den geraden Gängen. Sie verfügt über ein eigenes Untersetzungsgetriebe, so dass eine hochdrehende Asynchronmaschine verwendet werden kann, die gegenüber einer permanent erregten Synchronmaschine deutliche Kostenvorteile besitzt. Die Anordnung des Elektromotor ermöglicht zudem eine Aufteilung des Drehmoments von Verbrennungs- und Elektromotormotor. Für die Kühlung des Motors wird dieselbe Ölpumpe genutzt, die auch die nassen Kupplungen versorgt. Noch schwieriger gestaltet sich die Hybridisierung von Handschaltgetrieben. In Verbindung mit höheren elektrischen Leistungen und Hochvolttechnik wird dies auf absehbare Zeit auch so bleiben. Auf der IAA wurden jedoch von mehreren Herstellern und Zulieferern sogenannte „milde Hybride“ mit elektrischen Leistungen von maximal 15 Kilowatt und relativ kleinen Energiespeichern (250 Wattstunden) gezeigt. Sie arbeiten mit einem 48-Volt-Bordnetz und versprechen im Normzyklus trotz der geringen elektrischen Reichweite Verbrauchseinsparungen bis zu 15 Prozent. Um die Systemkosten für einen 48-Volt-Hybrid so gering zu halten, dass ein Einsatz auch in Kompakt- oder Mittelklasse in Frage kommt, hat Schaeffler ein kompaktes Antriebsmodul entwickelt, das über ein integriertes Planetengetriebe zwei Übersetzungsstufen bietet und damit ebenfalls auf hochdrehende Elektromaschinen zielt. Das Modul soll auch auf die Ausgangswelle eines Handschaltgetriebes montiert werden können.
Weitere Entwicklung
Der auf der IAA allerorten zu bestaunende Trend zum automatisierten Fahren hat für die Getriebeentwickler ebenfalls Konsequenzen. Da Getriebeschaltungen als extrem sicherheitsrelevant gelten, müssen Steuerungen künftig der Sicherheitsstufe D im ASIL-Schema (Automotive safety integrity level) genügen. Das erfordert nicht nur Redundanzen in der Hardware, zum Beispiel beim Prozessorkern, sondern Absicherung und Tests der Software. Das Getriebe als Kernkomponente des Antriebs und damit des Automobils ist also keineswegs am Ende seiner Entwicklung.