Optische Kontrolle Virtuelle Bildverarbeitung vereinfacht Inspektionsvorgänge

Mit Hilfe von virtueller Bildverarbeitung lassen sich auch komplexere und individualisierte industrielle Produkte automatisiert prüfen.

17.08.2018

Online-Inspektionssysteme haben sich in vielen Produktionsumgebungen bewährt. Aber was passiert, wenn die Bauteile komplizierter werden? Wie lässt sich trotz zunehmender Individualisierung von industriell hergestellten Produkten ihre Prüfung automatisieren? Antworten liefert die virtuelle Bildverarbeitung, die den Inspektionsvorgang komplett simuliert.

Die Idee entstand während der Zusammenarbeit der AG „Computergrafik“ der TU Kaiserslautern und der Abteilung „Bildverarbeitung“ des Fraunhofer ITWM in den vergangenen beiden Jahren im Leistungszentrum „Simulations- und Software-basierte Innovation“. Gerade im interdisziplinär aufgestellten Leistungszentrum wurde klar, dass die Forschung im Bereich virtuelle Bildverarbeitung nur weiterkommt, wenn das Wissen unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenfließt. Die Kooperation zwischen der ITWM-Abteilung und der AG besteht schon seit vielen Jahren und führte nun zur Gründung einer internationalen Forschungsgruppe.

Optische Kontrolle komplexer Produkte

Die Forschungsgruppe kombiniert die Gebiete Bildverarbeitung, Computergraphik, Machine Learning und Robotik, um die optische Inspektion von komplexen Produkten möglich zu machen. Die grundsätzliche Idee besteht darin, den kompletten Vorgang einer optischen Inspektion im Rechner zu simulieren. »Dieses Ziel ist sicherlich nur zu erreichen, wenn Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen miteinander kooperieren. Das heißt aber auch für uns, dass wir explizit fachübergreifende Promotionsthemen definieren und ausschreiben müssen«, so Markus Rauhut, Abteilungsleiter Bildverarbeitung am ITWM.

Diese Einschätzung teilt Prof. Hans Hagen, Leiter der AG Computergrafik am Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern: „Neben der Computergrafik und Visualisierung brauchen wir auch Methoden des Physically Based Modelling für eine tragfähige Simulation. Dies ermöglicht Modellbildungen basierend auf physikalischen Prinzipien, Visualisierungstechniken dienen der prozessbegleitendenden Qualitätskontrolle.“

Ziel: Komplette Inspektionsumgebung simulieren

„Komplexe Freiformoberflächen auf Fehler zu untersuchen bedeutet für eine Maschine nicht nur, die Oberflächenform genau zu kennen, sondern auch Variablen wie Lichteinfall oder Kameraposition exakt zu berücksichtigen“, erklärt Markus Rauhut. Während Menschen die sich verändernden Umstände durch Erfahrung (zumeist teilweise) ausgleichen, falle es Inspektionssystemen schwer, so flexibel „mitzudenken“, dass sie individuell und treffgenau arbeiten.

Ein Schritt auf dem Weg zur virtuellen Inspektion ist die am Fraunhofer ITWM entwickelte Revolving/Evolving Product Inspection EPI. Bei der umlaufenden Inspektion werden nicht nur die Rahmenbedingungen, wie die Bauteilgeometrie und die Oberflächenbeschaffenheit, möglichst exakt berücksichtigt, sondern das System hat auch gelernt, wo mögliche Problemstellen bei der Analyse liegen können. „Gefüttert“ wird es zunächst mit den CAD-Daten eines Werkstückes – das heißt, das Inspektionssystem weiß, wie ein Gutteil aussehen soll.

Die Software ist so konzipiert, dass sie anhand des spezifischen Produkts individuelle Scanpfade für die auf einen Drehteller platzierten Objekte berechnet. Sie nutzt dabei die Vorteile des Raytracing; damit lassen sich Vorhersagen berechnen, welche Bereiche eines Bauteils aus welcher Position sichtbar sind.

Paradigmenwechsel in der Oberflächeninspektion

Bereits heute werden Autos oder Flugzeuge komplett simuliert, bevor sie gebaut werden. Die Kaiserslauterer Forscherinnen und Forscher nehmen sich zwar kleinere Produkte vor (Thermoskanne, Fön, bedruckte Tasse etc.), gehen aber einen Schritt weiter. Sie wollen eine Softwareinfrastruktur erstellen, welche die komplette Inspektionsumgebung simuliert; dazu gehören neben den Eigenschaften des Prüfstücks auch die Eigenschaften aller Handwarekomponenten (Beleuchtung, Kamera, Optik etc.). Die Architektur der Software soll dabei so gestaltet werden, dass kommerzielle Anbieter von Sensoren, Beleuchtungen etc. ihre produktspezifischen Eigenschaften (beispielsweise Kameraparameter) einpflegen können, ohne sensibles Knowhow preisgeben zu müssen. Das System wird also herstellerunabhängig sein.

Petra Gospodnetic schreibt ihre Dissertation in der Abteilung Bildverarbeitung und vergleicht den neuen Ansatz mit dem autonomen Fahren: „Wie dieses steht unser System für eine deutliche Zäsur in der Automatisierung: Am Ende der Entwicklung werden wir ein System haben, das die autonome Inspektion erlaubt, unabhängig von der Form des Prüfteils.“

Bildergalerie

  • Die Arbeitsgruppe besteht aus Petra Gospodnetic, Dascha Dobrovolskij, Markus Rauhut, Prof. Hans Hagen, Markus Kronenberger und Dennis Mosbach. Auf dem Foto fehlt Falco Hirschenberger.

    Die Arbeitsgruppe besteht aus Petra Gospodnetic, Dascha Dobrovolskij, Markus Rauhut, Prof. Hans Hagen, Markus Kronenberger und Dennis Mosbach. Auf dem Foto fehlt Falco Hirschenberger.

    Bild: Fraunhofer ITWM

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