Auf der Kläranlage in Bottrop geht die Emschergenossenschaft einen großen Schritt in die Energiegewinnung der Zukunft: Der Wasserwirtschaftsverband erforscht bereits seit mehreren Jahren die Potenziale der Energiegewinnung durch Klärschlammverwertung. Rund 70 Prozent der auf der Anlage benötigten elektrischen Energie wird schon heute direkt vor Ort erzeugt. Aber der Verband will noch mehr: Aus dem Abwasserklärwerk soll ein Hybridkraftwerk erschaffen werden und damit das Klärwerk bilanziell energieautark werden. Das ist ein Modellprojekt für deutsche Kläranlagen und die Wasserwirtschaft anderer Metropolen. Die Kläranlage ist der größte kommunale Energieverbraucher. Mit einer Reinigungsleistung von bis zu 8,5 Kubikmetern pro Sekunde und einer Anschlussleistung von 1,34 Millionen Einwohnerwerten ist die Kläranlage der Emschergenossenschaft in Bottrop eine der größten Kläranlagen Deutschlands. Die Faulbehälteranlage mit ihren vier eiförmigen, 54 Meter hohen Türmen ist das Aushängeschild der Anlage. Mit einem Gesamtvolumen von 60 000 Kubikmetern zählt sie zu den größten der Welt. Die Kläranlage ist zum einen einer der größten kommunalen Energieverbraucher – ihr Strombedarf von 35 Millionen Kilowattstunden im Jahr entspricht dem Verbrauch einer Kleinstadt mit 25 000 Einwohnern – zum anderen erzeugt sie mehr als 70 Prozent der benötigten Energie selbst an Ort und Stelle.
Die wertvollen Rohstoffe zur Wärmegewinnung und Stromerzeugung gewinnt die Kläranlage über die Abwasserreinigung in den Faulbehältern. So werden aus den 190 000 Tonnen energiereichem Klärschlamm im letzten Schritt der Abwasserreinigung über sieben Millionen Kubikmetern methanhaltigem Klärgas jährlich gewonnen. Das Klärgas wird zur Stromgewinnung im Blockheizkraftwerk genutzt; in weiteren Veredelungsstufen wird aus dem Klärgas unter anderem Gas in Erdgasqualität gewonnen. Mit diesem Bio-Erdgas können auch die hauseigenen erdgasbetriebenen Fahrzeuge der Emschergenossenschaft in Bottrop betankt werden.
Am Standort der Kläranlage Bottrop verfolgt der Abwasserentsorger die Idee zur energieautarken Klärwerk konsequent zu Ende. Dort soll die erste Kläranlage Deutschlands entstehen, die sich aus fünf erneuerbaren Energieträgern zu 100 Prozent selbst versorgt: mit Sonnenenergie, Windkraft, Klärgas, einer Wasserkraftanlage und Strom, der im Verbrennungsprozess des Klärschlamms über eine Dampfturbine erzeugt wird. Der bereits vor einigen Jahren eingeschlagene Weg hat 2016 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Als größter Kläranlagenbetreiber Deutschlands haben Emschergenossenschaft und Lippeverband (EG/LV) frühzeitig eine detaillierte Potenzialanalyse zur Windenergienutzung durchgeführt, um damit die Möglichkeiten für die Errichtung von Windenergieanlagen auf wasserwirtschaftlichen Standorten auszuloten.
Mit Bausteinen zum Hybridkraftwerk
Zur weiteren Steigerung der Eigenenergieerzeugung konnte auf der Kläranlage in Bottrop eine Windenergieanlage mit der Leistung von 3,1 MW errichtet werden. Nach umfangreichen Voruntersuchungen und Gutachten, unter anderem zu den Themen Lärm, Schall und Artenschutz, ist seit Frühjahr 2016 eine Windanlage als Nebenanlage zur Kläranlage in Betrieb. Sie hat eine Nabenhöhe von 100 Metern sowie einen Rotordurchmesser von 120 Metern und ist speziell für Schwachwindzonen vom Hersteller erbaut worden. Abhängig vom Winddargebot soll die Anlage eine Strommenge von vier bis fünf Millionen Kilowattstunden pro Jahr produzieren. Neben der Windenergieanlage werden demnächst aktuell vier neue BHKW in Betrieb genommen. Die vier neuen Module mit einer Leistung von jeweils 1,2 MW Leistung, einer erwarteten Jahresproduktion von über 15 Millionen Kilowattstunden und einen deutlich verbesserten Wirkungsgrad im Vergleich zur Altanlagen, werden gemeinsam den Standort über große Teile des Jahres in eine Energieautonomie bringen.
Energieautarkie ist das Ziel
Bis zum Jahr 2018 folgt auf dem Weg zur vollständigen Umsetzung des Hybridkraftwerks noch die Installation eine Photovoltaikanlage auf einer Dachfläche von zirka 500 m2, eine Wasserkraftschnecke im Ablauf der Kläranlage mit zirka 80 KW Leistung sowie als Ersatz für die Altanlage eine neue Dampfturbine mit mindestens 4 MW Leistung als Teil der ansässigen Klärschlammverbrennung. Ergänzt werden soll das Hybridkraftwerk noch durch eine thermo-solare Trocknung des Klärschlamms, bei der die am Standort anfallende Wärme sinnvoll genutzt werden kann.