A&D:
Die Firma ILME gibt es ja schon seit 1938 in Italien. Wie entstand die deutsche Niederlassung?
Marc Thiedecke:
Die Inhaber von ILME habe ich 1992 zufällig auf der Hannover Messe kennengelernt. Das Unternehmen war damals schon international tätig, hatte Deutschland, als Höhle des Löwen in Sachen Steckverbinder aber noch ausgespart. Einige Wochen nach unserem Kennenlernen habe ich dann eine überraschende Einladung nach Mailand angenommen. Bei der Besichtigung der Werke, haben mich die modernen Fertigungsanlagen überzeugt. In erster Linie waren es aber die unternehmerischen Philosophien und Ziele der Unternehmerfamilie Casagrande, welche mich für das Unternehmen eingenommen haben. Diese sind vollkommen anders als solche in den größeren Unternehmen, in welchen ich bis dahin tätig war. Anfang 1993 haben wir dann die deutsche ILME gegründet, die ich seit 22 Jahren leite. Wir sind welt- und europaweit und auch in Deutschland die eindeutig definierte Nummer 2 im industriellen Rechtecksteckverbindermarkt.
Gelten diese Grundsätze auch heute noch?
Ja, das tun sie, und da heißt es beispielsweise, dass die bestmögliche Entfaltung der Kraft eines Mitarbeiters über seine persönliche Freiheit entsteht. Dass in den ILME Unternehmen nicht kontrolliert wird, war für mich ein ganz irritierender Ansatz. Auch dass Qualität nicht durch eine Zertifitzierung oder das Management, sondern nur über die Eigenverantwortung jedes einzelnen Mitarbeiters entsteht. Dass eben die Art und Weise, wie wir den Mitarbeitern diese Verantwortung vermitteln, darüber entscheidet, wie erfolgreich unser Unternehmen ist. Diese Philosophie hat mich überzeugt.
Wie stellen sich Ihre Zielmärkte dar?
Wir betrachten uns als Partner des Individualmaschinenbaus. Das heißt, das wir nicht die klassischen Komponentenanbieter sind, die 5000 Steckverbinder oder 5000 Konfektionen der gleichen Sorte zum günstigsten Preis an den Kunden liefern. Sondern wir sehen uns als Berater. Fast alle unsere Außendienstler sind Elektroingenieure, die bei der Schnittstellendefinition helfen. Von daher qualifizieren wir uns für den Maschinenbauer, der zum Beispiel keine eigene Elektroplanung hat. Um die Schnittstellen an seiner Maschine zu planen, holt er uns ins Boot. Zielkunden sind die mittelständischen Maschinenbauer. Dann gibt es natürlich die Bereiche Wind, Bahn, Robotik und Logistik-Systeme.
Wo wollen Sie in der nächsten Zeit hin?
Die letzten zehn Jahre haben wir durch unsere Produktpersönlichkeit und unser Auftreten am Markt die Position zwei erreicht. Das hängt natürlich auch mit den Wettbewerbern zusammen, deren Produktportfolio so groß ist, dass sie dem Steckverbinder nicht diese Aufmerksamkeit widmen können wie wir. Wir haben unser Programm sehr stark verbreitert und haben sehr wichtige Schritte in Listungen der Automobilindustrie gemacht. Zusätzlichen haben wir ein starkes technisches Marketing. Das sind bei uns Mitarbeiter am Standort Köln, welche Schlüsselkunden aus den einzelnen Branchen auf der ganzen Welt besuchen und mit diesen diskutieren, wie der Steckverbinder oder die Schnittstelle in Zukunft aussehen muss, damit das Produkt den technischen Entwicklungen der Kunden gerecht wird. Das sehen wir als unsere Zukunft und das ist ein Thema das wir ausbauen möchten.
Wie genau sieht der weitere Prozess aus?
Im Anschluss an solch einen Termin setzen wir uns zusammen und sondieren den Markt: Gibt es das schon? Bauen unsere Wettbewerber solche Lösungen? Gibt es die Komponente in einer anderen Bauform oder einem anderen System und welche Materialien kommen für die Umsetzung in Betracht. Aus den Antworten auf diese Fragen entwickeln wir eine Produktidee, welche wir dann in der Zentrale in Mailand zur Umsetzung vorstellen mit der Aussage: Das muss eines unserer zukünftigen Projekte sein!
Ziel ist die Serienproduktion des jeweiligen Produktes?
Serienfertigung ist immer unser Ziel. Ganz häufig ist es so, dass der Wunsch eines einzelnen Kunden am Ende zu einem Katalogartikel führt. Jedoch ist dem Kunden auch klar, dass wenn wir sein Produkt in den Katalog nehmen, andere mit der gleichen Komponente arbeiten. Aber die Serie wird für ihn günstiger und das macht es für ihn schmackhaft. Natürlich geht das nicht immer. Jedoch ist es unser Ziel, Sonderanfertigungen zur Katalogreife zu bringen. 60 bis 70 Prozent der neuen Produkte der letzten zehn Jahre sind durch solche kundengesteuerte Entwicklungsprozesse entstanden. Nehmen Sie unsere Schnellanschlusstechnik Squich. Die Wünsche nach bequemerem und vor allem werkzeuglosen Anschluss haben diese Technik initiiert.
Wie produzieren und vertreiben Sie Ihre Produkte?
Uns ist es wichtig, nah am Kunden zu sein. Wir haben einen flächendeckenden Vertrieb, das heißt, dass jeder Kunde in Deutschland einen persönlichen Ansprechpartner in kurzer Entfernung findet. Aktuell arbeiten im deutschen Außendienst fünf festangestellte Vertriebsingenieure und zusätzlich 13 Handelsvertretungen, die auf unser Marktfeld spezialisiert sind. So sind insgesamt etwa 30 Berater in Deutschland tätig. Aufgrund unserer Struktur haben wir im gesamten Unternehmen kurze Wege. Das eröffnet die Möglichkeit, in die Fertigung einzugreifen und wichtige Projekte vorzuziehen. Mittlerweile sind wir die einzigen, die noch rein in Europa produzieren. Als deutsches Gruppenunternehmen profitieren wir natürlich sehr davon. Einerseits wegen des Qualitätsstandards, anderseits wegen der Lieferperformance. Fast alle Wettbewerber produzieren mittlerweile in China, was auch keine Schande ist, aber wenn Sie aus China etwas brauchen, dauert es in der Regel lange.
Und Ihre Unternehmensphilosophie – ist die nach außen sichtbar?
Ja, denn sie spiegelt sich in der Qualität der Produkte wider. Wenn Sie ein Produkt haben, das ungeheuer viel Verantwortung trägt, dann ist das normalerweise auch sehr teuer. Ein Steckverbinder ist am Ende ein in Serienfertigung hergestelltes günstiges Bauteil, welches aber eine enorme Verantwortung für den Prozess trägt und bei einem Ausfall sehr hohe Schäden verursachen kann. Daher steht langlebige Zuverlässigkeit im Zentrum unserer Qualitätsphilosophie. Wenn 50 Beteiligte an einem Produkt arbeiten, vom Designer bis zum Mitarbeiter in der Verpackstation und am Ende klebt ein Automat einen Aufkleber falsch herum auf das Produkt, dann macht der überwachende Mitarbeiter die Arbeit der 49 Kollegen vor ihm kaputt. Das löst man nicht indem man eine Kamera montiert, sondern nur durch Mitarbeitermotivation. Dass unser Konzept funktioniert zeigt der breite Einsatz unserer Produkte an Maschinen für die Automobilindustrie.
Bei Ihren Produkten geht es also um Qualität und Zuverlässigkeit.
Und auch um die Vielfalt: Wir sind als Spezialist deutlich breiter aufgestellt, als viele Firmen, die auch Steckverbinder anbieten. Der Kunde kann den Steckverbinder wählen, den er wirklich benötigt, denn wir bieten zum Beispiel 16 verschiedene Gehäuseserien für unterschiedliche Anforderungen an. Stets die passende Lösung zu finden ist eine unserer Stärken.