„Das Pilotprojekt in Biberach hat Signalwirkung für den weiteren Ausbau unseres Geschäftsfelds rund um die Flexibilität“, sagt Südweststrom-Geschäftsführer Daniel-Klaus Henne. Seit März 2015 betreibt der Stadtwerke-Verbund auf dem Gelände der Hochschule für Polizei im Auftrag des Landes einen virtuellen Stromspeicher, der die Strom- und Wärmeversorgung miteinander verknüpft. Er besteht aus einer Kombination von zwei Blockheizkraftwerken (BHKW) mit einer Leistung von je 400 Kilowatt elektrisch (kWel) und 500 Kilowatt thermisch (kWth), einer Wärmepumpe (90 kWel/350 kWth), einem Elektrokessel (400 kW), zwei Wärmespeichern mit je 100 Kubikmetern, einem Kaltwasserspeicher für die Wärmepumpe (500 m3), einem Solarabsorber (500 Quadratmeter) sowie einem Gaskessel (1.700 kWth). Die BHKW werden stromgeführt betrieben.
„Mit dem hybriden BHKW kann der Wärmebedarf der Liegenschaft entweder mit dem erdgasbetriebenen BHKW oder alternativ durch den Einsatz von Überschussstrom aus dem öffentlichen Stromnetz über Wärmepumpe und Elektrokessel erzeugt werden“, so Henne. Bei Bedarf wird der Strom zurück ins Netz gespeist. Eine Steuerungssoftware berechnet unter Einbezug der prognostizierten Strombörsenpreise, Bedarfs- und Wetterprognosen sowie von aktuellen Messwerten die wirtschaftlich optimale Fahrweise. Erwartet werden Energieeinsparungen von bis zu 70 Prozent und jährliche Betriebskosteneinsparungen von mindestens 250.000 Euro gegenüber konventionellen Anlagen. Innerhalb von acht bis zehn Jahren soll sich die rund 2,5 Millionen Euro teure Anlage amortisieren.
Bei der Vermarktung des überschüssigen Stroms setzt Südweststrom vor allem auf den kurzfristigen Intraday-Handel an der Börse zu Spitzenbedarfszeiten. „Der Intraday-Handel bietet interessante Geschäftsmöglichkeiten für die Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien in Kombination mit hybriden Blockheizkraftwerken“, so Henne.
Flexible Power-to-Heat-Anlage
Er verweist darauf, dass der Börsenstrompreis beim Intraday-Handel von April 2014 bis April 2015 1.100 Stunden lang bei über 50 Euro pro Megawattstunde lag. Beim Day-Ahead-Handel, dem Handel mit Strom für den Folgetag, knackte der Börsenpreis dagegen nur 700 Stunden lang die 50-Euro-Marke. Insgesamt hat der Stadtwerke-Verbund Erneuerbare-Energien-Anlagen und BHKW mit einer Leistung von 110 Megawatt (MW) unter Vertrag.
Ein ähnliches Projekt wird derzeit von den Stadtwerken Altensteig in Baden-Württemberg realisiert. Ein bestehendes Blockheizkraftwerk in einer Schule mit einer elektrischen Gesamtleistung von rund 1.100 kW und drei Pufferspeichern mit rund 300.000 Liter Heizwasser wird um eine Wärmepumpe erweitert, die über thermische Solarkollektoren mit Primärenergie versorgt wird. Die Anlage soll über Südweststrom gesteuert werden.
Mit einer Power-to-Heat-Anlage mit einer Leistung von zehn MW rüsten derzeit auch die Stadtwerke Augsburg ein Gasturbinen-BHKW nach. Sie besteht aus einer Art überdimensionalem Tauchsieder und einem Wärmespeicher. Damit kann ebenfalls flexibel überschüssiger Strom aus dem Netz entnommen und für die Fernwärmeversorgung genutzt oder gespeichert werden. Bei Knappheit von Strom wird die gespeicherte Energie wieder zurückgespeist. Die Anlage dient so zur sogenannten Bereitstellung von negativer Sekundärregelleistung, was von den Netzbetreibern finanziell honoriert wird. Stadtwerke-Sprecher Jürgen Fergg rechnet damit, dass sich die 1,5 Millionen Euro teure Anlage hierdurch innerhalb von vier bis fünf Jahren refinanziert.
Der Stadtwerke-Verbund Trianel, zu dem mehr als 100 Versorger zählen, setzt ebenfalls auf eine verstärkte Einbindung von Blockheizkraftwerken zur Lastverschiebung von Wärme und Strom in sein virtuelles Kraftwerk. Der Strom wird hauptsächlich als Regelenergie für Übertragungsnetzbetreiber vermarktet.
Gebündelte Stromvermarktung
So geschieht das beispielsweise seit Anfang November 2015 bei einem Blockheizkraftwerk der Gütersloher Arvato SCM Solutions, das über eine elektrische Gesamtleistung von zwei MW verfügt. Es bedient die thermische und elektrische Grundlast des 300.000 Quadratmeter großen Firmengeländes des Logistikdienstleisters. „Durch die Einbindung unseres Blockheizkraftwerks in das virtuelle Kraftwerk von Trianel können wir mit wenig Aufwand Zusatzerlöse generieren und leisten durch die Bereitstellung von Eigenerzeugungsflexibilität auch einen Beitrag zur technischen Umsetzung der Energiewende“, sagt Unternehmenssprecher Arvid Tofing.
„Wir werden in den kommenden Monaten vergleichbare Projekte kommunizieren können“, kündigt eine Trianel-Sprecherin an. Trianel schätzt das technisch verfügbare und wirtschaftlich schnell nutzbare Potenzial von verschiebbaren Lasten in den Unternehmen bundesweit schon heute auf rund 3.000 MW. Für die Abschaltung beziehungsweise Zuschaltung von Leistung könnten leicht fünfstellige Euro-Erträge pro MW und Jahr erreicht werden. Auch kleinere flexible Lasten hätten das Potenzial, über die Einbindung über das virtuelle Kraftwerk von Trianel am Regelenergiemarkt teilzunehmen. Derzeit hat das Unternehmen mit Sitz in Aachen zentrale und dezentrale Anlagen mit einer Regelleistung von über 700 MW unter Vertrag.
Durch die Kombination von Power-to-Heat-Modulen mit BHKW könne die Flexibilität der Anlagen erhöht werden, was Vorteile für die gebündelte Stromvermarktung biete, sagt Jan Aengenvoort, Sprecher der Next Kraftwerke. Das Unternehmen mit Sitz in Köln betreibt mit Next Pool eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas. Bundesweit werden rund 2.500 Anlagen mit einer Leistung von rund 1.500 MW im Pool gesteuert. Eingebunden sich auch Anlagen mit hybrider Wärmenutzung, vor allem Biogas-BHKW mit zwischengeschalteten Power-to-Heat-Anlagen. Dadurch könne der kontinuierliche Betrieb der BHKW und damit die nötige stabile Wärmeversorgung auch bei einem Regelenergieabruf erhalten bleiben, so Aengenvoort.
So hat Next Kraftwerke etwa jüngst einen Vertrag zur Direktvermarktung und Regelenergiebereitstellung mit Nahwärme Brigachschiene aus Donaueschingen abgeschlossen. Die drei BHKW des Unternehmens mit einer Leistung von 3,7 MW auf Biomethan- und Erdgasbasis
werden unter Einbezug der Wärmeverpflichtung bedarfsorientiert eingesetzt und die Flexibilität bundesweit am Regelenergiemarkt vermarktet. „Wir versprechen uns durch eine bedarfsorientierte Fahrweise und die Vermarktung von positiver und negativer Regelenergie Mehrerlöse“, so Joachim Ledwig, Geschäftsführer der Nahwärme Brigachschiene.