Laut einer Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit müssen im deutschen Stromnetz künftig vor allem stunden- oder tageweise auftretende Lastschwankungen aufgefangen werden. Langfristig werden mindestens 70 bis 80 Prozent dieses Geschäfts mit Kurzzeitspeichern gemacht. Auf der ganzen Welt stehen bereits Pumpspeicherkraftwerke zur kostengünstigen Energiespeicherung zur Verfügung. Ist überschüssige Leistung im Netz vorhanden, wird das Wasser in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt. Bei steigendem Strombedarf wird das Wasser durch Turbinen in ein tiefer gelegenes Speicherbecken abgelassen und die Anlagen können so Elektrizität erzeugen.
Technologien wie ternäre Sätze oder mehrstufige Pumpen sind seit Jahrzehnten im Einsatz. In den vergangenen Jahren wurden sie weiterentwickelt und sind damit effizienter geworden. Sie haben deshalb unter den veränderten Rahmenbedingungen an Attraktivität gewonnen. Darüber hinaus ermöglicht die neue technische Entwicklung der drehzahlvariablen Maschinensätze eine Leistungsregelung im Pumpbetrieb bei reversiblen Pumpturbinen.
Bislang galten Pumpspeichersysteme als ideale Ergänzung zu Kernkraftwerken und thermischen Kraftwerken, da das Zurückfahren dieser Kraftwerke bei geringerer Nachfrage zu kosten- und zeitintensiv ist. Bei einem Pumpspeicherkraftwerk kann man die Energieproduktion oder -aufnahme innerhalb von Minuten oder sogar Sekunden regulieren. Unterschieden wird dabei zwischen Lang- und Kurzzeit-Speicherung. „Kurzzeit“ steht dabei für einen Zyklus von maximal zehn Stunden. Derzeit ist besonders der Bedarf an Kurzzeit-Speicherung hoch. Für Erzeuger zählt heute vor allem Flexibilität. Gespeicherte Energie muss mit erneuerbaren Energien kombinierbar sein, die nicht immer uneingeschränkt verfügbar sind, wie Wind- und Sonnenenergie.
Pumpspeicherkraftwerke in Europa
In Portugal, wo die Regierung die Windkraftkapazität um weitere 5400 Megawatt ausbaut, stattet Voith das Pumpspeicherkraftwerk Frades II im Norden des Landes mit drehzahlvariablen Pumpspeichereinheiten aus, um das Netz stabiler und zuverlässiger zu machen. Das Kraftwerk mit zwei vertikalen, drehzahlvariablen und reversiblen Francis-Pumpturbinen geht 2015 ans Netz und wird pro Einheit bis zu 383 MW Leistung abgeben. Die Netzversorgung stellen zwei asynchrone Motorgeneratoren sicher.
Die Netzfrequenz darf um maximal 0,1 Hertz schwanken. Die Motorgeneratoren stabilisieren das Netz, indem sie sehr schnell reagieren und die fehlende elektrische Leistung bereitstellen und die überschüssige aufnehmen. Die hochsensiblen Steuersysteme können innerhalb von Millisekunden Leistungssprünge der Maschine realisieren. Dabei wird kurzzeitig die kinetische Energie aus der rotierenden Masse der Maschine durch eine Drehzahländerung genutzt.
Variable Drehzahl
Bei Industrieanlagen ist die Regulierung von Pumpgeschwindigkeit und -leistung mittels asynchroner Motoren nichts Neues. Die Maschinen laufen unabhängig von der Netzfrequenz als Pumpenmotoren mit variabler Leistung. Gleichzeitig verbessern sie während der Stromerzeugung im Teillastbetrieb auch den Turbinenwirkungsgrad. In Wasserkraftwerken ließ sich dieses Konzept bisher jedoch nur schwierig im größeren Maßstab umsetzen.
Voith Hydro hat nun einen asynchronen Motorgenerator für große Pumpspeicherwerke entwickelt, mit dem die Drehzahl der Pumpenturbine variiert werden kann. Die Pumpleistung kann je nach verfügbarer Energiemenge angepasst und das Netz im Pumpen- und Turbinenbetrieb stabilisiert werden. Durch variable Drehzahlen werden Pumpspeicher flexibler und sind daher besser für künftige Netzanforderungen geeignet. Variable Leistung kann ins Netz eingespeist, ihm aber auch entzogen werden. Asynchrone Pumpturbinen eignen sich besonders für dynamische Spitzen bei Netzlastschwankungen und können sowohl im Pump- als auch im Turbinenbetrieb mit optimalem Wirkungsgrad arbeiten.
Vollumrichterlösung
Für Kraftwerke, die bereits mit synchronen Generatoren arbeiten, insbesondere kleinere Pumpspeicherwerke, entwickelt Voith gegenwärtig eine Vollumrichterlösung, die ähnliche Funktionen bieten soll. Abhängig von der Fallhöhe und den Anforderungen an die Regelleistung setzt das Unternehmen weiterentwickelte ternäre Maschinensätze ein, um die Leistung von Pumpspeicherkraftwerken zu verbessern.
In anderen Teilen Europas setzt Voith Hydro weiterentwickelte dreiteilige Systeme ein, um die Leistung von Pumpspeicherkraftwerken zu verbessern. Forces Motrices Hongrin-Léman, Betreiber der Kraftwerke am Lac de l’Hongrin und dem Genfersee in der Schweiz, erhält zwei mehrstufige vertikale Pumpeneinheiten als Teil der ternären Sätze des Kraftwerks.
Im Pumpspeicherkraftwerk Wehr, einer der größten Pumpspeicheranlagen Europas, wurde Voith vom Betreiber Schluchseewerk beauftragt, die vier horizontalen Motor-Generatoren zu modernisieren. Die vier ternären Sätze mit einer Leistung von jeweils 300 MVA waren seit 40 Jahren im Betrieb und zeichneten sich durch hohe Zuverlässigkeit und Flexibilität aus.
Eine weitere Anwendung bei großen Fallhöhen ist die mehrstufige Pumptechnologie wie am Lac de l’Hongrin in fünf Stufen. Bei diesem Konzept wird Wasser innerhalb einer Pumpe über eine stufenweise Druckerhöhung in das höher gelegene Speicherbecken gepumpt. Aufgrund des Kraftwerkstandorts hoch in den Bergen und des beträchtlichen Höhenunterschieds zwischen dem unteren und dem oberen Speicherbecken sind die Pumpenstufen in Reihe angeordnet.
Bedeutung für Deutschland
Auch in Deutschland sind Potenziale für Wasserkraft vorhanden. Das Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal in Thüringen etwa, das 2003 in Betrieb ging, ist eines der modernsten in Europa und hat eine Leistung von 1060 Megawatt. Voith Hydro hat das Kraftwerk umfassend mit Turbinen, Automation und Kontrollsystem ausgerüstet. Kontinuierliche Verbesserungen der Technologien verhelfen Pumpspeichern zu einer weiteren Flexibilitäts- und Effizienzsteigerung.
Trianel, ein Verbund von Stadtwerken aus Europa, entwickelt derzeit Pumpspeicherkraftwerke in Nordrhein-Westfalen und Thüringen mit einer Kapazität von 1500 Megawatt. Generell berät und beriet Voith Trianel beim Bau solcher Anlagen. Der Verbund ist zuversichtlich, dass diese Kraftwerke mehr Effizienz und Flexibilität bieten werden.
Da der Energiemix in Deutschland zunehmend aus erneuerbaren Energien besteht, ist Flexibilität bei der Stromversorgung besonders wichtig. Pumpspeicherkraftwerke können mittlerweile so konstruiert werden, dass sie sich in das jeweilige Ökosystem eingliedern und auch grenzübergreifende Speicherpotenziale bieten.