Interview „Wir sehen ein Potenzial für Kraft-Wärme-Kopplung von bis zu 30 Prozent“


Christian Groholt, Gründer und Vorstand von 2G

09.03.2012

NRW geht der Energiewende mit großen Schritten entgegen. Die Aufbruchsstimmung ist überall zu spüren. Das ist nicht zuletzt den Unternehmen zu verdanken, die mit ihren Produkten für die Wirtschaftlichkeit der Erneuerbaren sorgen. Wie das geht, erklärt ein BHKW-Anbieter.

Wie ist die Situation für ein Unternehmen wie das Ihre in Nordrhein-Westfalen, Herr Grotholt?

Christian Grotholt: Wir haben eine sehr gute Infrastruktur bei uns in Nordrhein-Westfalen und glücklicherweise existiert kein Mangel an gut ausgebildeten und hoch motivierten Fachkräften. Also sehen wir bei uns im Münsterland keine Hindernisse. Zudem setzen wir große Hoffnungen auf die Verabschiedung des KWK-Gesetzes durch die Landesregierung, womöglich noch im Mai dieses Jahres. Die Ende 2011 in Düsseldorf vorgestellte KWK-Studie zeigte ja auf, dass es möglich ist, 25 Prozent des landesweiten Strombedarfs durch Kraft-Wärme-Kopplung abzudecken - wir selbst sehen ein noch höheres Potenzial von bis zu 30 Prozent.

Kraft-Wärme-Kopplung ist aufgrund der hohen Systemwirkungsgrade ja eigentlich immer eine gute Idee. Sind Sie als Hersteller trotzdem auf die Unterstützung der Politik angewiesen?

Kraft-Wärme-Kopplung funktioniert auch in Märkten, wo die Förderung nicht ganz so stark ist, wobei man natürlich ganz klar sagen muss: Wenn es ernst gemeint ist mit der Energiewende, dann bedarf es schon noch einer Anschub- oder Impuls-Flankierung durch die Politik, denn das wird oftmals die Kauf- oder Investitionsentscheidung positiv beeinflussen. Auf lange Sicht sehen wir aber absolut keine Abhängigkeit von einer Förderung. Sie können die USA als Beispiel nehmen, wo wir seit Jahren Geschäfte machen. Die Biogasanlagen werden dort in erster Linie als Abfallbehandlungsanlagen realisiert. Der Farmer bekommt für die Annahme von organischen Abfällen bis zu 30 Dollar pro Tonne von Supermärkten oder Restaurantketten. So kommen schon 80 Prozent der Einnahmen zustande, ohne die Einspeisevergütung zu berücksichtigen. Wir sehen also auf lange Sicht keine Abhängigkeit von Subventionen. Wenn man die Reduzierung von Treibhausgasemissionen durch die Anwendung von KWK mit berücksichtigt, sind wir heute schon wirtschaftlicher als viele existierende Großkraftwerke.

Und die Erdgas-Anlagen? Wie lassen die sich wirtschaftlich betreiben?

Die Erdgasschiene lebt vom sogenannten „spark spread", also vom Preisunterschied zwischen Gas und Strom. Exxon Mobil hat Ende 2009 circa 32 Milliarden Dollar ausgegeben für die Technologie, mit der Gas aus Schiefergestein gelöst werden kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die dafür verwendeten Chemikalien durch umweltverträgliche Substanzen ersetzt werden - Exxon rechnet mit etwa zwei Jahren Entwicklungszeit. Da in Deutschland eine höhere Sensibilität gegenüber unserer Umwelt existiert wird die Verwendung dieser Chemikalien ja vielleicht auch zu Recht nicht erlaubt. Da warten wir auf die Lösung, dass nicht mehr dieser Chemikaliencocktail benötigt wird, um in zwei- oder dreitausend Meter Tiefe das Gestein aufzubrechen und das Gas zu fördern. Die im großen Stil stattfindende Förderung von Shale Gas hat in den USA dafür gesorgt, dass international die Gasmärkte sich geöffnet haben und auch weiter mit niedrigen Gaspreisen zu rechnen ist.

Sie fürchten da also auch auf lange Sicht keine Lieferprobleme?

Durch die bestehenden und neu hinzugekommenen Gasressourcen wird über Generationen die Versorgung mit Erdgas gesichert sein. Darüber hinaus wird vermutlich immer mehr fossiles Gas durch regenerative Gase substituiert werden, welches ebenfalls über die vorhandene Infrastruktur, also die vorhandenen Erdgaspipelines, verteilt wird. Darunter kann auch die Produktion von Wasserstoff durch mit Windstrom versorgte Elektrolyse fallen. Die Politik umschreibt das System mit „Power to Gas". Der Wasserstoff könnte anschließend mit dem in Biogasanlagen anfallenden CO2zu Methan umgesetzt werden.

Wird regenerativ erzeug-tes Gas zum größten Teil also nicht mehr vom Acker kommen?

Vermutlich nicht. Biogas für den Antrieb von KWK-Anlagen, wie es heute in Deutschland in den landwirtschaftlichen Anlagen hergestellt wird, bleibt eine Nischentechnologie im Vergleich zum Gesamtpotenzial der vielen verschiedenen Gase, die weltweit verfügbar sind oder sein werden.

Wird bei der Energiewende eigentlich zu viel über Strom geredet und zu wenig über Gas?

Gas hatte bis vor kurzem eine schlechte Lobby, weil man die politisch nicht gewollte Abhängigkeit von Gasimporten gesehen und gefürchtet hat. Nun bekommen die vorhin erwähnten unkonventionellen Quellen, beispielsweise in den USA, eine immer stärkere Bedeutung. Dadurch ergeben sich neue Lieferantenbeziehungen und ein stärkerer Wettbewerb. Damit wird heute schon deutlich, dass auf lange Sicht keine so starke Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten mehr bestehen bleibt. Erdgas kann somit in den nächsten Jahren von einer geduldeten zu einer anerkannten Brückentechnologie werden.

Der große Nachteil von KWK-Technologien ist die anfallende Wärme, vor allem im Sommer - das schränkt doch die Profitabilität ein.

Ein Blockheizkraftwerk ist natürlich kein Allheilmittel, das überall eingesetzt werden sollte. Die Wärme muss sich betriebswirtschaftlich sinnvoll nutzen lassen. Das ist aber manchmal nur eine Frage der Dimensionierung. In einem Mehrfamilienhaus mit 40 bis 50 Wohnungen sind die Lebensgewohnheiten so verschieden, dass man bei der Wärmeerzeugung von einer Erhöhung der Kontinuität ausgehen kann. Auch im Sommer wird da ständig Brauchwasser benötigt. Wenn man als Auslegungsgröße für das Blockheizkraftwerk - wie das VDI-Richtlinie 2067 in Blatt 7 schon seit den 1990er-Jahren fordert - nur 15 bis maximal 25 Prozent der installierten Kesselleistung nimmt, kann man ausreichend viele Volllaststunden erreichen. In Projekten mit der Berliner Energieagentur kommen wir sehr oft auf 6000 bis 8000 Volllaststunden. Zusätzlich einzusetzende Wärmespeicher können die Flexibilität der Betriebsweise deutlich erhöhen.

Was ist Ihre unternehmerische Vision?

2050 sollen bis zu neun Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben. 30 Prozent davon können volks- sowie betriebswirtschaftlich sinnvoll und nicht zuletzt sicher über Kraft-Wärme-Kopplung versorgt werden. Wenn also der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, braucht man Anlagen zur Kompensation der volatilen Erzeugung. Hierzu werden die dezentral angeordneten hocheffizienten 2G-Geräte einen bedeutenden Beitrag leisten.

Das Gespräch führte Dr. Karlhorst Klotz, Energy 2.0.

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