Zwischen Trend und Tradition Zukunft der Kabeltechnologien

Im Interview spricht Guido Ege über die zukünftige Ausrichtung und Fokusthemen von Lapp.

Bild: Wolfram Scheible
01.10.2019

Im Interview erklärt Guido Ege, warum er den Fokus von Lapp in Zukunft nicht mehr nur bei den Kabeltechnologien sieht, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Produkte hat und welche Rolle der Innovation for Future-Prozess bei der Entwicklung disruptiver und zukunftsgerichteter Geschäftsmodelle spielt.

Welchen neuen Anforderungen müssen sich Ihre Kabeltechnologien in letzter Zeit vermehrt stellen?

Grundvoraussetzung der vierten industriellen Revolution ist die immer weiter fortschreitende Vernetzung von Maschinen und Anlagen. Es werden zunehmend Sensoren in Geräten verbaut, die Daten produzieren, die wiederum transportiert werden müssen. Der Bedarf an Ethernet-Leitungen ist also gestiegen und ebenso die Anforderungen an diese. Ein weiterer Trend, der sich abzeichnet, ist der vermehrte Einsatz von Hybridleitungen. Das heißt, die Energiezufuhr der Maschine und der Datentransport werden über eine einzige Leitung realisiert.

Sind das im Moment die wichtigsten Trends?

Welcher Trend global gesehen der wichtigste ist, lässt sich kaum sagen, denn das kommt sehr auf die Perspektive an. Aber ich denke es ist klar, dass diese Trends fast jeden in der Industrie betreffen. Wir, als Lösungsanbieter für Verbindungstechnologie, liefern das Backbone, damit diese Daten überhaupt übertragen werden können. Ein weiterer Trend, der sich in diesem Umfeld abzeichnet, ist Single-Pair-Ethernet. Denn bei Industrie 4.0 und IoT geht es nicht immer nur um schnellere, weitere sowie höhere Daten- und Übertragungsraten, sondern auch um die Effizienz und Miniaturisierung. Alles wird kleiner und der Sensor, der vielleicht nur ein paar Bits liefert, braucht eben keine Cat.6 oder Cat. 7-Leitung mit zehn Gigabit Übertragungsrate. Single-Pair-Ethernet-Leitungen bestehen nur aus zwei Adern, die ein Ethernet-Protokoll übertragen können. Das funktioniert zwar nur in bestimmten Grenzen, reicht jedoch für einfache Sensoren vollkommen aus.

Die Drahtlostechnologie ist ein großer Trend der Industrie 4.0. Sehen Sie diese Entwicklung als Konkurrenz?

Drahtlostechnologien und Kabel ergänzen sich, es gibt keine Konkurrenz zwischen diesen Technologien, und wir als Anbieter von Verbindungstechnologien sind da offen. Beispielsweise für mobile und flexible Anwendungen oder Flurförderzeuge macht Wireless absolut Sinn, dort geht es gar nicht ohne. Es gibt jedoch noch eine Vielzahl von Anwendungen, wo kabelgebundene Lösungen einfach besser sind. Ich bin der Überzeugung, dass das auch in den nächsten Jahren so bleiben wird, denn bei Echtzeitkommunikation, Stichwort Latenzzeit, haben Kabel prinzipbedingt einen Vorteil. Nicht zu vergessen ist auch die Abhör- und Störsicherheit. Wenn jemand ein Kabel stören will, muss diese Person wirklich physisch an die Übertragung herangehen. Hingegen bei Wireless kann das, zwar mit viel Aufwand, aber ohne direkten physischen Kontakt geschafft werden. Ein weiterer Grund, der für Kabel spricht ist, dass Maschinen auch zukünftig mit Strom versorgt werden müssen, und die drahtlose Energieübertragung über längere Strecken wird auch auf lange Sicht nicht wirtschaftlich machbar sein. Das ist einfach Physik. Wir denken aber trotzdem über Wireless nach. Diese Technologien können an manchen Stellen unser Portfolio ergänzen. Wir können uns durchaus vorstellen, in Zukunft Wireless-Technologien mitanzubieten.

Wie weit ist die Digitalisierung bei Lapp fortgeschritten?

Da wir Verbindungslösungen anbieten, müssen wir dieses Thema von mehreren Seiten betrachten: Auf der einen Seite das Produktportfolio, das was wir anbieten, um die Digitalisierung zu ermöglichen. Auf der anderen Seite unsere eigenen Prozesse, die wir an bestimmten Punkten digitalisiert haben. Ein wichtiger Baustein ist die Customer Journey, heißt: Wie findet der Kunde unsere Produkte über entsprechende Onlinetools und Konfiguratoren, die ihm im Web zur Verfügung stehen? Wir bespielen alle drei Themen. Ein weiteres Beispiel zum Thema Digitalisierung bei Lapp ist unser Predictive-Maintenance-Projekt, wo wir ein Kabel quasi sprechen lassen. Dabei sollen, ohne zusätzliche Ader und Aufwand, die Informationen, welche über ein Datenkabel laufen, gemonitort werden, um frühzeitige Alterung zu erkennen und so einen rechtzeitigen Austausch zu ermöglichen.

Welche Eigenschaften werden Ihre Kabel in Zukunft zusätzlich aufweisen müssen, die jetzt noch nicht gefordert sind?

Wir gehen davon aus, dass in Zukunft vermehrt die Funktionen Energieübertragung und Datenübertragung zusammenwachsen. Dabei muss man insbesondere die Schirmung beachten, um Probleme bei der Datenübertragung, wie Übersprechen und Derartiges zu eliminieren. Das stellt eine Herausforderung an solch eine Leitung und deren Design. Ich bin mir sicher, dass wir für diese Kombination in Zukunft noch viele neue Produkte entwickeln werden. Das ist aber ein Trend, der noch relativ am Anfang steht.

Entwickeln Sie derartiges bereits mit ihrem Innovation for Future-Prozess?

Wir arbeiten daran. Mit Hilfe unseres neuen Innovation for Future-Prozesses haben wir aber bereits andere, spannende Prototypen entwickelt. Bis dato haben wir diese immer im stillen Kämmerlein bis zur Marktreife getestet. Zwar wurden die Lösungen bei Pilotkunden geprüft, wurden dann aber doch immer erst finalisiert auf den Markt gebracht. Mit dem neuen Prozess nutzen wir jetzt erstmals ein Konzept, das beispielsweise in der Automobil-Branche bereits gang und gebe ist. In dieser Branche gibt es Konzept-Cars, die auf der IAA vorgestellt werden, die aber nie als solches verkauft werden. Diese Vorgehensweise hat auch uns inspiriert. Im Future Lab auf der Hannover Messe zeigten wir Lösungen, die technisch schon machbar, aber noch nicht finalisiert sind. Wie diese vom Kunden angenommen werden, aussehen und an welchen Ecken noch feingetunt werden muss, haben wir über diese Plattform versucht herauszufinden und das Konzept ist komplett aufgegangen. Die Besucher auf der Hannover Messe haben nicht gefragt, wann sie das Produkt kaufen können und was es kostet, sondern eher wie die Lösung aussieht. Der Gedanke war, relativ früh in den Dialog mit den Kunden zu treten und so Informationen zu gewinnen. Das ist uns gelungen. Nun haben wir Pilotkunden gefunden und entwickeln mit ihnen die Lösungen weiter samt passendem Geschäftsmodell. Future Lab hat auch gezeigt, dass sich Lapp vom Anbieter physischer Produkte zu einem Lösungsanbieter entwickelt. Das betrifft Prozesse, Logistik und Management. In Zukunft werden wir eben nicht mehr nur Kabel und Stecker anbieten sondern auch Services.

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