Aktueller Kommentar von Stefan Häseli Der Diesel-Gipfel - ein Etikettenschwindel

publish-industry Verlag GmbH

Stefan Häseli, Experte für Alltagskommunikation.

Bild: MM-PR
07.08.2017

Wenn „Maßnahme“ drauf steht, aber wenig drin ist: Speaker und Moderator Stefan Häseli nimmt kritisch Stellung zum Diesel-Gipfel.

Sponsored Content

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel! So haben sich in Berlin führende Vertreter aus Politik und (Automobil-)Industrie zum sogenannten Diesel-Gipfel getroffen. Abgesehen vom Inhalt und der (Un-)Zufriedenheit der einen oder anderen Seite – kommunikativ war es eine durchaus spannende Veranstaltung.

Diesel ist das neue G20

Schon das Wort Diesel-Gipfel oder offiziell „ationales Forum Diesel ist eine Schöpfung verbalen Ausdrucks, die zumindest schon mal in die Vorauswahl für das Recall zum „Wort des Jahres“ kommen könnte. G20 war gestern – wir haben den Diesel-Gipfel. Ja, wenn das Rudolf Diesel wüsste ...

Kommunikative Schlenker

Nicht ganz untypisch die kommunikativen Schlenker und Zusatzkurven in der Abschlusserklärung. Nebst des eigentlichen Beschlusses, dass 5,3 Millionen Fahrzeuge mit entsprechender Software nachgerüstet und ein anständiges Handgeld in den Nationalen Fond Mobilität (da haben wir bereits die zweite Wortschöpfung aus diesen Tagen und Top-Kandidat für das Wort-Ranking 2017) gelegt werden, wurden weitere, sogenannte Maßnahmen angekündigt.

Sie sollen eine „neue Verantwortungskultur“ (der Wort-Anwärter Nummer 3) fördern. Da sind beispielsweise die Förderung von E-Bussen im ÖPNV, Anschaffungsförderung für die emissionsarmen städtischen Nutzfahrzeuge und auch Taxis, Ausbau der öffentlichen und privaten Ladestruktur für Elektromobilität, einheitliche Digital-Tickets für öffentliche Verkehrsanbieter, Ausbau des Schienenverkehrs, Förderung des Radverkehrs und vieles mehr.

Maßnahmen, die sich nicht messen lassen

Hier setzt die Beobachtung wohl abgewogener Worte erneut ein. Denn kommunikativ bewegen wir uns in Schramm-Distanz zu einem Etikettenschwindel. Denn: „Maßnahme“ kommt von „messen“, daraus resultiert ein konkretes „Messergebnis“ als verlässliche Aussage. Es steht also „Maßnahme“ drauf, aber es sind „Worthülsen“ drin

Gibt es eine verlässliche Aussage für die „Förderung von E-Bussen im ÖPNV, Anschaffungsförderung für die emissionsarmen städtischen Nutzfahrzeuge und auch Taxis?“ Und wie soll „Ausbau der öffentlichen und privaten Ladestruktur für Elektromobilität, einheitliche Digital-Tickets für öffentliche Verkehrsanbieter, Ausbau des Schienenverkehrs, Förderung des Radverkehrs“ gemessen werden?

Von Erdbeeren und Aprikosen

Das sind im besten Fall und mit sommerlicher Großzügigkeit in der Interpretation Absichtserklärungen. Wenn Aprikosenmarmelade drauf steht, glaubt ja auch niemand, dass Erdbeermarmelade drin ist. Also sieht man „Maßnahme“ und denkt: „Toll, die tun was!“ Aber Hinschauen hat auch mit Hinlesen zu tun. Und wer liest, dass „Maßnahme“ = „Förderung von...“ ist, stellt fest: Da ist tatsächlich Erdbeere drin, wo Aprikose drauf steht.

Nun ... manchmal schmeckt Erdbeere besser als Aprikose, aber es macht sich gut, wenn auf dem Glas, das Gäste sehen, eben Aprikose steht ...

Verwandte Artikel