Die Energiewende gestalten mit klimaneutralen Gasen „Die Politik muss grüne Gase im Energiesystem fest verankern“

Prof. Dr. Gerald Linke ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Der promovierte Physiker arbeitete zunächst ab 1995 bei Ruhrgas, später im E.on-Konzern. Im Jahr seines Wechsels an die Spitze des DVGW wurde er zum Honorarprofessor der Ruhr-Universität Bochum berufen. Prof. Linke ist bundesdeutscher Verbandsvertreter in der Internationalen Gas-Union. 2018 wurde er zum Marcogaz-Präsidenten ernannt. Seit 22. Juni 2020 hat er die Präsidentschaft von ERIG (European Research Institute for Gas and Energy Innovation) inne.

Bild: Tatiana Kurda, Fotografen-Welt
08.09.2020

Beim Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) ist man sich sicher: Wasserstoff ist das Zukunfts-Thema Nummer Eins im Energiesektor. Was jetzt noch fehlt, ist die Verankerung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Dabei sollten ideologiefrei alle Formen genutzt werden und damit neben grünem auch blauer und türkiser Wasserstoff.

Prof. Dr. Gerald Linke ist mit diesem Beitrag im Energy 4.0-Kompendium 2020 als einer von 50 Machern der Energiebranche vertreten. Alle Beiträge des Energy 4.0-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.

Die Zahlen sind überzeugend: Grüne Gase in allen Sektoren können dazu beitragen, alleine in Deutschland mehr als 80 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen. Mit einem inländischen Erzeugungspotenzial von bis zu 414 TWh sind klimaneutrale Gase in der Lage in allen Sektoren dazu beizutragen, „die Klimaschutzziele schnell, sicher und kosteneffizient zu erreichen“, ist sich Prof. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW, sicher. Diese Menge entspricht knapp der Hälfte des aktuellen Gasbedarfs in Deutschland, der heute zu über 90 Prozent importiert wird.

Wenig erfreut ist Linke über den politischen Rückenwind. Nach wie vor hindern regulatorische Schranken den Markt daran, dass sich erneuerbare Gase und komplementäre Technologien umfassend etablieren. Für Linke ist die Stoßrichtung klar: „Die politische Verankerung eines Ziels für grüne Gase im Energiesystem entsprechend der erneuerbaren Energien beim Strom ist unabdingbar.“ Nur dann habe man Planbarkeit und wirtschaftliche Anreize für die Energieversorger.

Wasserstoff als Zukunftsthema Nummer Eins

Zusätzlich schwebt ihm als wichtiger weiterer Baustein bei den für die Energiewende relevanten Energiegasen vor: „Wasserstoff muss im Energiewirtschaftsgesetz verankert werden.“ Linke: „Wasserstoff ist das Zukunfts-Thema Nummer Eins im Energiesektor“ und verweist auf den Kabinettsbeschluss zur Nationalen Wasserstoffstrategie. „Es ist gut, dass diese Erkenntnis sich nun immer stärker durchsetzt.“

Konkrete Schlüsse leitet der promivierte Physiker auch aus der Corona-Krise ab. Diese habe gezeigt, dass die Energieversorgung, ebenso wie andere Wirtschaftszweige, zur Resilienz einer Volkswirtschaft maßgeblich beiträgt. Heruntergebrochen auf das Thema Wasserstoff bedeute dies, dass dieser auch hierzulande erzeugt wird – neben dem Zugriff auf ausländische Wasserstoffquellen und Produktionseinheiten. Ein weiteres Fazit, das Linke aus der Pandemie zieht, geht in Richtung Diversifizierung der Energieträger. „Wir müssen auch künftig unsere Energieversorgung auf Elektronen und Moleküle aufbauen, also strom- und gasbasiert.“

Wichtigkeit von dekarbonisiertem Wasserstoff

Diese Vielseitigkeit wünscht sich der Chef des DVGW auch beim „Zukunfts-Thema Nummer Eins im Energiesektor“. Hier könne Deutschland nicht nur auf grünen Wasserstoff setzen, sondern müsse auch andere Quellen und Technologien erschließen. Dazu zählt er etwa den Import von blauem, also dekarbonisiertem, Wasserstoff. „Blauer und türkiser Wasserstoff dürfen bei der Marktentwicklung nicht unter den Tisch fallen, um auf die industriell benötigten Mengen zu kommen“, fordert Linke.

Auch beim DVGW selbst nimmt das Thema Wasserstoff aktuell einen Spitzenplatz in den Tätigkeitsfeldern ein. Forschungs- und regelwerksseitig hat man Projekte auf den Weg gebracht, um Wasserstoff im Gasnetz beizumischen, zu transportieren oder auch, um ihn für Anwendungen wieder vom Erdgas zu trennen. Der Anspruch, zukünftig schrittweise unsere Energiegase zu dekarbonisieren, sei auch mit unbequemen Botschaften verbunden gewesen, betont Linke. Das Heft des Handelns jederzeit in der Hand zu behalten und diese Herausforderung aktiv und gestaltend aufzugreifen, darauf ist Gerald Linke stolz – auch mit Blick auf seine eigene berufliche Laufbahn.

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