Interview zur Annahmeverpflichtung E-Rechnung ab 1. Januar: Wie sich Unternehmen jetzt noch vorbereiten können

Die E-Rechnung kommt – und das heißt nicht, dass einfach PDFs verschickt werden können.

Bild: Paragon
03.12.2024

Deutsche Firmen können ab dem 1. Januar 2025 ihren inländischen Geschäftspartnern ohne deren Zustimmung E-Rechnungen schicken. Die Empfänger müssen sie entsprechend lesen und verarbeiten können. Ab sofort also alles digital? „Keineswegs“, sagt Steffen Mahlmeister von Paragon. Viele Unternehmen seien nicht vorbereitet und unterschätzen den Aufwand. Im Interview erklärt er, wie sie trotzdem gelassen an die Sache herangehen können.

Ab 1. Januar 2025 müssen Unternehmen in ganz Deutschland in der Lage sein, E-Rechnungen zu empfangen. Wie gut sehen Sie aktuell deutsche Firmen darauf vorbereitet?

Steffen Mahlmeister:

Einige Firmen haben früh angefangen und sind bereits fertig – bei unserer jüngsten Umfrage unter Kunden waren das etwa zehn bis 20 Prozent, die E-Rechnungen ausstellen und auch empfangen können. Alle anderen müssen in den verbleibenden Wochen des Jahres zumindest noch die Annahmeverpflichtung abdecken. Das Thema E-Rechnung brennt ihnen zwar unter den Nägeln, aber viele unterschätzen das, was da auf sie zukommt.

Warum fangen sie nicht an, denn im Grunde ist doch klar, dass sie die Pflicht erfüllen müssen?

Da sehe ich mehrere Unsicherheitsfaktoren. Zum einen gibt es den Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission „VAT in the Digital Age“ (ViDA) zur Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug: Der sieht für grenzüberschreitende Transaktionen eine verpflichtende Nutzung der E-Rechnung in Verbindung mit einem Meldesystem vor. Das Meldesystem soll bis zum Jahr 2028 eingerichtet sein – es wird jedoch eine Verschiebung bis 2030/2032 diskutiert. Deutschland hat mit dem Wachstumschancengesetz die Einführung der E-Rechnung beschlossen, über die wir hier sprechen. Die Fristen dafür wurden von Finanzminister Christian Lindner festgelegt – es kann durchaus sein, dass sie nach der nächsten Bundestagswahl noch einmal überarbeitet werden. Die anderen europäischen Länder haben zudem andere Systeme. Entsprechend müssen Unternehmen in Deutschland ab dem nächsten Jahr auch nur die E-Rechnung von inländischen Geschäftspartnern annehmen und verarbeiten können. Der Übergang von der analogen zur E-Rechnung wird sich lange hinziehen – nicht wie bei einem Schalter, den man umlegt, und ab 1. Januar 2025 ist alles nur noch digital. Und Rechnungen von Kleinunternehmen, von Zulieferern aus dem Ausland oder über Kleinbeträge kommen ja eventuell weiterhin auf Papier – oder als unstrukturiertes PDF.

Was unterscheidet das PDF von der E-Rechnung?

Zur Erklärung nenne ich die analoge und die digitale Rechnungsstellung „alte“ und „neue“ Welt. In der „alten“ Rechnungswelt erstellt jedes Unternehmen die Rechnungen sehr automatisiert und unflexibel. Die Folge: Kunden- und Rechnungsnummer, Datum und Summe stehen in Rechnungen verschiedener Unternehmen an unterschiedlichen Stellen. Für ihre Erstellung werden zwar in die Buchungssysteme alle relevanten Daten eingegeben, dann wird die Rechnung per Knopfdruck generiert und vielleicht noch ein PDF daraus gemacht und versandt. Das macht sie aber noch lange nicht zur E-Rechnung – als PDF kann sie zwar elektronisch versandt werden, die Daten können aber nicht elektronisch weiterverarbeitet werden. Sie gleichen eher einer undefinierbaren Pixelwolke. In der „neuen“ Welt hingegen findet man im Datensatz jeder E-Rechnung alle erforderlichen Angaben immer in der gleichen Datenfeldstruktur – definiert durch die DIN EN 16931. Die derart strukturierten Daten liegen im XML-Format vor, das zur Visualisierung ein zusätzliches Programm erfordert. Öffentliche Auftragnehmer arbeiten für die E-Rechnung mit dem Standard XRechnung. Für den elektronischen Rechnungsdatentausch in der deutschen Geschäftswelt wird das Datenformat ZUGFeRD (Zentraler User Guide Forum elektronische Rechnung Deutschland) verwendet: Es ist im Grunde ein sichtbares PDF, in das unsichtbar die strukturierten XML-Daten eingebunden sind.

Welche Schwierigkeiten kommen mit der E-Rechnung auf die Unternehmen zu?

Da ist zum einen die technische Komplexität, denn um E-Rechnungen zunächst empfangen und später auch erstellen zu können, muss die bestehende IT-Infrastruktur angepasst werden. Das erfordert technisches Know-how und eventuell externe Beratung. Zudem verursachen die dafür notwendige Software und Mitarbeiterschulung Kosten, vor denen die Unternehmen angesichts der oben beschriebenen Unsicherheiten noch zurückschrecken. Andererseits müssen sie den allmählichen Übergang von der „alten“ Rechnungswelt in die „neue“ meistern. Und der kann sich viele Jahre hinziehen, bis sich die E-Rechnung vollständig durchgesetzt hat. Zwei verschiedene Eingangskanäle für den Übergang einzurichten – einen analogen und einen digitalen –, kann im Chaos enden und unter anderem das Risiko der Doppelrechnung nach sich ziehen. Und auch wenn die digitale Rechnung mittelfristig die Fehlerquote senken wird, so muss in der Anfangszeit doch noch mit Prozessfehlern auf Seiten der Rechnungssteller gerechnet werden – die bei Dunkelbuchung dem Finanzmanagementsystem Probleme bereiten. Bei allen Vorteilen der digitalen Rechnungsstellung fürchte ich aufgrund der Gespräche in der jüngsten Zeit, dass in vielen Unternehmen der erwartete Grad der Automatisierung gerade in der Rechnungseingangsverarbeitung nicht erreichbar sein wird.

Wie können Unternehmen diese Schwierigkeiten meistern?

Für kleine Unternehmen gibt es sehr gute Standardlösungen von IT-Häusern wie Datev oder SAP. Komplizierter wird es für Mittelständler und große Unternehmen, die individuelle Lösungen brauchen – zumal, wenn sie international agieren und auch noch länderspezifische Fristen und Vorgaben abdecken müssen. Sie können die auf sie zukommenden Aufgaben einfach outsourcen und sich dafür erfahrene Dienstleister wie Paragon als Partner suchen. Wir haben jahrelange Erfahrung in der internationalen Eingangsrechnungsverarbeitung für unsere Kunden – zu denen auch Weltkonzerne gehören. Unsere Lösung ist grundsätzlich hybrid, das heißt, wir verstehen und verarbeiten die „alte“ und die „neue“ Welt der Rechnungsstellung und machen aus beiden Formen einheitliche Datensätze zur Übergabe ans vorhandene Finanzmanagementsystem. Der Vorteil für unsere Kunden ist, dass sie entspannt dem 1. Januar 2025 entgegensehen können, weil ohnehin alle Rechnungen – ob analog oder digital – erst einmal zu uns kommen, über spezielle Postadressen oder elektronische Postfächer. Und sie reduzieren damit auch deutlich den Aufwand und die Kosten für die Umstellung auf E-Rechnung. Für die IT-Infrastruktur zum Routing der digitalen Postfächer arbeiten wir übrigens mit dem international renommierten IT-Dienstleister Atos zusammen, damit sie höchsten Sicherheitsstandards entspricht.

Wie gehen Sie vor?

Paragon übernimmt die gesamte Vorstrecke zum Finanzmanagement-System. Eingehende Rechnungen auf Papier scannen wir zunächst. Neben der üblichen automatisierten Texterkennung (OCR) bei den gescannten analogen Rechnungen analysieren wir auch bei den neuen Formaten die einzelnen Felder. In der Plausibilitätsprüfung schauen wir, ob die angegebenen Werte logisch sind, und gleichen eine Vielzahl von Parametern ab – beispielsweise den genannten Empfänger mit allen gültigen Rechnungsempfängeradressen oder die Absenderdaten mit der Liste aller für diesen speziellen Kunden zulässigen Lieferanten mit ihrer zugehörigen Nummer. Abschließend bringen wir alle Rechnungsdaten in ein einheitliches Standardformat, damit sie von der Buchhaltung unseres Kunden weiterverarbeitet werden können. Sie sehen: Bei dieser Vorgehensweise ist es ganz gleich, ob die Rechnung digital oder analog ist – das Ergebnis unserer Arbeit ist immer ein strukturierter Datensatz, mit allen relevanten Rechnungsinformationen, die die Finanzbuchführung des Unternehmens braucht. Bei der E-Rechnung übergeben wir zusätzlich noch das Original zur Weiterverarbeitung.

Müssen früher oder später die Unternehmen aber nicht doch ihre internen Prozesse für die E-Rechnung anpassen? Denn nach aktuellem Stand dürfen sie ab 2027 beziehungsweise 2028 nur noch E-Rechnungen ausstellen.

Momentan bleibt aus unserer Sicht die gesamteuropäische Entwicklung abzuwarten. Denn aktuell nutzen die Länder unterschiedliche Rechnungsformate – die Funktion, die bei uns ZUGFeRD erfüllt, leistet beispielsweise in Italien das Format FatturaPA. Außerdem ist noch nicht klar, wie die Übertragungswege der E-Rechnung aussehen werden. Einstweilen können Unternehmen sich nicht nur – wie hier beschrieben – für den Rechnungsempfang, also beim Input, Unterstützung eines Dienstleisters holen, sondern mit Blick auf ihre künftigen Pflichten auch bei der Rechnungsstellung, dem Output, bestimmte Prozesse frühzeitig auslagern. Unternehmen, die verschiedene Systeme für ihre Rechnungsstellung verwenden, profitieren zudem von einer zentralisierten Lösung, die sowohl die Erstellung als auch den Versand von E-Rechnungen koordiniert. Das ermöglicht eine nahtlose Integration und höhere Effizienz im gesamten Rechnungsprozess, sodass die Unternehmen flexibel und zukunftssicher agieren und die gesetzlichen Anforderungen ab 2027 erfüllen können.

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Das Wichtigste in Kürze

Ab 1. Januar 2025 gilt nach dem Wachstumschancengesetz als elektronische Rechnung (E-Rechnung) nur noch ein Datensatz, der gemäß der europäischen Norm für elektronische Rechnungen (Norm DIN EN 16931) strukturiert ist und die relevanten Rechnungsdaten im XML-Format liefert.

Die in Deutschland vorgeschriebenen Rechnungsformate nach europäischer Norm sind:

  • XRechnung – genutzt im öffentlichen Auftragswesen, bestehend aus der reinen XML-Datei, die zur Visualisierung eine zusätzliche Software erfordert

  • ZUGFeRD (Zentraler User Guide Forum elektronische Rechnung Deutschland) – für die branchenübergreifende Nutzung entwickeltes hybrides Rechnungsformat, bestehend aus einem sichtbaren PDF und einem strukturierten XML-Datencontainer

Ab 1. Januar 2025 müssen alle Unternehmen in Deutschland E-Rechnungen von inländischen Geschäftspartnern annehmen und entsprechend auch verarbeiten und speichern können.

Ab 1. Januar 2027 müssen – laut aktuellem Planungsstand – Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von mehr als 800.000 Euro Rechnungen in elektronischer Form ausstellen und speichern.

Ab 2028 soll laut aktuellem Planungsstand die E-Rechnung nach DIN EN 16931 das einzig erlaubte Rechnungsformat im inländischen B2B-Geschäft sein – Kleinunternehmer ausgenommen.

Bildergalerie

  • Steffen Mahlmeister ist Solution Manager Inbound bei Paragon DACH + CEE.

    Steffen Mahlmeister ist Solution Manager Inbound bei Paragon DACH + CEE.

    Bild: Paragon

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