Wo könnte man sich besser mit dem Geschehen in der Wasserwirtschaft beschäftigen als auf einer Kläranage? Also lud die Redaktion von Energy 2.0 und Urban 2.0 dorthin zu einem VIP-Partnerboard-Treffen ein. Als Gastgeber für den Wissens- und Gedankenaustausch unter wichtigen Repräsentanten der Branchen fungierten die Entsorgungsbetriebe Konstanz. Hartmut Appelt, Leiter der Kläranlage, stellte dabei zunächst die Anlage vor. Sie ist ein kommunaler Eigenbetrieb und das größte Klärwerk am Bodensee. Mit dem aus dem Klärschlamm gewonnenen Faulgas versorgt es sich über ein Blockheizkraftwerk bereits zu rund 60 Prozent mit eigenerzeugter Energie. Spannend wurde es, als Kai Frerichs, Ingenieur beim Planungsbüro Dr. Born - Dr. Ermel über Abwicklung und Stand der Erneuerung der Leit- und Automatisierungstechnik in der Kläranlage sprach. Neben dem Planen der bestmöglichen technischen Lösung zu vernünftigem Preis und angemessenem Aufwand stellte besonders der Umbau bei laufendem Betrieb Mitarbeiter und Ingenieure vor große Herausforderungen: Es musste mit zwei Systemen parallel gearbeitet werden. „Die Kläranlage für längere Zeit abzuschalten ist eindeutig keine Option“, so Frerichs. Bei der Modernisierung wurde ein neues, durchgängiges Prozessleitsystem vom Typ PMSXpro eingerichtet. Gleichzeitig gab es ein neues Busnetzwerk auf Lichtwellenleiterbasis und einen Anlagenbus für die gesamte Anlage. Darüber hinaus übernahm das Planungsbüro die Verbesserung der biologischen Reinigung und die Erneuerung der Niederspannungshauptverteilung zwei.
Kompetenzplattform Aqua Automation
Wie sich die Wasserbranche aufstellt, um die Komplexität der Produkte zu vereinfachen und herstellerübergreifende Ansätze zu generieren, erklärte Christoph Westerwelle, Leiter Industriemanagement Infrastruktur bei Phoenix Contact. Mit der Gründung der Kompetenzplattform Aqua Automation haben sich Branchenspezialisten wie Danfoss, Videc oder Endress + Hauser zum Ziel gesetzt, eine vertriebliche und technische Vernetzung mit anderen Teilnehmern zu erreichen sowie eine höhere Marktdurchdringung zu schaffen. „Uns beschäftigen besonders die Themen Energieeffizienz auf Kläranlagen und zustandbasierte Instandhaltung sowie IT-Sicherheit und funktionale Sicherheit“, so Westerwelle. Mit eigens entwickelten Übersichten sollen die zahlreichen Übertragungsmedien und Protokolle einfacher gestaltet werden. So unterstützt die Funktionbausteinbibliothek PCWorx – Waterworks das Handling der Feldgeräte und die Symbolbibliothelk Atvise – Waterworks das effizientere Engineering.
Besonders heiß diskutierten die Partnerboard-Teilnehmer das Thema IT-Sicherheit. „Die Zahl der Angriffe steigt kontinuierlich“, sagte Dieter Barelmann, Geschäftsführer von Videc, einem Anbieter von Softwaresystemen im Bereich der Automatisierungs- und Informationstechnik. War es 1994 noch ein Virus pro Stunde, wurden 2016 bereits 3,5 Viren pro Sekunde registriert. „Herkömmliche IT-Sicherheit reicht da nicht, man muss immer auf dem aktuellen Stand sein.“ Probleme in den Unternehmen seien, dass Risikomanagement oft aus dem Bauch heraus betrieben werde. „Wichtig ist auch, dass die Mitarbeiter Risiken und Angriffe erkennen sowie die IT-Security akzeptieren und unterstützen“, betonte Barelmann. Als Resultat aus seinen Trainings berichtet er, dass die Sensibilisierung für Sicherheit steigt. So wurden etwa immer die Einstellungen der Firewall sofort überarbeitet.
Automatisierung von Pumpenantrieben
Besondere Anforderungen an die Automatisierung heute sind, dass es immer mehr Informationen aus dem Feld gibt, die auch adäquat verarbeitet werden müssen. Dies stellte Stefan Denzer, Key Account Manager bei Danfoss Drives in seinem Vortrag fest. „Mittlerweile können dutzende von nützlichen Informationen aus einem Antrieb übermittelt werden wie etwa Motorstrom und -spannung, Drehzahl oder Kilowattstunden pro Betriebsstunden und Starts und Stopps.“ Das Unternehmen habe seine Antriebe auf verschiedene Branchen zugeschnitten: Mit Aqua Drive stehen der Wasserwirtschaft nützliche Features vom SmartStart über Motorunabhängigkeit bis hin zu präventiver Wartung zur Verfügung. Die automatische Energieoptimierung ermöglicht zudem eine Einsparung von bis zu 15 Prozent. „Ein nächster Schritt in der Aqua Automation wird die Parametrierung des Aqua Drive über die Steuerung via Profinet sein“, kündigte Denzer an.
Digitale Wasserzähler für zeitnahe Ablesung
Die zunehmende Digitalisierung spielt in der Energie- wie in der Wasserwirtschaft eine wichtige Rolle. „Während die Energiebrache derzeit der Smart Meter Rollout beschäftigt, befindet sich die Wasserwirtschaft da noch in den Kinderschuhen“, sagte Udo Diehl, stellvertretender Prüfstellenleiter bei Sensus. Das will er mit iPerl, einem digitalen Wasserzähler, ändern: „Er soll Grundbaustein eines intelligenten, netzgebundenen und digitalen Wassermanagements sein.“ Mit remanenter Magnetfeldtechnik erfasst der Zähler Durchflüsse mittels des magnetisch-induktiven Messverfahrens. Genaue Messungen ab einem Liter pro Stunde seien möglich. Beeindruckt zeigten sich die Zuhörer von der Möglichkeit, die Daten quasi im Vorbeifahren mit dem Auto ablesen zu können. Diehls Fazit lautete, dass mit iPerl eine Minimierung der operativen Kosten, die Optimierung der Instandhaltung der Netze und eine sichere und zeitnahe Ablesung ermöglicht werden.
Das Treffen in Konstanz regte nicht nur zu Diskussionen an, sondern auch zum Mitmachen. So besichtigen VIP-Partnerboard-Teilnehmer und Redaktion abschließend die Kläranlage. Weder von Regen noch von leichter Geruchsbelästigung ließen die Besucher abschrecken und informierten sich, wie die Abwasserreinigung in der Praxis funktioniert.